Seelenfeuer. Cornelia Haller
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»Wie ist Euer Name, Frau?«, fragte Sauerwein eisig, »und was wollt Ihr?«
Luzia knickste: »Luzia Gassner, ich bin die neue Hebamme, und als solche möchte ich mich bei Euch vorstellen.
»So, so, Ihr seid also die Gassnerin?«, entgegnete Sauerwein. Widerwillig betrachtete er ihr rotes Haar.
Luzia nickte und senkte züchtig den Blick.
Der Stadtmedicus überprüfte Luzias Wissen mit ein paar Fragen zur Geburtshilfe, und weil sie seiner Befragung mit den richtigen Antworten begegnete, hatte er keinen Anlass, ihr die Arbeit in der Stadt zu verwehren. Mit saurer Miene holte er das Register hervor, in das er Luzia als neue Hebamme registrieren musste.
»Wann seid Ihr geboren?«, wollte Sauerwein mit der Feder in der Hand wissen. Luzia räusperte sich, dann fasste sie Mut und antwortete mit fester Stimme:
»Wenn Ihr gestattet, ich kann mich selbst ins Register einschreiben.«
»Ihr seid des Schreibens mächtig? Ach, richtig, Kaplan Grumper hat mir ja bereits erzählt, welch fleißige Schülerin Ihr wart.« Ein böses Lächeln umspielte seine Lippen. Als sie den Namen des Schulmeisters hörte, erschrak Luzia. Für kurze Zeit drehte sich der Raum um sie. Erst als ihr Sauerwein die Feder reichte, stand die Erde wieder still.
Luzia Gassner, von Beruf Hebamme, geboren am Stephanstag, dem 2. Tag des elften Monats im Jahre des Herrn 1464, schrieb sie in das große Pergament. Sauerwein beobachtete sie misstrauisch und prüfte ihre Eintragung. Der Amtsmedicus übertrug Luzias Angaben sorgfältig auf eine Urkunde. Dann setzte er für die erfolgte Überprüfung seine Unterschrift darunter, siegelte das Schreiben mit dem Wappen Ravensburgs und überreichte ihr das Dokument. Jetzt war sie die neue Hebamme der Stadt. Sauerwein würdigte sie nicht eines Blickes mehr, sondern begann in einem Buch zu blättern.
»Gibt es eigentlich noch eine weitere Hebamme in der Stadt?«, wagte Luzia zu fragen. »Laut meinem Onkel, dem Apothekarius Basilius Gassner, zählt die Stadt immerhin um die viertausend Einwohner.«
»Befürchtet Ihr jetzt schon unter Eurer Arbeit zu ersticken?«
Luzia schüttelte den Kopf und schalt sich eine Närrin, den Medicus gefragt zu haben. Sie wandte sich ab, um zu gehen.
Doch Sauerwein lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte die Kuppen seiner Finger aneinander. »Grete Muntz solltet Ihr vielleicht kennen, sie sorgt dafür, dass die Stadt nicht ganz verlottert. Ihre Art der Geburtshilfe ist auch im Sinn der heiligen Kirche, und wenn Ihr klug seid, lasst Ihr Euch von ihr unterweisen.«
»Also gibt es eine zweite Wehmutter?«
»Eine Wehmutter«, wiederholte Sauerwein abfällig. »Nun, die Muntzin ist doch wohl ein wenig mehr. Sie empfiehlt die Seelen in den Himmel. Wenn so viele Kinder unter der Geburt den Tod finden, nicht zu reden von den Weibern, ist es das einzig Sinnvolle«, entgegnete er kalt.
Luzia schüttelte den Kopf. »Deshalb ist es ja so wichtig, dass die Frauen eine Hebamme holen lassen und nicht unter den unwissenden Händen irgendwelcher Nachbarsfrauen niederkommen.«
Sauerwein musterte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Merkt Euch eins, Jungfer Muntz ist nicht irgendeine Nachbarsfrau. Sie ist ohne Fehl und Tadel und sicher die ehrbarste Frau der ganzen Stadt.«
»Das bezweifle ich nicht. Dennoch sollte die Geburt von einer ausgebildeten Wehmutter mit Erfahrung begleitet werden.«
»Unsinn!«, fuhr ihr Sauerwein über den Mund. »Den Weibern ist die Fähigkeit, ihren Nachwuchs zu gebären, eigen. Wir sehen es schließlich täglich bei Kühen und Schafen. Sie beherrschen es wie das Atmen, oder musstet Ihr erst lernen, wie man Luft holt?«, fragte er belustigt.
»Aber …«
»Spart Euch Eure Widerworte für einen anderen. Für störrische Weiber, wie Ihr eines seid, fehlt mir die Zeit«, sagte er scharf und wies ihr die Tür.
Ehe sich Luzia versah, hatte ihr der Stadtmedicus die Tür vor der Nase zugeschlagen. Sie spürte, wie ihr vor Empörung der Schweiß ausbrach.
Wütend machte sie sich auf den Heimweg. Einige Fremde kreuzten ihren Weg. Sie betrachteten sie mit einer Mischung aus Neugier und verhaltener Freundlichkeit. Die Ankunft der neuen Hebamme hatte sich in Ravensburg herumgesprochen, und durch ihr rotes Haar war sie leicht zu erkennen.
Luzia griff zum Henkelkorb und verließ die Apotheke. Sämtliche Vorräte waren aufgebraucht und so nutzte sie den Markttag, um sich mit frischen Lebensmitteln einzudecken. Basilius hatte wirklich einen verwöhnten Gaumen, und Luzia gab sich große Mühe, ihn zufriedenzustellen. Als sie ihm an einem der ersten Tage eine grobe Dinkelgrütze zum Morgenmahl vorgesetzt hatte, hatte ihr Onkel sie lange angesehen, war aufgestanden und hatte dann den Honig geholt. »Wenn schon Brei, dann wenigstens gesüßt«, hatte er gesagt. Seither servierte Luzia morgens eine warme Milchsuppe mit Dörrobst, was dem alten Mann besser schmeckte.
Nepomuk begleitete sie ein Stück weit, besann sich aber bald eines Besseren und verschwand in einer Seitengasse, aus der es schon nach Gekochtem roch.
Der Morgen war noch jung, dennoch lag bereits eine ungewöhnliche Schwüle über dem frühen Herbsttag. Als Luzia am Rathausbrunnen vorbeikam, schöpfte sie eine Handvoll Wasser. Kühl und frisch benetzte es ihre Lippen.
Wie ein großer, bunter Teppich breitete sich der Marktplatz vor ihr aus. Die Stimmen der geschäftstüchtigen Marktschreier erfüllten den gesamten Platz. Lautstark boten Bäuerinnen und Bauern ihr Obst und Gemüse feil. Bäcker und Metzger priesen ihre Waren als die besten. Hühner gackerten um ihr Leben, die Tautropfen auf den grüngrauen Wirsingköpfen glänzten in der Sonne. Vom Rand des Platzes kam wildes Hundegebell. In einer Ecke des Marktes hörte man das Klopfen und Hämmern der Kesselschmiede und Scherenschleifer. Korbflechter hatten ihre Waren vor sich aufgebaut und boten ihr Können feil. Es herrschten Lärm und Gedränge, die für Luzia ungewohnt waren. In Seefelden hatte es solche Menschenmengen nicht gegeben, nicht einmal sonntags in der Kirche.
»Aber, das ist doch Luzia! Gott zum Gruße, kennst du mich nicht mehr?«
Luzia drehte sich herum und fand sich in den Armen einer kleinen, älteren Frau wieder. Liebevoll drückte sie sie an ihren vollen Busen, und Luzia spürte ihre Wiedersehensfreude wie wärmende Sonnenstrahlen um sich.
»Johanna! Sei gegrüßt. Wie ich mich freue. Wie geht es dir?« Luzia kannte die Frau des Baders bereits aus Kindertagen. Früher waren Johannas Tochter Susanne und sie Freundinnen gewesen.
»Du trittst also in die Fußstapfen deiner Mutter, Gott hab sie selig?«
Luzia nickte. »Ich werde mir alle Mühe geben, Ravensburg eine gute Hebamme zu sein.«
Johanna sah sich vorsichtig nach Mithörern um, dann wisperte sie: »Versprich mir, dass du dich vor der alten Grete in acht nimmst. Seit deine Mutter nicht mehr lebt, sieht sie sich als Hebamme der Stadt. Jetzt fürchtet sie sicher um ihre Arbeit, deshalb nehme ich nicht an, dass Grete Muntz sich besonders freut, dass du zurückgekommen bist.«
Schon wieder diese Grete, dachte Luzia. »Dann ist diese Frau also ebenfalls als