Dampfer ab Triest. Günter Neuwirth

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Dampfer ab Triest - Günter Neuwirth

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haben sich für mich interessiert. Eine blonde Wienerin in Triest, eine Zeit lang war ich das Stadtgespräch. Ich habe so manche Liebesbriefe vor meinem Mann verstecken müssen, aber ich hatte das Glück, dass er kein Seemann war. Oder das Pech, je nachdem, wie man es nimmt. Die eine oder andere interessante Liaison ist mir dadurch entgangen, aber die Kinder, das Haus und ein gewisses Guthaben sind mir geblieben. Verstehen Sie, was ich Ihnen sagen will?«

      »Ich glaube, ja.«

      »Nehmen Sie das bitte ernst. Ich habe Frauen gesehen, die an einem Tag noch in geordneten Verhältnissen gelebt haben und am nächsten Tag im Armenhaus gelandet sind. Oder bei den Dirnen. Gerade wir Frauen geraten durch gescheiterte Ehen in die Armut. Das ist unser Schicksal.«

      »Im Armenhaus möchte ich nicht landen.«

      »Deswegen seien Sie stets auf der Hut. Als Frau eines Seemannes wird man in Triest von den anderen Frauen argwöhnisch beobachtet.«

      »Wem sagen Sie das! Meine Schwiegermutter lauert wie ein Fuchs.«

      »Sie, Signora Cherini, sind eine auffällig schöne Frau. Schönen Frauen wird immer hinterhergeschaut.«

      »Ja, das kann ich bestätigen.«

      »Bruno wird regelrecht hitzig, wenn er sie trifft.«

      »Ich werde auch hitzig, wenn ich ihn treffe. Vor allem, wenn mein Mann gerade auf See ist.«

      »Ich habe meinen Sohn scharf ins Gebet genommen. Ich bin ein bisschen enttäuscht von ihm, dass er nicht geheiratet hat und Kinder großzieht, aber damit habe ich mich abgefunden. Zum Glück hat meine Tochter mir Enkel geschenkt. Ich weiß nicht, was ich in seiner Erziehung falsch gemacht habe. Er will nicht heiraten, er will frei bleiben, er will sich nicht binden. Das hat er mir so gesagt. Schön und gut, er ist ein erwachsener Mann und trifft seine eigenen Entscheidungen. Aber dass er Sie in Gefahr bringt, Signora Cherini, das kann ich nicht tolerieren. Das nehme ich ihm sehr übel.« Heidemarie war laut geworden. Sie entdeckte einen Hauch von Schwermut in Fedoras Miene. Oder war es Verzweiflung? Heidemarie war sich nicht sicher.

      »Gehen Sie mit Bruno nicht zu hart ins Gericht. Auch er geht ein Risiko ein.«

      »Allerdings. Die einmalige Affäre mit einer verheirateten Frau sieht die Öffentlichkeit einem Mann leicht nach, selbst einem Beamten, aber ein andauerndes Verhältnis ist schon wieder etwas anderes. Das erregt Ärger.«

      »Ich habe großes Vertrauen in ihn.«

      »Aber, Signora Cherini, muss das sein? Muss es wirklich sein, dass Sie einen Liebhaber haben?« Jetzt war sich Heidemarie sicher. Es war tatsächlich eine Spur von Verzweiflung in Fedoras Miene.

      »Vielleicht ist es ein Dämon.«

      Heidemarie spitzte die Ohren. »Ein Dämon?«

      »Ja. Meine Großmutter würde sagen, ich wäre verhext. Sie hat bis zu ihrem Tod an Hexen und Geister geglaubt.«

      »Werden Sie von einem Dämon verfolgt?«

      »Bruno hilft mir, den Dämon in Schach zu halten. Er ist gut zu mir, er lässt mich nicht fallen. Ihr Sohn hilft mir, dass ich bei meinen Söhnen bleiben kann, dass ich mich meinem Mann, wenn er zu Hause ist, völlig zuwenden kann, dass ich bei ihm sein kann, dass Carlo sich niemals über meine Missachtung beklagen kann.«

      »Erzählen Sie von Ihrem Dämon.«

      »Nachts, wenn ich allein im Bett liege, dann überkommen mich Träume. Phantasien. Sehnsüchte. Sehr starke Gefühle. Als ich noch jünger war, habe ich meine wollüstigen Träume gebeichtet, doch der Pfarrer konnte mir nicht helfen. Ich glaube eher, dass er von diesen Beichten schwer belastet wurde. Vielleicht, weil er sich nach mir verzehrt hat? Ich weiß es nicht. Ich beichte meine Träume nicht mehr, denn die Beichte verschafft mir keine Erleichterung. Bruno verschafft sie mir. Ich bin also eine Frau, die mit der wochenlangen Abwesenheit ihres zur See fahrenden Mannes nicht gut zurechtkommt. Sehr schlecht sogar. Bruno hilft mir, keine Dummheiten zu begehen.«

      Heidemarie verschränkte nachdenklich ihre Arme.

      »Vielleicht werde ich Carlo davon erzählen«, fuhr Fedora fort. »Nicht vielleicht, bestimmt werde ich es tun. Wenn wir beide alt sind. Vielleicht wird er mir dann auch erzählen, was er auf seinen Reisen erlebt hat. Carlo ist ein stattlicher Mann, er ist Offizier, er kennt viele Städte und trifft viele Menschen. Zahlreiche Engländer fahren auf der Linie Triest-Bombay, auch Engländerinnen. Frauen aus dem Norden haben ein ganz eigenes Faible für italienische Seeleute. Ich gönne es ihm. Vielleicht wird er mir meine Freiheit auch gönnen. Weil er mich liebt. So wie ich ihn liebe.«

      Heidemarie verzog beeindruckt ihren Mund und griff zur Kanne. »Noch Kaffee?«

      »Gerne.«

      »Signora Cherini, jetzt wo wir uns besser kennen, sollten wir einander duzen. Sag bitte Heidemarie zu mir.«

      »Fedora.«

      »Hast du das auch mit Bruno besprochen?«

      »So ähnlich.«

      »Offenbar genügt es ihm, der Nebenmann zu sein.«

      »Offenbar. Mir genügt es auch, nur seine Nebenfrau zu sein.«

      »Du weißt davon?«

      »Ich weiß, dass ich nicht die einzige verheiratete Frau bin, deren Alleinsein er erträglich macht.«

      Heidemarie lachte und legte ihre Hand auf Fedoras Unterarm. »Wahrscheinlich hat deine Großmutter recht. Du bist verhext.«

      Fedora stimmte in das Gelächter ein. »Wahrscheinlich.«

      *

      Der Palazzo del Governo wurde vom Wiener Architekten Emil Artmann errichtet, erst seit zwei Jahren residierte der Statthalter der Reichsunmittelbaren Stadt Triest in diesem Prachtbau an der Piazza Grande. Die bunten Mosaiksteine an der Fassade zeigten orientalischen Stil und bildeten so einen auffälligen Kontrast zu den anderen Palazzi auf der zentralen Piazza der Stadt. In diesem Palazzo warteten Oberinspector Gellner und die Inspectoren Zabini und Pittoni auf den Grafen Urbanau, um alsdann zum Statthalter vorgelassen zu werden.

      Bruno schaute auf seine Taschenuhr. »Der hohe Herr könnte sich langsam bequemen, die Piazza zu überqueren. Ein besonders weiter und beschwerlicher Fußmarsch ist das ja nicht.«

      Gellner verzog seine Mund. »Hüten Sie Ihre Zunge, Signor Zabini. Der hohe Herr kommt dann, wenn es dem hohen Herren konveniert, nicht wenn Sie wieder einmal vor Ungeduld von einem Bein auf das andere steigen.«

      Emilio stellte sich neben Bruno an das Fenster und schaute zur Piazza hinab. »Da ist er! Da kommt Graf Urbanau.«

      Bruno nickte und steckte seine Taschenuhr ein.

      Wenig später führte ein Amtsdiener den Grafen in das Bureau des Statthalters. Auch die drei Polizisten wurden hineingebeten. Der Statthalter thronte mit ernster Miene auf seinem Stuhl, ein Sekretär saß an seinem Nebentisch und hielt für die Protokollierung des Gesprächs eine Füllfeder in der Hand. Der Statthalter erhob sich, ging dem Grafen entgegen und begrüßte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit in deutscher Sprache. Den drei Polizisten wies er mit einem Kopfnicken ihre Plätze zu. Die Herren setzten sich.

      »Hochgeschätzter

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