Hetzwerk. Peter Gerdes

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Hetzwerk - Peter Gerdes

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rein wie raus vielleicht?«, schlug Stahnke vor.

      »Keinerlei Spuren oder Hinweise, die auf eine gewaltsame Öffnung von außen hindeuten.« Kramer schüttelte den Kopf. »Wenn, dann müsste die Terrassentür offengestanden haben. Kann natürlich sein. Leider gibt es niemanden, den wir danach fragen können.«

      »Was ist mit der Ehefrau?«

      »Nicht da. Scheint unterwegs zu sein oder verreist. Nidal will sie anrufen, sowie er ihre Handynummer gefunden hat.«

      »Da würde ich mal im Smartphone des Toten nachschauen«, knurrte Stahnke.

      Hatte Kramer kurz die Augen gerollt? Der Hauptkommissar war sich nicht sicher. Die Stimme seines Kollegen klang ganz ruhig, als er erwiderte: »Das macht er auch, sobald die Spurensicherung ihn da ranlässt.«

      »Kinder?«

      »Gibt es keine.«

      »Sonstige Personen, die dauerhaft in diesem Haus wohnen?« Stahnke schaute an der Fassade hoch. »Ist ja ein Riesending. Gibt es keine Haushälterin? Oder eine vermietete Einliegerwohnung?«

      »Einliegerwohnung ja, aber nicht vermietet. Ist wohl für Gäste.« Kramer blätterte in seinen Notizen. »Keine Haushälterin. Eine Putzfrau kommt zweimal die Woche, sagt die Nachbarin von gegenüber. Soll sehr gründlich sein. Die lässt also eher keine Türen offenstehen.«

      Eine Gestalt im weißen Overall kam aus der Haustür, einen Plastikbeutel in der Hand. Von den aufgestellten Strahlern geblendet, konnte Stahnke das Gesicht kaum erkennen, aber der Mann war deutlich größer als Ekinci. In dem Beutel war eine Patronenhülse.

      Kramer pfiff durch die Zähne. »Ziemlich großer Brocken«, stellte er fest. »Stammt mit Sicherheit aus einer Langwaffe. Ins Labor, bitte.«

      Der Overallträger nickte und ging.

      »Eine Langwaffe«, wiederholte Stahnke. »Ein Gewehr also. So etwas hat ein Einbrecher nicht mal eben so dabei. Die Waffe wurde mit voller Absicht zum Tatort mitgebracht.«

      »Falls der Täter sie nicht hier vorgefunden hat«, wandte Kramer ein. »Das werden wir prüfen. Also, ob das Opfer Jäger oder Sportschütze war. In dem Fall müsste es hier außerdem einen vorschriftsmäßigen Waffenschrank geben.«

      »Weder Jäger noch Sportschützen besitzen Automatikwaffen«, sagte Stahnke. »Und nur Automatikwaffen werfen die Hülse nach dem Schuss sofort aus, quasi … na, automatisch eben. In jeder anderen Waffe bleibt die Hülse drin, bis neu repetiert wird.« Unwillkürlich ahmte der Hauptkommissar mit der linken Hand eine Repetierbewegung nach. »Falls es keine Automatik war: Wollte der Täter noch einmal schießen?«

      »Nötig war das nicht«, sagte Kramer lakonisch und deutete auf die Blutpfütze. »Das Geschoss hat den Schädel durchschlagen, vorne rein, hinten raus. Müsste anschließend irgendwo steckengeblieben sein. Die Spurensicherung wird danach suchen, aber erst bei Tageslicht.«

      Eine kleinere weiß gekleidete Gestalt tauschte auf; diesmal war es Ekinci. »Frau Fecht ist bei ihrer Mutter.« Der Oberkommissar hob das Smartphone hoch, das er in seiner latexgeschützten Hand hielt. »In Westerstede. Hatte sich auf mehrere Tage eingerichtet, aber jetzt kommt sie natürlich her.« Ekinci übergab das Handy dem nächststehenden Spurensicherer und ergänzte: »Gleich morgen früh.«

      »Morgen früh?« Stahnke schüttelte ungläubig den Kopf. »Hör mal, ihr Mann ist erschossen worden! Und Westerstede ist keine 40 Kilometer entfernt. Über die Autobahn, wohlgemerkt.«

      Ekinci zuckte mit den Schultern. »Sie machte einen sehr gefassten Eindruck«, sagte er. »Wer weiß, vielleicht geht es ihrer Mutter nicht gut.«

      »Das hören wir dann ja morgen.« Stahnke blickte sich um. »Was ist übrigens mit diesem Sohlenabdruck? Kann man damit etwas anfangen?«

      Wie aufs Stichwort erschien der hochgewachsene Kriminaltechniker erneut. Er präsentierte einen Abguss, ebenfalls sorgfältig verpackt. »Gummistiefel«, verkündete er. »Handelsüblich. Dem Profil nach zu urteilen ziemlich neu. Muss aber nichts heißen. Bei Gartenarbeit auf weichem Boden nutzen sich Gummisohlen nicht so schnell ab.«

      »Größe?«, fragte Stahnke.

      »44«, antwortete der Spurensicherer. »Weitere Details später im Bericht.«

      Er und seine Kolleginnen und Kollegen begannen zusammenzupacken. Die gleißend hellen Scheinwerfer erloschen einer nach dem anderen. Zwei Bestatter, die sich bis dahin im Hintergrund aufgehalten hatten, traten heran, legten den Leichnam in einen Transportsarg, hoben ihn an und trugen ihn zum Leichenwagen. Außer der Blutlache blieben nur ein aufgesprühter Umriss und eine Reihe von Spurentäfelchen zurück.

      Ehe sich der Leichenwagen in Bewegung setzen konnte, mussten erst die Schaulustigen zurückgedrängt werden. Trotz der späten Stunde hatte sich eine erstaunlich große Gruppe angesammelt, überwiegend Nachbarn, aber nicht nur. Mehr als ein Dutzend Fotohandys war im Einsatz. Stahnke sah Rieken und van Dieken, die beiden Graubärte vom Streifendienst, die Menge im Zaum halten. Ihre Münder standen dabei keinen Augenblick still. Unverbesserliche Klatschbasen, die beiden, fand der Hauptkommissar. Rieken und van Dieken jedoch würden ihr Verhalten bestimmt als Deeskalation bezeichnen. Mit dem üblichen abfälligen Grinsen; in der Tiefe ihrer schwarzen Seelen waren die zwei nämlich eher für ein handfestes Vorgehen zu haben.

      Stahnke drehte sich weg. »Ich will mir mal diese Terrassentür ansehen«, sagte er. »Können wir außen herum?«

      Das Grundstück war großzügig geschnitten; Wege zum hinten gelegenen Garten gab es an beiden Seiten, links durch den Doppelcarport, rechts durch eine hohe Zauntür, die nicht verschlossen war. »Auf dieser Seite wurde auch der Fußabdruck gefunden«, berichtete Ekinci.

      »Dann wäre dies der Fluchtweg?« Stahnke schaute sich um. »Zur Straße hin? Dann hätte der Täter ja gleich durch die Haustür laufen können. Direkt nach der Tat.«

      »Dort befand sich allerdings noch der Zeuge, der uns wenig später verständigt hat«, sagte Kramer. »Der ist zwar nach eigener Aussage sofort weggerannt, aber als Täter wäre ich doch lieber nicht in dieselbe Richtung geflüchtet.«

      Sie hatten die hintere Hausecke erreicht. Dort, in einem aufgelockerten und frisch geharkten Blumenbeet, war die Fundstelle des Abdrucks markiert.

      »Als ob der Täter erst in diese Richtung gerannt wäre, es sich dann aber anders überlegt hätte«, interpretierte Ekinci. »Er rennt also durch Halle und Wohnzimmer nach hinten, durch die offene Terrassentür raus, biegt nach rechts ab, tritt ins Beet, bemerkt dann, dass er in dieser Richtung wieder auf die Straße kommt, und wendet sich erneut nach hinten.« Der Oberkommissar unterstützte seinen Vortrag gestenreich; am Ende wies seine Hand zum gegenüberliegenden Garten, der nur durch eine kniehohe Hecke abgegrenzt war. Die offene Rückseite des dortigen Carports war deutlich zu erkennen. Dazwischen lag nichts als Rasen – vielmehr eine buckelige, stark strapazierte Wiese, übersät mit Spielzeug. Wenig Aussicht auf weitere verwertbare Spuren.

      Stahnke blickte zu Kramer; der nickte stumm. Ihm fiel also auch nichts Besseres ein.

      Die Terrassentür war ein schweres Ding. Sie wurde auf Rollen bewegt, die in Schienen liefen. Vorher jedoch musste sie erst einmal aus ihrer Verriegelung gehoben werden. Dazu musste man einen langen Hebel um 180 Grad drehen – drinnen natürlich. Das Ganze bestand aus Edelholz und Dreifachglas und war bestimmt nicht nur teuer gewesen, sondern auch clever konstruiert, fand der Hauptkommissar.

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