Osterläuten. Friederike Schmöe
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Читать онлайн книгу Osterläuten - Friederike Schmöe страница 11
»Ungewöhnlich für einen Jungen in der Pubertät.«
»Wahrscheinlich habe ich sie deshalb ohne Drogen überstanden. Die Musik war meine Droge. Vor allem die Russen. Tschaikowsky. Rachmaninow. Das zweite Klavierkonzert von ihm hat mich umgehauen.«
Mia musste zugeben, dass dieser Mann in seinen Cargohosen sie neugierig machte. »Wieso?«
»Das ging mir wahnsinnig tief. Ist heute noch so. Die Musik trägt einfach immer. Wie eine Arznei ohne Nebenwirkungen.« Er lachte. »Ist das hier die Moosstraße?«
»Ja, fahr einfach noch 100 Meter weiter und halte vor dem Haus mit den gelben Fensterläden an.«
»Klar doch. Hier?«
»Hm.«
Er hielt und drehte den Zündschlüssel. Die Musik brach ab.
»Schade«, murmelte Mia.
»Wenn du willst, überspiele ich dir mal was. Wobei ich ja am liebsten Platten höre. Vinyl. Auf meinem guten alten Dual-Plattenspieler.«
»Ich habe mir sagen lassen, Vinyl wäre wieder im Kommen, vor allem bei den echten Musikliebhabern.«
»Es war nie aus der Mode, genau genommen.« Lars sprang aus dem Wagen. »Welche Etage?«
»Erste.« Mia drückte die Haustür auf.
»Nimm die Bretter.« Lars drückte ihr einen Stapel Einlegeböden in die Arme.
Mia stieg die Treppen nach oben, stellte die Bretter ab und steckte den Schlüssel ins Schloss. In der Wohnung roch es muffig. Rasch stieß sie die Fenster im Wohnzimmer auf.
Ein paar Minuten später hatte Lars alles andere nach oben geschleppt.
»Wo soll der Schrank hin?«
Sie führte ihn ins Schlafzimmer. »An die linke Wand .«
»Räum doch zuerst mal die Kartons beiseite.« Er machte sich an seinem Werkzeugkasten zu schaffen.
Ich muss ihm mehr bezahlen, dachte Mia, während sie die Umzugskisten an die andere Wand schob. Er ist jetzt schon eine Stunde lang mit mir zugange. Und mit dem Schrank natürlich. Sie musste unwillkürlich grinsen. Es tat gut, eine Weile nicht an den Schädel zu denken. Aber gerade jetzt drängte sich das ganze Elend wieder in ihre Gedanken. Ob André noch bei der Polizei war? Jetzt rief sie ihn lieber nicht an, für den Fall, dass Eyrich noch nicht mit ihm fertig war.
»Willst du was trinken?«, fragte Mia.
»Ehrlich gesagt schon: Hast du ein Bier?«
»Habe ich.« Sie ging in die Küche. Nur eine winzige Nische, in der kaum zwei Personen nebeneinander stehen konnten. Aber ihre Küche. Mit zwei Flaschen kam sie zurück.
»Danke.« Er nahm einen tiefen Zug. »Schön kalt. Seit wann wohnst du hier?«
Die Hinterwand des Schranks stand bereits.
»Ein paar Monate.«
»Wo hast du denn studiert?«
»In München und Florenz.«
»Nein, echt?«
»Wirklich!« Mia lachte. »Wo sonst sollte man Kunstgeschichte studieren? Wenigstens zwei Semester Italien mussten sein.«
Lars betrachtete ihr Gesicht einen Moment. Es kam ihr vor, als gefiele ihm, was er sah. Er lächelte. »Nee, da hast du echt recht.« Er stellte die Flasche ab. »Ich mache mal weiter.«
Im Nu hatte er das Möbelstück montiert. Mia reichte ihm die Einlegeböden zu. Fast tat es ihr leid, dass sie so schnell fertig waren.
»Warum bist du nicht in Italien geblieben? Da gibt es bestimmt eine Menge Arbeit für Kunsthistoriker.«
»Dort ist auch nicht alles Gold, was glänzt.« Mia würde ihm nicht sagen, dass sie im Hinblick auf einen Job nie richtig in die Gänge gekommen war. Sie hätte mehr tun können: Kontakte ausnutzen, sich breiter bewerben.
Hätte, hätte, Fahrradkette.
»Kann ich mir vorstellen.« Er griff wieder zum Bier.
Mias Handy klingelte. André.
»Entschuldige, da muss ich ran.«
»Klar.«
»Hallo, André? Wie geht’s dir, ist alles in Ordnung?«
Sie verließ das Schlafzimmer, wo Lars nun mit einem Lappen über die Einlegeböden fuhr und die Türen auf Leichtgängigkeit testete.
»Verdammt, Mia, ich halte das nicht aus.«
»Hat er dich in die Mangel genommen?«
»Ich gelte denen nach wie vor als Verdächtiger Nummer eins.«
Mia konnte Andrés Verzweiflung deutlich hören.
»Das ist Unsinn. André, du hast ein bombensicheres Alibi.«
»Vielleicht habe ich einen Killer angeheuert.«
»Das ist doch nicht dein Ernst.«
»Meiner nicht.«
Mia ging ins Wohnzimmer, setzte sich an ihren Schreibtisch. Dort lag die zweite Zeichnung von Monika. Die mit Haaren, die ganz eindeutig Monika war.
»Sie haben nicht den geringsten Hinweis dafür«, versuchte sie, André zu beruhigen.
»Bisher nicht. Sie haben auch sonst nichts. Wo, bitte, soll Eyrich neue Zeugen hernehmen? Neue Beweise? Da ist nichts zu holen. Bloß: Irgendjemand hat Monika ermordet. Elf Jahre sind ins Land gegangen. Ich muss mich damit abfinden, dass ich nie erfahren werde, was wirklich passiert ist.« Er holte tief Luft. »Das werde ich nicht mehr los, Mia. Ich komme nicht klar. Alles bricht wieder auf.«
Mir geht es genauso, dachte Mia müde. Mit dem Zeigefinger fuhr sie über die feinen Linien von Monikas Gesicht. Die Stupsnase, das spitzbübische Lächeln, die Ohrhänger.
»Sollen wir uns treffen? Ich komme zu dir.«
»Sei mir nicht böse, Mia. Ich muss eine Runde schlafen. Habe die halbe Nacht wach gelegen. Ich bin hundemüde.«
»Wo bist du jetzt? Bist du inzwischen zu Hause?« Sie merkte selbst, wie kontrollierend sie sich ihm gegenüber verhielt.
»Ich stehe vor der Polizeidirektion.«
»Wir könnten uns in der Nähe treffen. Auf eine Pizza?«
»Nicht jetzt.«
»Du wirst doch nicht trinken, André?«