"Entscheidet Euch, eh' es zu spät ist!". Hardy Kerp

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schuldig machten, das nicht durch individuelle Strafen abgegolten werden könne. Die einzige angemessene Antwort sei die Vernichtung aller Juden, einschließlich ihrer Frauen und Kinder“ (P. Schäfer S. 25)

      Schäfer erscheint der noch in der vorchristlichen Antike verfasste Text wie ein „Modell der monstreusen Einstellung“, die das Schicksal der Juden bis zum Holocaust bestimmte. Schon in der damaligen Zeit wurden die hier angeführten antisemitischen Argumente zur Blaupause für die Einstellung der Griechen und Römer zu den Juden.

      Da eine außerbiblische Bestätigung des betreffenden Vernichtungsplans fehlt, geht man davon aus, dass hier die späteren tatsächlichen Angriffe des Seleukiden Antiochius IV. auf die Juden in die Perserzeit zurückprojiziert wurden. Dann würde der Bericht eine persischen Feinseligkeit gegen das Judentum in Gefolge der makkabäischen Aufstände spiegeln.

      Unter theologischen Aspekt macht das Buch den Juden in der Situation des drohenden Verlustes ihrer religiösen und kulturellen Identität unter Antiochius IV. Mut zu kämpfen. Dazu erzählt es von der mutigen Jüdin Ester, die einen früheren Versuch scheitern ließ, das Judentum zu vernichten. Die zentrale theologische Aussage hierzu findet sich im Kapitel 4, Verse 13-14: Gott setzt seinen (Rettungs-)Plan durch, auch wenn der Mensch versagt.

      „Die Wiege des Phänomens, das wir als Antisemitismus bezeichnen, stand im hellenistischen Ägypten“ des 3. Jahrhunderts v. Chr. (ebenda S. 28) Bei dem griechischen Historiker Diodorus Siculus aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. findet sich eine Begründung für „das fundamentale Anderssein der Juden mit ihrer tiefverwurzelten ,Menschenfeindlichkeit‘ und ,Fremdenfeindlichkeit‘“: Nach der Ankunft in dem Gebiet des heutigen Judäa und der Gründung der Kolonie Jerusalem führte Moses unter dem Eindruck der schmerzlichen Vertreibung aus Ägypten „eine asoziale/menschenfeindliche Lebensweise ein.“ In religiöser Hinsicht gipfelte diese Darstellung in dem Vorwurf der „Gottlosigkeit“.

      Diodorus Siculus spitzt seinen Vorwurf der Menschen- und Fremdenfeindlichkeit generalisierend zu, indem er dem Volk der Juden einen „Hass gegen die Menschen“ unterstellt, den es an seine Nachkommen weitergibt. Als äußere Merkmale nennt er die Einführung „ganz ausgefallener Bräuche“. Dazu gehört, dass sie die Tischgemeinschaft mit jedem anderen Volk ablehnen und „anderen Menschen keinerlei Wohlwollen entgegenbringen“.

      Der Hass gegenüber allen anderen Menschen äußere sich in ihren eigenen von ihrer jeweiligen Umwelt unterschiedenen Gesetzen, „die darauf ausgerichtet seien, die kulturelle und religiöse Identität der anderen Völker zu unterminieren.“ (ebenda S. 27 f)

      Die bisher geschilderten judenfeindlichen Stereotype im hellenistischen Ägypten veranlassen P. Schäfer, bereits von einem vorchristlichen Antisemitismus zu sprechen, der im 1. Jahrhundert n. Chr. mit dem ersten Pogrom in der jüdischen Geschichtsschreibung seinen Höhepunkt erreichte.

      Dazu berichtet der jüdische Philosoph Philo von Alexandrien über die feindselige Reaktion der Ägypter auf den Besuch des judäischen Königs Herodes Agrippa I. in Alexandria im August des Jahres 38 n. Chr. Er hatte nach seiner Ernennung auf der „Durchreise“ von Rom in sein neues Königreich in Alexandria Station gemacht.

      In seinem Ärger über die Berufung eines Juden zum König instrumentalisierte der römische Präfekt A. Avillius Flaccus den judenfeindlichen alexandrinischen Mob gegen die Juden. Sie zerstörten die Synagogen, trieben die Juden in ein Ghetto und massakrierten sie. „Philos’ drastische Beschreibung des ersten antijüdischen Pogroms der Geschichte im orchestrierten Zusammenspiel von Staatsgewalt und aufgehetztem Pöbel liest sich wie das unheimliche Drehbuch der Massaker, denen die Juden durch die Jahrhunderte hindurch bis in die Gegenwart ausgesetzt sein sollten.“ (ebenda S. 39)

      Kurz nach dem Pogrom wurde Flaccus von Kaiser Caligula abgesetzt und hingerichtet.

      Der facettenreiche Judenhass der vorchristlichen Antike ist mit vielen der antijüdischen Vorurteilen und Stereotypen wirkungsvoll „in unser kulturelles Gedächtnis eingegangen.“ (ebenda S. 40) Eine Zusammenfassung findet sich in dem Werk Historiae bei Tacitus. Für ihn praktizieren die Juden anstelle einer der römischen religio vergleichbaren Religion einen abstoßenden Aberglauben. Abgesehen von einigen Sitten und Gebräuchen, die sich von der Vertreibung aus Ägypten herleiten lassen, bezeichnet Tacitus die meisten als „verkehrt und abstoßend“.

      Während sie untereinander stets loyal und mitfühlend seien, begegneten sie anderen Menschen mit feinseligem Hass. In ihren Lebensgewohnheiten wie z. B. Essen und Schlafen separierten sie sich von ihrer Umgebung, und ihre Beschneidung diene einzig der Abgrenzung von anderen Völkern. „Das alte hellenistische Motiv der grundlegenden und unüberbrückbaren Menschen- und Fremdenfeindlichkeit hat hier seine endgültige römische/westliche Ausprägung gefunden.“ (ebenda S. 41)

      Von hier aus war es kein Zufall, dass Tacitus in einem nächsten Schritt den angeblichen Menschenhass der Juden auf die sich von ihnen abspaltenden Christen übertrug. So bewertete er die Verfolgung der Christen unter Nero nicht als Bestrafung für ihre angebliche Brandstiftung Roms, „sondern wegen ihres Hasses auf das ganze Menschengeschlecht.“ (ebenda S. 42)

      Wir müssen unterscheiden zwischen dem jüdischen und dem antisemitischen Antizionismus. Nachdem sich Ende des 19. Jahrhunderts der politische Zionismus als internationaler Nationalismus formiert hatte, entstand als Gegenreaktion aus dem europäischen Judentum eine internationale und transnationale Ablehnungsfront. Die Vorbehalte innerhalb sowohl des liberalen wie des orthodoxen Judentums ließen Organisationen entstehen, die den Zionismus bekämpften.

      Liberale Juden befürchteten, dass der jüdische Nationalismus in Gestalt des Zionismus die Integration in die nicht-jüdische Gesellschaft behindere und den Antisemitismus befördere. Orthodoxe Juden dagegen lehnten den Zionismus als Versuch ab, das messianische Zeitalter durch Menschenhand herbeizuführen, statt darauf zu vertrauen, dass Gott mit dem Anbruch seiner Herrschaft die zerstreuten Juden aus aller Welt auf dem Zion Jerusalems versammeln wird.

      Ende 2019 verabschiedete das französische Parlament eine Resolution zum antisemitischen Zionismus. Es reagierte damit auf einen Zwischenfall am Rande einer Gelbwesten-Demonstration. Ein sechsunddreißig Jahre alter zum Islam konvertierter Mann attackierte den jüdischen Philosophen Alain Finkielkraut als „Scheißzionist“, „Drecksrasse“, „zionistische Lobby“ und rief: „Frankreich gehört uns!“

      Das französische Parlament stellte fest, dass zum „modernen und erneuerten Antisemitismus […] Manifestationen des Hasses gegenüber dem Staat Israel“ gehören. Die Resolution erteilt der Regierung den Auftrag, die staatlichen Instanzen für „Erziehung, Repression und Justiz“ zu sensibilisieren, um „antisemitische Attacken zu erkennen und zu verfolgen.“ (F.A.Z. v. 22.12.2019)

      Finkielkrauts Angreifer wurde zu zwei Monaten Gefängnis wegen Verleumdung und rassistischer Beschimpfung verurteilt.

      Emmanuel Macron versprach in diesem Zusammenhang anlässlich des Jahresessens des jüdischen Zentralrats, den Kampf gegen den Antisemitismus auf den Antizionismus auszuweiten. Frankreichs Parlament ist das erste in Europa, das den gegenwärtigen Antizionismus als eine Form des Antisemitismus verurteilt.

      Interessant ist dazu noch die Reaktion von Joël Mergui, dem Leiter des im Oktober 2019 in Paris eröffneten „Centre européen du judaïsme“. Er unterstützte die Resolution des Parlaments: „Die französischen Juden sind Zionisten, weil sie Israel beschützen wollen, einen ständig bedrohten Kleinstaat, der für alles, was er macht, kritisiert wird. Da, wo wir in Frieden unser Leben leben können, können es alle anderen auch.“ (ebenda)

      Außer

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