Lebenskreis. Hilla Beils-Müller
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Schalom, ihr werter Mathematiklehrer, der immer noch zu Tränen gerührt war und so überwältigt schaute, erzählte den fast erwachsenen Schülern die Wertschätzung einer guten Freundschaft.
„Meine Cousine und ich hatten uns als Kinder versprochen, ohne Neid und Streit auszukommen. Jedem alles zu vergönnen und diese Begegnung heute spiegelt unser unbeirrbares WIR.“
Und während er sprach, holte eine Schülerin, weil sie Geburtstag hatte, einen leckeren Kuchen hervor, der aufgeteilt wurde und köstlich schmeckte. Alle gratulierten ihr und bedankten sich herzlich.
Hatte die Schulklasse von dem Vorhaben gewusst?
Eher nicht, überlegten Schalom und Annemarie später, weil wirklich Alles so natürlich echt und unbeschwert wirkte. Annemarie fühlte sich sehr glücklich und erzählte Schalom von der begeisterten Direktorin.
Eifel-Leben
Einblick in das Eifel-Leben von Annemarie, die ärmlich wohnte, kaum Spielzeug hatte, ein Püppchen nur besaß.
Wurst, Eier und Käse gab es nur sonntags, werktags Marmelade und Quark aufs Brot. Die Augen strahlten, wenn es Pudding oder Kuchen gab. Vieles war kärglich außer Kartoffeln, Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten. Eigentlich eine glückliche Familie, zufrieden und gesund.
Wenn der Vater vom Krieg berichtete, dann begann er zu zittern, sein Gesicht verfinsterte sich. Menschen, so sprach er, erstickten im Zwang jener hasserfüllten Vernichtungs-Strategie.
Acht Jahre nach Kriegsende ward Annemarie geboren im Haus der Großeltern, das vorher von Bomben zerstört am Boden lag. Mit großer Kraft bauten es die fleißigen starken Frauen wieder auf, weil sich ihre Männer noch weit fort in Gefangenschaft befanden.
Diese Erinnerungen machen mehr als deutlich, wie kräftezehrend und ärmlich sich der Frieden anfühlte, der nach sechs Jahren errungen war.
Ja, plötzlich war er da, der heißersehnte Frieden.
Vorher brannten die Trümmerhäuser lichterloh, es lagen Leichen auf den Straßen und ungezählte Menschen flohen. Nur wenige kehrten zurück.
Überall hingen Suchbilder von vermissten Personen, auch von Kindern, an Bretterwänden in der Stadt. Diese grauenvolle Realität dauerte länger als ein Jahrzehnt. Warmherzig zeigten die Menschen Mitgefühl. Einer half dem Anderen. Sie sprachen offen über die Verdunkelungs-Zeit, von heulenden Sirenen, vom lauten Beten im Bunker.
Die Eltern von Annemarie lebten edel und gerecht. Ihnen gelang es mit Wenig statt Viel gut zu leben. Lange Zeit erzählten sie von der Angst vor der Strenge der Erwachsenen, auch in der Kirche und in der Schule. Viele Alpträume und tiefe Seelen-Narben blieben zurück.
Als Betroffene appellierten sie flehend: Niemals wieder Völkerhass und Krieg! Für alle Zeiten muss ein *Ewiger Frieden* bestehen bleiben! Schattenkind
Annemarie spricht aus mir. Sie erzählt mein ICH.
Das versteckte Ich
Als ich mich sehr
ungerecht behandelt
fühlte, verspürte ich
keine Schuldgefühle.
Es betraf den Beruf,
dem ich zwölf Jahre
vorgestanden bin und
mein Allerbestes gab.
Enttäuscht nahm ich
Papier und Stift,
schrieb auf, was mich
sorgenvoll bedrückte.
In einer Spalte daneben
notierte ich mein
privates Froherleben.
Selbstbewusst ohne Hass
kündigte ich dem Pulverfass.
Und schon im Dezember
des Jahres 2006 begann
ich mit dem Schreiben.
Sogleich missfiel mir
sodann die Häufigkeit
des Wortes ICH.
Ich wollte sofort das
Schreiben beenden.
Zum Glück erfand
meine Fantasie das
Mädchen Annemarie,
die fortan aus mir
sprach. Genauso wie
ich lachte und malte,
dachte und schrieb.
Dieses versteckte ICH
war völlig richtig und
erfüllte seinen Sinn.
Ehrlich authentisch
und eigenbestimmt.
“Schreiben nimmt
mich wie ich bin.“
Herbstweg
Nur in der Fantasie
existiert Annemarie.
Es gibt sie nicht,
trotzdem denkt und
schreibt SIE wie ICH.
Fühlt momentan
den Herbstweg unter
den Füßen. Hält dankbar
fest und lässt froh grüßen.
Weil fast jeder Tag
der Schönste war,
strebt sie bewusst,
teils tief bewegt,
dem Winterweg
entgegen. Und,
dass sie noch lebt
muss Gnade sein.
Von gesundheitlich
Schachmatt befreit,
fühlt sie sich geheilt.
Die Wahrheit spricht:
Annemarie, das