Blutgrätsche. Jürgen Neff

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Blutgrätsche - Jürgen Neff

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ist verständlich, ebenso dass der Capo sich diese Ressource sicherte und ihre Beliebtheit für sich nutzte. Während Neuperts Schilderungen bleibt Scharf still, wenn auch nicht ruhig. Ich sehe genau, dass er innerlich kocht bei der ein oder anderen Geschichte. Überhaupt scheint er recht wenig Spaß zu verstehen.

      Als wir uns für die Informationen und den delikaten Kaffee bedanken und den beiden Männern die Hände schütteln, zieht Scharf mich nochmals zu sich heran. »Wissen Sie, Frau Schätzle, ich bin auch Fußballfan. SSV Ulm.« Die mochten wir nie besonders. »Deshalb finde ich es so nervig, dass diese jungen Chaoten den Fußball kaputt machen. Ich würde am Wochenende viel lieber im Stadion sitzen und meine Mannschaft anfeuern. Stattdessen rauben uns die Ultras unsere wertvolle Freizeit.«

      »Wenigstens sind Sie mit Ihrem Job trotzdem in einem Stadion.«

      Er lächelt, meint es aber nicht so. »Man ist nicht Teil des Ereignisses.«

      Kann ich mir vorstellen.

      »Wissen Sie, was mir am meisten auf die Nerven geht an diesen sogenannten Fans? Dass die einfach keinen Anstand besitzen. Die wissen nicht, was sich gehört. Sie kommen mit Bus und Bahn schon betrunken in der Stadt an, halten auf dem Weg ins Stadion den ganzen Verkehr auf und binden dabei Einsatzkräfte, die eigentlich woanders gebraucht werden, pissen überall hin und stören normale Leute bei dem Genuss eines Fußballspiels.«

      Ich frage ihn nicht, was genau er unter »normalen Leuten« versteht.

      »Diese verzogenen Kids haben einfach keine Kinderstube. Weiß nicht, was die Eltern gemacht haben. Vermutlich gar nichts. Die sehen das Spielwochenende als Legitimation an, gegen alle gesellschaftlichen Regeln zu verstoßen, und sind dann erstaunt, dass nicht jeder Stadionbesucher ihre Ansicht teilt. Und wir Ordnungshüter eben auch nicht.«

      Ich blicke zu Neupert, aber Scharf ist noch immer nicht fertig. »Katrin Benzeler zählte definitiv zu denen. Sie mochte es immer bunt und schrill. Ich hatte selbst einmal eine Auseinandersetzung mit ihr, vor einem halben Jahr vielleicht. Als sie ein Kollege der BFE angeblich zu hart anfasste. Dabei ist doch klar: Jeder Polizeibeamte ist gesetzlich dazu verpflichtet, Gefahren von Personen abzuwehren. Einen Spielraum gibt es da nicht.« Er sieht mich durchdringend an.

      »Inwiefern zu hart angefasst, Herr Scharf?«

      Ein kurzes Lachen schüttelt ihn. »Die haben uns bei ihrer Anreise nach Ulm an der Nase herumgeführt, sich anders als sonst auf mehrere Züge verteilt. Wir aber durchschauten es rechtzeitig, und eine Einheit der BFE konnte sie am letzten Bahnhof vor Ulm abfangen, ein paar bekannte Gesichter herausziehen. Und das Kätzchen haben sie im Einsatzwagen festgesetzt und schmoren lassen. Da hatte das Spiel schon längst begonnen. Als ich dazukam, saß sie nur in Höschen und T-Shirt bekleidet im Bus, sagte, sie müsse dringend mal pinkeln und die Kolleginnen hätten es ihr nur unter der Bedingung erlaubt, dass die sie rechts und links dabei sichern. Angeblich hätte sie so nicht gekonnt.« Er zieht die Achseln hoch, grinst frech.

      »Ich hoffe, Sie haben das Ihren Vorgesetzten gemeldet«, antworte ich, und er lässt endlich meine feuchte Hand los.

      Ockhams Rasiermesser oder der Kampf ums Faktische

      »Hat sich bei ziemlich vielen unbeliebt gemacht, deine Freundin.«

      Schröter und ich stehen mit verschränkten Armen an unsere Schreibtische gelehnt, glotzen zum Fenster hinaus, hinab auf die Schnaitheimer Straße. »L & L«. Lungern und Lauern. Die zwei großen Ls der Polizeiarbeit sind kriminalpolizeiliche Grundhaltungen. Wir lungern vor Haustüren, im Büro oder vor Gericht, lauern im Besprechungsraum, vor Akten, Fotos, Computern. Wir lungern und lauern vor dem Fall als Ganzem, belungern und belauern ihn und die Verdächtigen so lange, bis einer nachgibt.

      »Scharf und Neupert sind bei jedem Spiel dabei, oder?«

      Ich bin gedanklich woanders. Bei Cat, bei den Schwarzen Gespenstern und dabei, wie die mit uns umsprangen damals. Kann mir denken, dass das heute noch krasser ist. Schließlich wird nahezu alles immer krasser.

      Ich muss an einen Tag denken, als Cat und ich zusammen mit unseren damaligen Kerlen im Fanbus nach Stuttgart saßen. Schon vor der Stadt wurden wir von einem Motorradpolizisten abgefangen und auf einen Parkplatz gelotst. Dort lauerten 40, 50 Polizisten der BFE auf uns. Als der Busfahrer die Türen öffnete, stürmte etwa ein Dutzend Polizisten mit Schlagstöcken herein, befahl den Stehenden, sich auf ihre Plätze zu setzen und sicherte den Gang. »Willkommen in Stuttgart«, brüllte einer. »Hände auf den Vordersitz! Wir führen eine Personenkontrolle durch und untersuchen diesen Bus auf Waffen und Pyrotechnik.« Jeder von uns wurde einzeln aus dem Bus geführt, musste seinen Namen in eine Kamera sprechen und den Personalausweis abgeben. Taschen ausleeren, Jacke ausziehen, Schuhe und Socken, sich an eine Mauer stellen, dann Leibesvisitation, bei um die null Grad. Bei Frauen wurde auch der BH kontrolliert. Danach ging es in einen Container, der vielleicht zehn mal zehn Meter groß war und sich nach und nach füllte mit bereits durchsuchten Fußballfans. Immer mehr baten darum, austreten zu dürfen, erhielten aber keine Erlaubnis. Die Kerle nutzten eine Ecke dafür. Und wir weiblichen Fans bettelten darum, auf die Bustoilette gehen zu dürfen. Durften wir nicht. Als die Gespenster uns endlich wieder aus dem Container herausließen, lagen in einer Plastikschale neben dem Eingang zum Bus zwei Chinaböller und ein wenig Rauchpulver. Und ich hatte mir in die Hosen gepisst.

      »Da habt ihr einen richtig dicken Fang gemacht«, meinte Cat zu dem Beamten, der vorhin die lautstarke Rede gehalten hatte.

      Als wir alle wieder auf unseren Plätzen saßen und der Bus losfuhr, zog Cat auf dem Sitz vor mir die Plastikstangen unseres neuen Societas-Banners an sich, schraubte an der unteren Seite den Pfropf der hohlen Stange ab und ließ schmunzelnd ein paar Pyros in ihre Hand gleiten. »Wie gut, dass unsere Ordnungshüter so wenig Fantasie besitzen.«

      Johannes umarmte sie lachend. »Dir mache ich mal drei wunderhübsche Babys.«

      Und Cat antwortete: »Wer sagt dir, dass ich drei Bälger will?«

      »Also. Die rivalisierenden Ultras«, holt mich Schröter zurück ins Heute. »Sie feinden sich an.«

      »Die putzen sich gegenseitig ein bisschen runter. Aber das sind Scheingefechte. Meistens.«

      »Sie provozieren sich.«

      »Ja. Sie werden fies. Klar. Eigentlich finden zwei Spiele statt im Stadion. Das auf dem Platz zwischen den Mannschaften und das am Spielfeldrand zwischen den Fanblocks. Manchmal verlierst du auf dem Platz, aber erzielst in der Kurve einen Achtungssieg.«

      »Und wenn es eskaliert, gibt’s Dresche.«

      Wenn man etwas nicht kennt, sieht man oft nur schwarz-weiß. Aber ja. Manchmal gerät es ein wenig aus dem Ruder.

      »Es ist ein Spiel. Mehr nicht«, sage ich. »Auch in der Kurve. Man stichelt ein wenig gegen den Gegner oder übt Druck aus. Versucht, ihn zu provozieren und aus der Reserve zu locken. Macht ihn verbal runter.« Schröter sieht mich skeptisch an. »Auf dem Platz geschieht auch nichts anderes. Das ist Teil der Taktik. Psychologische Kriegsführung. Der Verteidiger steckt dem Stürmer gleich in den ersten Minuten, dass er ihm heute keinen Zentimeter gönnen wird. Tritt ihm zur Bekräftigung einmal ordentlich auf die Zehen oder gegen das Schienbein, zieht unauffällig an seinem Trikot, sodass der Schiri es nicht mitkriegt. Und sagt ihm dann, dass seine Mutter eine Hure ist.«

      Schröter nickt. »Um ihn zu entmutigen.«

      »Ganz genau. Den Schneid abkaufen.«

      »Das ist nicht ernst gemeint.

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