Osterläuten. Friederike Schmöe

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Osterläuten - Friederike Schmöe

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Kaffee, und Koriander und Rosmarin auf der Fensterbank. Für all die Leute, die ihr Leben lang auf der Suche sein würden. Nach dem Menschen, der ihnen am meisten bedeutet hatte. Mia roch den Duft des Kaffees. Nicht so gut wie bei André, aber akzeptabel.

      Die Kommissarin reichte ihnen ein Blatt. Die Zeichnung. Ausgedruckt. Gestochen scharf.

      »Wir hatten anfangs absichtlich keine Haare hinzugefügt. Nach Ihrem Anruf hat ein Mitarbeiter ein Foto von Monika Böhme unterlegt und eine konkretere Zeichnung angefertigt.«

      Sie hielt ihnen ein weiteres Papier hin.

      Mia nahm es. Eine Zeichnung von Monika. Schmaler. Mit den kurzen krausen Locken. Sogar den Ohrringen. Verblüffend.

      »Charakteristisch an einem menschlichen Gesicht ist vor allem das Verhältnis zwischen Augen- und Nasenpartie. Außerdem natürlich die Länge und Breite.«

      »Meine Frau war sehr zierlich. Die erste Zeichnung im Netz«, sagte André mit neuerlichem Räuspern, »wirkte etwas zu rund.« Seine Stimme brach. »Verzeihung«, brachte er hervor.

      Hanne Schuster goss Kaffee ein. André starrte auf seine Tasse. Seine Hände zitterten. Er verkrampfte sie auf seinem Schoß.

      »Mir ist bewusst, dass Ihnen diese Situation viel abverlangt«, sagte die Kommissarin. »Gibt es etwas, was ich zunächst für Sie tun kann?«

      Mia berührte behutsam Andrés Arm. »Wir fragen uns«, sagte sie, »warum nur der Schädel gefunden wurde.«

      »Da stehen wir bisher vor einem Rätsel.« Sie blätterte in den Akten. »Vom Zustand des Schädels her zu schließen, wurde er mit einem scharfen Messer oder einer Axt vom Rumpf getrennt. Es ist allerdings nicht mehr zu erkennen, ob dies vor oder nach ihrem Tod erfolgte. Sie hatten also recht, als sie damals Suizid kategorisch ausschlossen.«

      »Ja«, sagte André. Seine Hautfarbe wurde eine Spur fahler.

      »Sie sagten auch, Ihre Frau wäre niemals allein im Wald wandern gegangen.«

      »Nein. Sie war ein Stadtmensch.« André schluckte hart. »Hat jemand ihr im Wald aufgelauert? Um ihr den Kopf abzutrennen? Glauben Sie das? Wer würde so etwas tun?«

      »Der Fundort muss nicht der Tatort sein. Zunächst werden wir einen DNA-Abgleich machen, um den eindeutigen Beweis zu erbringen, dass es sich wirklich um den Schädel Ihrer Frau handelt, Herr Böhme. Vergleichsmaterial haben wir, das stellt kein Problem dar.«

      »Wann wissen Sie Bescheid?«

      »In wenigen Tagen, noch vor dem Osterwochenende.«

      »Und dann? Was geschieht dann?« Endlich griff André nach der Kaffeetasse. Verschüttete ein klein wenig. Trank.

      Mia beobachtete ihn aus dem Augenwinkel. Als er die Tasse abstellte, merkte sie, dass sie die Luft angehalten hatte.

      Hanne Schuster faltete die Hände. »Dann übernimmt die Mordkommission. Die Kollegen werden zunächst versuchen, einen Bezug zum Fundort herzustellen.«

      »Ich möchte die Stelle sehen.« André sah die Kommissarin fest an.

      »Das lässt sich einrichten. Ich bringe Sie hin.«

      »Was für ein Bezug sollte das sein?«, fragte Mia.

      »Wie gesagt, der Fundort muss nicht der Tatort sein. Daher gilt es zu klären, wie der Schädel in dieses Waldstück kam. Wurde sie in der Nähe umgebracht? Oder an einem völlig anderen Ort, und der Mörder hat den Leichnam im Wald abgelegt? Dies sind Fragen, die wir hoffentlich klären werden.«

      »Und wo sind die anderen Überreste?« André klang wütend.

      Hanne Schuster ließ sich davon nicht aus der Fassung bringen.

      »Wir wissen nicht, wo Ihre Frau umgebracht wurde. Ob es überhaupt in dem Waldstück war. Wir sind dabei, das Gebiet, in dem wir den Schädel gefunden haben, weiträumig und gründlich abzusuchen. Allerdings verschleppen Tiere Knochen oft über viele Kilometer.«

      Mias Magen rebellierte. Ihr wurde bewusst, dass sie außer Kaffee heute noch nichts in den Magen bekommen hatte. Es war schon nach 2 Uhr.

      »Tiere?«, krächzte sie.

      »Das wäre die wahrscheinlichste Erklärung. Wenn der Leichnam im Wald liegt, wird er zur Beute der Natur, so grauenvoll der Gedanke uns auch vorkommt.«

      Wolken schoben sich vor die Sonne, im Büro wurde es unversehens dunkel. Hanne Schuster knipste die Schreibtischlampe an. Eine Weile sagte niemand etwas.

      »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«

      Mia starrte auf die Kaffeekanne.

      »Ich glaube nicht«, antwortete André. »Vielen Dank.«

      »Wenn es Ihnen passt, würde ich Sie morgen Vormittag zum Fundort begleiten. Kann ich Sie in Ihrer Wohnung in der …«, sie blätterte in den Dokumenten, »Königsstraße abholen?«

      »Sicher.« André stand auf. »Wiedersehen.«

      Mia folgte ihm.

      An der Tür sah sie sich um. Hanne Schusters linke Gesichtshälfte lag im Schatten. Die andere Seite wurde von der Schreibtischlampe beleuchtet. Sie notierte etwas.

      »Ihr Vorgänger, der den Fall damals bearbeitete …«, begann sie.

      »Pius Geuter?«

      »Ja. Er ist nicht mehr im Dienst?«

      »Er ist fast 70. Nein, nicht mehr im Dienst.« Die Kommissarin lächelte. Im scharfen Licht der Lampe und nur halb zu sehen, wirkte ihr Gesicht düster und streng.

Dienstag der Karwoche

      6.

      Der Hang war steil. Mia begann zu schwitzen. Der Tag hatte verregnet begonnen, doch nun schien seit einer Stunde die Sonne und brachte die feuchten Äste und Zweige zum Glitzern. Es roch nach vermoderndem Laub. Hinter ihr keuchte André. Er war nie sehr sportlich gewesen, eher die typische Couchkartoffel. Vor Mia bahnten sich die langen Beine eines Polizisten den Weg, der sich als Chef der Mordkommission Harald Eyrich vorgestellt hatte. Ein groß gewachsener, drahtiger Mann mit kurzen blonden Haaren, aber auffallend langen Koteletten. Ganz am Ende ging Hanne Schuster. Auf der Fahrt durch das Ellertal hatte Mia die meiste Zeit geschwiegen und mit verhangenem Blick aus dem Beifahrerfenster geblickt.

      »Hier wurden Fichten gefällt, die durch die Trockenheit der letzten beiden Sommer abgestorben sind.« Eyrich blieb stehen und deutete in den Wald hinein, wo vereinzelt Baumstümpfe zu sehen waren. ».Dabei haben die Waldarbeiter den Schädel gefunden.«

      Weder Mia noch André hatten zu fragen gewagt, es war auch so klar genug: Eyrichs Anwesenheit in diesem Wald bedeutete, dass Monika Böhmes Fall von der Vermisstenabteilung zur Mordkommission gewechselt hatte. Jemand hatte Monika ermordet. Mia biss sich auf die Lippen. Jetzt war es amtlich.

      In diesem Wald? Was hatte Monika hier gesucht? Sie war ganz bestimmt kein Mensch gewesen, der freiwillig mit Rucksack und Wanderschuhen durch das Gestrüpp gestreift wäre. Monika war der Typ, der es sich im Café gemütlich machte, um Zeitung zu

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