Osterläuten. Friederike Schmöe
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Читать онлайн книгу Osterläuten - Friederike Schmöe страница 5
»André wird zur Polizei gehen.«
Ihr Vater drückte sie kurz an sich. Mia schloss die Augen.
Sag mir, dass das alles nicht wahr ist. Oder bring mich weg von hier.
»Wir müssen in die Praxis. Wenn du willst, trink in Ruhe aus. Um 9 Uhr kommt Frau Röder zum Aufräumen.«
»Geht klar.«
»Bis die Tage.«
4.
Jemand hatte den Garten in all den Jahren gepflegt. Die Sträucher zurückgeschnitten, die Beete in Schuss gehalten. Hie und da spitzten Krokusse aus dem Rasen, und der Weißdorn in der Hecke bildete erste grüne Blättchen aus. Der Regen hatte aufgehört, der Himmel riss ein Stück auf. Mia schritt langsam durch den Garten. Unter ihren Boots schmatzte der Boden. Vor der Pergola standen große Terrakottatöpfe, in denen Reste von Tomatenpflanzen kompostierten.
Sie war nie wieder hier gewesen, seit André ausgezogen war. Das Studium hatte sie abgelenkt, Bamberg lag seinerzeit in weiter Ferne. Dann war sie zurückgekehrt. Wahrscheinlich, weil jeder irgendwann zurückkehrte und die Konfrontation mit irgendetwas suchte. Und wenn es nur die Konfrontation mit der Wirklichkeit war, dass sie keinen Job fand mit ihrem Abschluss. Jedenfalls nicht so schnell und nicht so leicht, wie sie es sich erhofft hatte.
Damals, zu Ostern, hatte Monika die Sträucher mit selbst bemalten Ostereiern geschmückt. Einen Strauch mit gelben, einen mit blauen. Sie hatte Spaß daran gehabt. Eine Macherin, die andere an ihrer Kreativität gern teilhaben ließ.
Mia blieb stehen. Die Fenster sahen sauber aus, als hätte jemand sie gerade erst geputzt. Bestimmt würde das Haus nicht allzu lange leerstehen. Nicht in der Lage. Sie trat in die Pergola. Stühle und Tisch duckten sich unter einer Plastikfolie. Bald würde man wieder draußen sitzen können. Wie damals, in jenem Sommer, als Mia und Monika beratschlagt hatten. Was soll ich studieren?, war Mias drängendste Frage gewesen. Sie hatte so viele Interessen. Jede Entscheidung für ein Studienfach bedeutete eine Entscheidung gegen ein anderes.
Eine Hummel surrte durch die Luft.
So früh im Jahr?
»Aber es ist doch bald Ostern«, hörte Mia eine Stimme.
Sie fuhr herum. Da war niemand. Das Haus lag leer und still. Kein Lebenszeichen.
Mias Herz hämmerte. Es tat ihr nicht gut, hier zu sein. Monika war tot. Das bewies der Schädel. Sie und André hatten eine Aufgabe vor sich: herauszufinden, was mit Monika geschehen war.
Jemand hatte sie umgebracht. Suizid kam einfach nicht infrage. Monika Böhme war ein lebensbejahender, offener, praktischer Mensch gewesen. Sie und André hatten Träume und Pläne: Dieses Haus, anschließend eine Familie, möglichst zwei Kinder, ein Hund. Das hatte Monika oft gesagt und dabei herzlich gelacht. Weil der Hund unbedingt zu dem Bild einer perfekten Familie dazugehörte. Genauso wie das Haus mit Garten.
Auch im Job gab es keine Probleme. Als Monika verschwand, hatte sie längst eine Festanstellung in einem großen Architekturbüro. Eine kluge, ehrgeizige Frau, die ihr Job mit Freude erfüllte.
Nein. Sie hatte sich nicht umgebracht. Sie war getötet worden, und der Mörder lief seit elf Jahren da draußen in der Welt herum, ohne je belangt worden zu sein. Ein Mensch, den niemand als Täter in Betracht gezogen hatte. Und Monika Böhme bestand nur noch aus einer Datenspur in der Vermisstenkartei der Polizei.
Ich muss herausfinden, was passiert ist. Wenigstens das.
Die Wolken zogen sich weiter zurück, Sonnenstrahlen brachten den nassen Garten zum Glitzern. In Kürze würden Büsche und Bäume üppig blühen. Mia schluckte die Tränen hinunter. Sie drückte die Nase gegen die Fensterscheibe. Im Wohnzimmer, von Monika und André so liebevoll eingerichtet, standen nun schlichte Möbel, frisch aus dem IKEA-Katalog: Tisch und Stühle, ein Sofa, eine Schrankwand. Wahrscheinlich vermietete besagte Firma das Haus möbliert.
Ich muss Monikas Mörder finden.
Mia hatte das Gefühl, der Satz sei tief aus ihrem Inneren hervorgekrochen. Ein unumstößlicher Entschluss. Eine Entscheidung, an der sie sich festhalten konnte.
Tief durchatmend wandte sie sich vom Haus ab und ging langsam zum Grundstück ihrer Eltern zurück.
Die Meldung im Internet – die würden nicht nur sie und André gesehen haben.
Sondern sehr wahrscheinlich auch der Mörder.
5.
»Merkst du was? Das ist eine Behörde«, flüsterte André Mia zu. »Trostlos wie damals.«
Sie hockten auf grünen Stühlen. In einem Gang mit grauen Türen.
Mia zuckte mit den Achseln. »Die kennen uns hier nicht mehr.«
Sie waren Stammgäste in der Polizeidirektion gewesen. Über Monate. Damals. 2008. Mit einem Mal kam es Mia so vor, als sei sie wieder in diese Phase des Suchens und Niemals-Findens zurückkatapultiert worden.
»Es ist, als wären wir gestern erst hier gewesen«, murmelte sie.
Wie aus dem Nichts materialisierte sich eine junge, durchtrainierte Frau vor ihnen. Cargohosen, Pullover. Hochgestecktes braunes Haar.
»Hauptkommissarin Hanne Schuster. Ich leite die Vermisstenabteilung.«
Damals war es ein Mann gewesen. Ein runder, gemütlicher Herr Ende 50 mit Glatze. Der genoss vermutlich mittlerweile seine Pension.
André erhob sich.
»André Böhme. Und das ist Mia Wagner. Eine Freundin unserer Familie.«
Mia schüttelte Frau Schusters Hand. Sie bewunderte, wie André so sachlich reden konnte. In dieser Situation. Wo sie gleich offiziell aussagen würden, dass die Internetzeichnung Monika abbildete.
»Kommen Sie bitte mit. Darf ich Ihnen Kaffee anbieten?«
Sie bejahten beide. Nahmen Platz in einem Büro, durch dessen Fenster sich ein wenig Sonne bemühte. Auf dem Sims standen Töpfe mit Kräutern, dazwischen ein Osternest mit bunten Eiern.
»Ich habe die Kräuter nur wegen ihres Duftes«, erklärte die Kommissarin. »Zum Kochen komme ich selten. Also: Sie sind hier wegen unseres Aufrufs.«
»Mia hat mich heute Morgen angerufen, weil …« André schluckte.
»Sie haben Monika Böhme erkannt?« Hanne Schuster warf einen Blick auf einen Stapel Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. Es hörte sich an, als lobte sie ihre Besucher wegen der korrekten Antwort auf eine Quizfrage.
»Genau.« André räusperte sich. Er war blass im Gesicht.
Die Tür ging auf, ein Mann brachte drei Tassen und eine Kanne, Milchtüte und Zuckerdose.
»Danke.« Hanne Schuster nickte ihm