Dampfer ab Triest. Günter Neuwirth

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Dampfer ab Triest - Günter Neuwirth

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und ist unglücklich gefallen. Er hat den Unfall nicht überlebt. Rudolf Strohmaier ist tot.«

      Max von Urbanau schüttelte den Kopf. »Himmelherrgott, was für eine Tragödie! Der arme Rudolf. So einen Fahrer kriege ich nie wieder. Und die Fahrt zur Gräfin nach Duino ist damit auch vom Tisch. Mein Automobil ist beschädigt?«

      »Jawohl, Euer Gnaden.«

      »Ich will zum Ort des Geschehens. Stante pede.«

      Emilio nickte devot. »Es wäre mir eine Ehre, Euer Gnaden den Weg zu weisen.«

      *

      Oberinspector Gellner lauschte mit ernstem Gesicht dem Bericht seines Untergebenen. Wie immer ließ sich Gellner von Inspector Pittoni auf Italienisch berichten, obwohl dieser durchaus gut Deutsch sprach. Es war der schwere und unausrottbare Akzent Pittonis, den Gellner in Wahrheit unerträglich fand. Er selbst hatte sich schon in frühen Jahren bemüht, akzentfreies Italienisch zu sprechen, und er konnte sich zugutehalten, dieses Vorhaben in erfolgreiche Bahnen gelenkt zu haben. Immer wieder passierte es ihm, dass ihn italienische Triestiner für einen Italiener hielten und überrascht waren, wenn er im Gespräch geradezu beiläufig in seine Muttersprache Deutsch wechselte. Pittoni würde niemals akzentfrei sprechen können, das war diesem Mann einfach nicht beizubringen. Gellner musste damit zufrieden sein, dass Pittoni die deutsche Sprache problemlos lesen konnte. Schließlich, und um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, musste man festhalten, wenn Polizeiagent Vinzenz Jaunig die italienische Sprache verwendete, klang sie wie Kärntner Holzfäller, die gerade einen Baum mit der Axt fällten. Einfach scheußlich. Dennoch ertrug Oberinspector Gellner Jaunigs grässliches Italienisch leichter als Pittonis furchtbares Deutsch. Wohl weil letztere Gellners Muttersprache war.

      Was für eine wohltuende Ausnahme hierin Inspector Zabini und Frau Ivana bildeten, denen die Sprachen der vielstimmigen Stadt Triest gefällig und wohl akzentuiert über die Lippen gingen. Obwohl natürlich alle den ganz eigenen Triestiner Dialekt des Italienischen sprachen. Das reine Toskanisch klang dann wieder ganz anders und wurde nur von Frau Ivana fließend gesprochen.

      Oberinspector Gellner bemerkte, dass Pittoni zum Ende seines Berichts kam, also nickte er zufrieden. »Recht getan, Signor Pittoni, Sie haben die Ihnen zugedachten Pflichten auf treffliche Art erfüllt.«

      Es klopfte an der Tür. »Herein!«

      Als Bruno die Tür öffnete, zog Gellner erstaunt seine Augenbrauen hoch. Emilio schaute über seine Schulter zur Tür. »Signor Zabini, wo waren Sie denn? Ich wollte schon nach Ihnen suchen lassen. Und was schleppen Sie da für eine Kiste mit sich? Und wie sehen Sie denn aus? Sind Sie unter die Fabrikarbeiter gegangen?«

      Bruno stellte die Holzkiste auf den Boden und schnaufte durch. Die Schlepperei hatte ihn ein wenig außer Atmen gebracht. Er nahm einen Lappen aus der Kiste und wischte sich die ölverschmierten Finger ab.

      »Ich habe den Abtransport des beschädigten Automobils begleitet, war im Magazin der Hafenverwaltung, wo das Automobil vorübergehend abgestellt ist, und ich habe nach einigen Mühen das kaputte Bremsseil des Fahrzeugs vollständig ausgebaut.«

      »Und aus welchen Gründen, in Gottes Namen, haben Sie diese Arbeit ausgeführt?«

      »Sehen Sie selbst, Herr Oberinspector«, sagte Bruno und kniete auf dem Boden. Er langte nach der Lupe und hielt sie Gellner hin, der um den Schreibtisch herumkam, die Lupe aber nicht ergriff, sondern die Hände in die Hüften stemmte und in die Kiste blickte. Also reichte Bruno die Lupe an Emilio, der sich neben die Kiste hockte.

      Bruno ergriff ein Ende des Bremsseils und schaute abwechselnd zu Gellner und zu Emilio. »Das Automobil des Grafen Urbanau ist mit einer Außenbandbremse ausgestattet. Das ist für Fahrzeuge eine übliche und gut erprobte Technik. Das Lederband um die Bremstrommel ist stabil und robust genug, um selbst bei einem derart großen und schweren Wagen verlässlich zu bremsen. Es muss alle drei bis vier Jahre ausgetauscht werden. Im Falle des Automobils des Grafen Urbanau war es technisch einwandfrei. Auch die Hebel der Bremsvorrichtung sind allesamt in tadellosem Zustand. Das habe ich geprüft. Der Bremsdefekt ist durch das gerissene Zugseil zustande gekommen. Das ist eindeutig erwiesen. Wie jeder technische Gegenstand kann auch ein Zugseil aus Stahldraht eine Schwachstelle oder einen Produktionsfehler aufweisen, aber seltsam ist es mir gleich vorgekommen, dass bei einem derart solide konstruierten und sorgfältig gebauten Automobil nach nur einem Jahr Betriebszeit ein zentrales Bauteil wie das Zugseil der Bremse reißen konnte. Sehen Sie selbst, das Zugseil ist massiv ausgeführt. Es würde die geballte Kraft von vierzig Pferden erfordern, dieses Seil zu zerreißen, ein Mann allein schafft das durch Ziehen am Bremshebel niemals. Und doch ist genau das passiert.« Bruno machte eine Pause und nickte Emilio zu. »Also habe ich die Stelle, an der das Seil gerissen ist, genau untersucht. Durch die Lupe sieht man es. Einige Litzen des Drahtseils sind an der Bruchstelle gedehnt und zeigen sich verjüngende Enden, andere nicht. Man muss sehr genau schauen, um es zu erkennen. Die sich verjüngenden Enden der Litzen rühren von der mechanischen Längsdehnung des Stahldrahts knapp vor dem Abreißen. Diese Litzen waren beim Bremsvorgang intakt und wurden durch die Betätigung der Bremse bei hoher Geschwindigkeit abgerissen. Was ist aber mit den meisten anderen Litzen? Sie zeigen diese Verjüngung nicht. Sie sind nicht durch mechanische Kraft in Längsrichtung abgerissen, das ist nämlich ohne Dehnung und Verjüngung des Durchmessers physikalisch nicht möglich. Sie müssen also beim letzten Bremsvorgang vor dem Reißen schon durchtrennt gewesen sein. Emilio, sieh dir bitte den Kratzer fünf Millimeter und den weiteren rund anderthalb Zentimeter neben der Bruchstelle an. Aus meiner Sicht sind das Kratzspuren einer Metallsäge.«

      »Einer Metallsäge!«, rief Gellner und kniete sich nun ebenso neben die Kiste.

      »Verdammt, Bruno könnte recht haben«, brummte Emilio. »Die Kratzer könnten von einer Säge stammen. Sehen Sie selbst, Herr Oberinspector.«

      Gellner griff zu und schaute durch die Lupe. Die beiden Inspectoren wechselten vielsagende Blicke.

      »Die Kratzer sehe ich. Auch die fehlenden Verjüngungen der meisten Litzen.« Gellner legte den Draht in die Kiste zurück und ließ die Lupe sinken. »Ist Ihnen klar, was Sie da sagen, Signor Zabini?«

      »Völlig klar. Jemand hat das Bremsseil angesägt.«

      Emilio schaute Gellner von der Seite an. »Da hat jemand einen Plan gehabt.«

      Gellner warf seine Stirn in Falten. »Wie meinen Sie das, Signor Pittoni?«

      »Erinnern Sie sich, was ich zuvor berichtet habe? Der Graf hat vorgehabt, heute im Laufe des Vormittags eine Autofahrt nach Duino zu unternehmen. Zur Steilküste.«

      Gellner schnappte nach Luft und sprang hoch. »Heilige Maria, ein Mordkomplott gegen Graf Urbanau!«

      Die beiden Inspectoren erhoben sich ebenfalls und beobachteten Gellner, der eine Weile zum Fenster hinausschaute.

      »Was werden Sie jetzt tun, Herr Oberinspector?«, fragte Bruno.

      Gellner wandte den Blick seinen Untergebenen zu. »Ich werde den Statthalter in Kenntnis der Umstände und Ermittlungen setzen. Die Sache hat exorbitante Brisanz.«

      Möwen über Triest

      Der anhebende Frühlingstag brachte lebhaften Wind, schnell ziehende Wolken und Helligkeit mit sich. Ein guter Tag für die Arbeit im Garten. Heidemarie Zabini legte ihre Strickweste ab, griff nach dem Werkzeug und lockerte mit langsamen, routiniert gesetzten Bewegungen die Erde. Die Beete mit dem Salat und dem Frühgemüse waren längst bestellt, jetzt galt es, die Beete für das Sommergemüse vorzubereiten. Der Garten rund um ihr Haus war nicht

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