Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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»Ich war ein grüner Junge damals«, lachte er jetzt in der Erinnerung. »Ein Mann, den ich dort kennenlernte, betrog mich um meine ganze Barschaft. Ich war noch keine vierundzwanzig Stunden da, und ich hatte schon keinen einzigen Heller mehr in der Tasche.«
Tobias hatte jedoch Glück im Unglück und lernte einen Farmer kennen, der ihn bei sich aufnahm. Bei John Preston, so hieß der Mann, lernte er alles, was man wissen mußte, um in Afrika überleben zu können. Der Deutsche arbeitete auf der Farm und lebte in der Familie seines Arbeitgebers. Doch nach zwei Jahren trieb ihn das Fernweh weiter.
Er schloß sich einer Safari an und wurde schließlich später selbst Führer durch den Dschungel. Wieder ein Jahr später, nahm er einen Job als Reiseleiter in einem Ferienklub an, wo er die Urlauber durch die Gegend fuhr und ihnen die Schönheiten seiner Wahlheimat zeigte.
Als der Ferienklub dann überraschend Pleite ging, stand Tobias Berghofer wieder auf der Straße. Allerdings war er inzwischen selbstständig genug, um damit fertig zu werden. Er hatte etwas Geld gespart und kaufte sich ein Stück Land, das er bewirtschaftete. Nicht sehr groß, aber er hatte sein Einkommen. Wieder schien ihm das Glück hold zu sein. Er lernte eine junge Frau kennen, die Tochter eines Nachbarn, in die er sich verliebte. Sie planten schon ihre Hochzeit, als das Schicksal unerwartet und erbarmungslos zuschlug.
Patricia verunglückte tödlich, als sie von der Farm ihres Vaters auf dem Weg zu Tobias war. Ihr Jeep kam aus unerklärlichen Gründen von der Straße ab und überschlug sich. Das Unglück wurde erst eine Stunde später von Tobias entdeckt, der losgefahren war, weil seine Verlobte nicht, wie verabredet, zu ihm gekommen war. Als er Patricia anrief und fragen wollte, ob sie sich sehr verspäten würde, erklärte ihr Vater, seine Tochter sei schon längst losgefahren.
Ahnungsvoll machte er sich auf den Weg und fand die Frau seines Lebens in dem Jeep, der nur noch ein Wrack war.
Es war der Tag, an dem sie in Nairobi die Eheringe abholen wollten, die sie eine Woche zuvor ausgesucht hatten...
*
Sebastian Trenker war stumm vor Entsetzen.
»Das tut mir schrecklich leid«, drückte er sein Mitgefühl aus, nachdem er seine Fassung wiedergefunden hatte.
Tobias nagte an seiner Unterlippe und blickte dabei in den verwilderten Garten.
»Ich dachte, ich könnt’ nie wieder glücklich sein«, sagte er leise.
Er griff unter das T-Shirt und holte ein goldenes Kettchen hervor, an dem zwei Ringe hingen.
»Ich habe sie erst Wochen später abholen können«, fuhr er fort, »und trage sie seitdem immer bei mir.«
Nach der Beisetzung wurde ihm schnell klar, daß er nicht länger in Afrika bleiben konnte. Alles dort erinnerte ihn an die glücklichste Zeit seines Lebens, und an das Schreckliche, was er erleben mußte.
Tobias verkaufte seine Farm und den meisten Besitz. Nur ein paar persönliche Dinge behielt er und den Jeep.
Er schiffte sich nach Europa ein und fuhr über Spanien und Frankreich nach Deutschland zurück.
»Tja, und nun bin ich wieder zu Haus’ und muß mein Leben neu einrichten«, sagte er nachdenklich.
»Dann ist es ja ein Segen, daß du das Haus damals net verkauft hast«, meinte der Bergpfarrer. »Sonst hättest’ überhaupt keine Bleibe mehr.«
»Ich weiß gar net, warum ich es net getan hab.« Tobias zuckte die Schultern. »Aber der Gedanke ist mir nie gekommen. Vielleicht war’s ja doch so eine Art Rückversicherung.«
Sebastian richtete sich auf.
»Jedenfalls ist es gut, daß du wieder da bist«, sagte er. »Und wenn du Hilfe brauchst, dann weißt du ja, daß du auf mich zählen kannst.«
Der junge Mann lächelte.
»Ja, Hochwürden«, nickte er, »das weiß ich. Wissen Sie, daß ich oft an Sie und unsre gemeinsamen Bergtouren gedacht hab’? In Afrika gibt’s auch Berge, und gar net mal so kleine. Aber irgendwie hat’s mich nie gereizt, sie zu besteigen.«
»Dann richte dich erstmal ein, und dann steigen wir mal wieder zusammen auf.«
»Eine schöne Idee. Ich freu’ mich schon drauf. Sagen S’, lebt der Franz noch droben auf der Kandereralm?«
»Freilich«, antwortete Sebastian. »Und er macht immer noch den besten Käse weit und breit.«
Der Geistliche erhob sich und reichte ihm die Hand.
»Noch einmal herzlich willkommen«, sagte er. »Ich freu’ mich, daß du wieder da bist, und ich hoff’, daß du, nach all dem, was du hinter dir hast, hier wieder heimisch wirst, und vor allem glücklich.«
Über diese Worte sann Tobias Berghofer noch lange nach.
Würde er wirklich hier wieder heimisch und glücklich werden? Oder war mit Patricia alles gestorben, was das Leben lebenswert machte?
Endlich raffte er sich wieder auf.
»Vom Philosophieren wird die Bude net sauber«, sagte er und machte sich daran, das Bad zu putzen.
Er schaffte es sogar, den Raum, der einmal das Schlafzimmer seiner Eltern gewesen war, wieder herzurichten, so daß er zumindest darin die Nacht verbringen konnte.
Einen Schrank oder gar ein Bett gab es nicht. Aber Tobias war es gewohnt, auf dem Boden zu schlafen. Das hatte er oft getan, damals, als er noch die Reisegruppen durch den Dschungel führte. Und ob nun ein Zeltdach über ihm war oder eine Zimmerdecke spielte keine Rolle.
Er arbeitete und putzte, bis es Zeit wurde, sich zu waschen und umzuziehen. Kurz vor sieben verließ er das Haus und ging zum Hotel hinüber. Als er den Bier- und Kaffeegarten betrat, saß Max Trenker schon an einem Tisch und winkte ihm zu.
Tobias’ Augen weiteten sich überrascht, als er die Frau sah, die neben dem Bruder des Bergpfarrers saß.
War Max immer noch der alte Schwerenöter, der die Herzen der Madln reihenweise brach?
Zu seiner weiteren Überraschung stellte ihm der Polizist seine Begleiterin als seine Ehefrau vor.
»Du bist verheiratet?« fragte Tobias ungläubig. »Donnerwetter, dann mußt’ ja etwas ganz Besond’res sein!«
Der letzte Satz war an Claudia gerichtet. Die Journalistin lächelte.
»Vielen Dank«, sagte sie.
»Komm, setz’ dich«, forderte Max ihn auf. »Ich hab’ schon eine Maß für dich mitbestellt.«
Die Getränke kamen, und der Heimkehrer nahm einen tiefen Schluck, nachdem sie angestoßen hatten.
»Ah, das tut gut!« sagte er und wischte sich den Schaum von den Lippen. »Wißt ihr, das Bier in Afrika schmeckt ja net schlecht, aber es geht doch nix über unsre Braukunst.«
»Du warst in Afrika?« erkundigte sich Claudia interessiert.
»Ja, mehr als sechs Jahre«,