Mord im Kloster Eberbach. Susanne Kronenberg

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Mord im Kloster Eberbach - Susanne Kronenberg

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dem Speisesaal der Laienbrüder, ausgestellt waren. Der Fachwerkbau auf der linken Seite hatte einst die Klosterbibliothek beherbergt. Mächtige Holzpfosten trugen den darunterliegenden Säulengang. Während Norma sich auf die Basilika zubewegte, fiel ihr ein dunkles Blatt Papier auf, das an einem dieser Pfeiler hing. Was darauf abgebildet war, ließ sich aus ihrer Position nicht deuten. Sie ging dicht hinter Winterstein und hatte Timon und Lutz aus den Augen verloren. Die Menschen rundherum zeigten sich bestens gelaunt und erwartungsfroh. Handys wurden gezückt und zum Fotografieren hoch über die Köpfe gehalten. Angeregt tauschte man Erinnerungen über denkwürdige Filmszenen aus. Der tote Mönch im von Schweineblut überquellenden Bottich. Die Folterqualen des Ketzers Salvatore. Die unverwechselbaren, wenn nicht sogar entstellten Gesichter der Klosterbrüder. Und natürlich Sean Connery als unvergleichlicher William von Baskerville!

      Die wenigsten Zuschauer schienen »Der Name der Rose« erstmals zu sehen. Normas Vorfreude wuchs mit jedem Trippelschritt, der sie näher an die Kirchenfassade heranführte. Auch der großgewachsene Mann vor ihr, dessen kahler Hinterkopf über die Menge hinwegragte, schien es kaum erwarten zu können. Ungeduldig reckte er den Hals, der dürr war wie der eines gerupften Huhns und im überweiten Kragen seines Karohemds steckte. Der Mann schaute hin und her, als könnte sich an den Seiten ein schnellerer Weg auftun. Dabei wurde sein Blick von irgendetwas gefesselt, denn er stoppte jäh in seiner Bewegung. Angespannt hielt er den kahlen Schädel nach links gewandt. Interessierte ihn der ans Holz gespickte Zettel? Norma war weit genug aufgerückt, um darauf eine Kohlezeichnung zu erkennen: mit reichlich Schwarz und offensichtlich von geübter Hand aufs Papier gebracht. Auch Winterstein schien die Zeichnung bemerkt zu haben. Oder warum sonst sollte er so abrupt stehen bleiben, dass Norma ihm in die Hacken trat. Ihre Entschuldigung schien er nicht einmal wahrzunehmen. Auf Zehenspitzen linste er über die Köpfe hinweg zum Säulengang hinüber.

      »He, ihr da vorn! Weitergehen!«, beschwerte sich eine Frau.

      Etliche Aufforderungen, den Weg freizugeben, wurden laut. Der Kahlkopf setzte sich in Bewegung. Norma wurde gegen Winterstein geschoben, was diesen zwang, dem großgewachsenen Mann zu folgen. Vor ihnen tauchte die Glatze im Menschenstrom nach unten ab, denn der Eingang in die Basilika lag einige Treppenstufen unterhalb des Niveaus der Klostergasse. In der monumentalen Halle verteilte sich die Menge. Winterstein eilte auf der Suche nach seiner Truppe davon. Norma hob den Kopf und betrachtete die himmelwärts strebenden Pfeiler und die anmutigen Bögen zwischen den Deckengewölben. Bei jedem Besuch fühlte sie sich aufs Neue innig berührt von der schlichten Erhabenheit des dreischiffigen Kirchenbaus. Ein steinerner Altar, eine Reihe verwitterter Grabplatten, ein gotisches Wandrelief: Es gab nur wenige Details, die das Auge von der vollendeten Symmetrie der Säulenreihen hätten ablenken können. Seit die Abtei Eberbach zu Beginn des 19. Jahrhunderts säkularisiert worden war, fanden in der ehemaligen Klosterkirche nur zu besonderen Anlässen Gottesdienste statt. Stattdessen folgten die Menschen häufiger ihrem Ruf als einzigartige Spielstätte für klassische Konzerte und besondere Events wie an diesem Abend.

      »Denk nur, vor 800 Jahren hat es hier kaum anders ausgesehen«, raunte Timon in Normas Ohr.

      Rasch füllten sich die langen Stuhlreihen. Jacken wurden angezogen und Wolldecken über den Knien ausgebreitet. Lutz steuerte drei freie Plätze an. Kaum hatte Norma sich zwischen ihm und Timon niedergelassen, spürte sie die Kälte, die ihr die Hosenbeine hinaufkroch. Das würde ein frostiger Abend werden. Oder doch nicht? Mit einem wissenden Lächeln lüftete Lutz das Geheimnis der Reisetasche und brachte drei bunte Plaids zum Vorschein. Die ersten Takte der Filmmusik setzten ein. Das Gemurmel ringsum ebbte ab.

      Das Filmvergnügen begann.

      4

      Der Film endete mit einer bombastischen Feuersbrunst. Da Norma, Lutz und Timon in einer der hinteren Reihen gesessen hatten, gehörten sie nun zu den Ersten, die in die Klostergasse zurückkehrten. Sie waren noch nicht an der Treppe angelangt, als ihnen Hilferufe entgegenschallten. Endlich erreichten sie die oberen Stufen. Die Aufregung draußen schien enorm zu sein.

      »Hilfe, hierher! Helfen Sie dem Mann!«

      »Schnell, das ist ein Notfall!«

      Laute Stimmen tönten aus dem Säulengang. Zwischen den Holzpfosten drängten sich die Menschen zusammen. Timon schlängelte sich, nachdrücklich um Durchlass bittend, zwischen den Umstehenden hindurch. Norma folgte ihm auf dem Fuß, bis sich beide durchgezwängt hatten. Mehrere Personen hatten die hilfreiche Idee, den Bereich mit ihren Handytaschenlampen auszuleuchten. Auf den Steinplatten zwischen ihnen befand sich ein Mann. Er war von kräftiger Statur und lag mit seitlich ausgestreckten Armen auf dem Rücken. Auf den zweiten Blick wurde Norma klar, dass sie ihn kannte. Das nackte Haupt, das karierte Hemd. Unwillkürlich spähte sie zu der Holzsäule hinüber, konnte aus ihrer Perspektive leider nicht feststellen, ob die Zeichnung, die den Kahlköpfigen augenscheinlich gefesselt hatte, noch an ihrem Platz hing. Außerdem gab es jetzt Wichtigeres zu tun, als sich Gedanken über ein Stück Papier zu machen. Der Mann verharrte regungslos auf dem Pflaster. Vor seinem Kopf kniete eine Frau. Sie schien kaum älter als 30 und strahlte eine professionelle Nervenstärke aus, die darauf schließen ließ, dass sie keine Angehörige war. Die Handgriffe, mit denen sie sich am Hals des Liegenden zu schaffen machte, wirkten ebenso geübt wie umsichtig. Timon ging neben dem Mann in die Hocke. Norma kauerte sich auf die andere Seite. Im Zwielicht schimmerte das Gesicht des Fremden ungesund bläulich, und den Augen fehlte jeder Glanz.

      »Ich bin Mediziner«, erklärte Timon, an die Frau gewandt. »Ich fürchte, wir sind zu spät?«

      »Exitus«, bestätigte sie leise. »Ich war unter den Ersten hier draußen. Obwohl ich Notfallärztin bin, konnte ich nichts tun. Eine Reanimation war nicht möglich.«

      »Ich habe ihn im Publikum gesehen«, sagte Norma und ergänzte auf Timons fragenden Blick: »Er war vor mir, bis wir in die Basilika hineingegangen sind.«

      Timon beugte sich vor. »Frau Kollegin, was meinen Sie, woran …?«

      »Überzeugen Sie sich selbst.«

      Nun nahm auch Timon sein Smartphone hervor, aktivierte die Lampenfunktion und lenkte den Lichtschein auf die Kehle des Toten. Auf den Knien robbte Norma ein Stück vor. Um den dürren Vogelhals zog sich eine scharfe Linie, eine eingeschnittene Furche: blutrot, sehr tief. Dies war ein Tatort! Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitz. Der plötzliche Tod des Mannes war keinesfalls die Folge eines Herzinfarkts oder einer Erkrankung. Jemand hatte den Kahlköpfigen erdrosselt! Mit den bizarren und schauerlichen Bildern des Mönchskrimis im Kopf erschien ihr die Situation surreal.

      Die junge Ärztin zog denselben Schluss. »Das war Mord«, hauchte sie. »In meinem Beruf bekomme ich viel Schlimmes zu sehen. Verstümmelungen, Verbrennungen, Unfallopfer. Aber bisher niemanden, der aufs Brutalste stranguliert wurde.«

      Früher waren verstörende Anblicke für Norma beinahe alltäglich gewesen. Über Jahre hatte sie als Kriminalhauptkommissarin in der Wiesbadener Mordkommission gearbeitet. Und auch danach, als Privatdetektivin, war ihr die Konfrontation mit Kapitalverbrechen nicht erspart geblieben. Ob man nicht abstumpfte mit der Zeit, wurde sie des Öfteren gefragt. Dabei war es genau umgekehrt, spürte Norma beim Anblick des Getöteten. Es wurde mit jedem Mordopfer schwerer.

      Mit leichter Hand strich Timon der Ärztin über den Arm. »Kommen Sie, alles Weitere ist Sache der Polizei.«

      Alle drei erhoben sich. Die junge Frau zog ihre Jacke aus und machte Anstalten, sie dem Toten über das Gesicht zu legen. Norma hielt sie zurück.

      »Besser nicht«, warnte sie. »Der Täter hat möglicherweise Spuren auf der Haut und an der Kleidung hinterlassen. Die winzigste Faser könnte wichtig sein.«

      »Sie haben

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