Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 116
Kathi lächelte. Auf dem Heimweg hatte sie sich ganz genau vorgestellt, was sie erwartete. Natürlich würde es eine Auseinandersetzung mit den Eltern geben. Aber davor fürchtete sie sich nicht. Auch die Drohung, sie zu enterben, hatte sie erwartet.
»Dann verkauf’ doch den Hof und werd’ mit dem Geld selig«, stieß sie schroff hervor. »Ich brauch’ ihn net, um glücklich sein.«
Ihre Eltern sahen sich sprachlos an. Als Wolfgang Steingruber nach Hause gekommen war, hatte er schon alles gewußt. An diesem späten Nachmittag wollte er sich eigentlich eine Feierabendmaß im Wirtshaus gönnen. Kaum, daß er die Gaststube betreten hatte, waren die anderen Bauern auch schon auf ihn losgestürmt und hatten ihm brühwarm vom Verhältnis seiner Tochter mit dem Rumtreiber erzählt, das im Dorf das Tagesgespräch war.
Auf die Maß hatte der Bauer verzichtet und war auf dem schnellsten Wege zu seinem Hof zurück gefahren. Traudel fiel aus allen Wolken, als sie erfuhr, wie eng Kathi und Tobias Berghofer schon zusammen waren. Sie beratschlagten, was sie unternehmen konnten, damit dieser Kelch doch noch an ihnen vorüberginge. Indes war das nicht so einfach. Ihnen war schon bewußt, daß sie der Tochter im Grunde gar nichts mehr verbieten konnten.
»Wenn sie gar net hören will, dann werd’ ich ihr sagen, daß ich sie enterbe«, hatte Wolfgang schließlich gemeint.
Aber selbst diese Drohung fruchtete nicht, wie sich jetzt zeigte. Kathi ließ ihre Eltern stehen und ging in ihre Kammer.
Doch so leicht wollte sich der Bauer nicht damit abfinden. Er folgte ihr und riß die Tür zu Kathis Kammer auf.
Etwas, was er noch nie getan hatte. Er kam nie herein, ohne vorher anzuklopfen.
»Ich erwarte net nur, daß du das tust, was deine Mutter und ich von dir erwarten«, sagte er mit schneidender Stimme. »Solang’ du kein Einsehen hast, werd’ ich dir auch den Lohn kürzen!«
Kathi stand am Schrank und suchte nach frischen Arbeitssachen. Als sie ihren Vater das sagen hörte, fuhr sie herum.
»Das wirst du net wagen«, entgegnete sie. »Aber ich werd’ was tun. Nämlich ab sofort die Arbeit verweigern. Dann seht mal zu, wie ihr alleine zurechtkommt. Auf die Burgl könnt ihr net zählen, die wird noch lang’ net wieder schaffen können. Außerdem verlang’ ich eine Nachzahlung für die letzten fünf Jahre. Du weißt sehr genau, daß mein Lohn unter dem Tarif liegt, ganz zu schweigen von dem, was andere Bauern freiwillig zahlen. Und wenn ich net bekomm’, was mir zusteht, dann verklag’ ich dich!«
Ihrem Vater verschlug es die Sprache. So kannte er seine Tochter gar nicht. Bisher war es in der Familie immer recht harmonisch abgelaufen. Abgesehen freilich von den kleinen Ärgernissen, die überall mal vorkommen. Aber immer hatte man sich wieder zusammengerauft, und der Streit war schnell vergessen.
Doch danach sah es jetzt nicht aus. Wolfgang Steingruber sah an Kathis Gesicht, wie ernst es ihr war. Wortlos schlug er die Tür zu und stapfte über den Flur.
Die Bauerntochter ließ sich auf das Bett sinken und schlug die Hände vor das Gesicht. So harte Worte hatte sie gar nicht sagen wollen, und natürlich würde sie ihren Vater auch niemals verklagen. Den Lohn, den sie jeden Monat bekam, sah sie ohnehin nicht als solchen an, sondern eher als ein großzügiges Taschengeld. Sie hatte ja sonst alles auf dem Hof, was sie brauchte, und für Kathi war es selbstverständlich, daß sie mitarbeitete. Schließlich war ihr Schaffen ja auch eine Investition in die Zukunft, wenn sie selber einmal die Bäuerin war.
Allerdings sah es im Moment nicht so aus, als würde sie es eines Tages auch wirklich werden...
*
Richard und Loisl stiegen den Felsen hinauf. Hier oben war es schon empfindlich kalt. Die Sonne war untergegangen, und am Himmel zeigten sich Mond und Sterne. Der Kanadier hatte vorsorglich eine Taschenlampe mitgebracht, mit der er den Weg ausleuchtete.
»Gleich haben wir’s geschafft«, keuchte der Brandhuber, dem die Kletterei doch ein wenig zu schaffen machte.
Unter ihnen lag der Bergwald wie ein schwarzes Gebilde, schön und furchterregend zugleich. Langsam tasteten sich die beiden Männer weiter, dann hatten sie ihr Ziel erreicht.
»Ist sie net wunderschön?« sagte der Wunderheiler und deutete mit verklärtem Blick auf eine Blume, die aus dem Fels herauszuwachsen schien. »Man sieht ihr die heilenden Kräfte förmlich an.«
Richard Carpenter schaute hin und runzelte die Stirn.
Dieses unscheinbare Gewächs sollte Heilkräfte besitzen? Gut, hübsch anzuschauen war die rote Blüte schon, aber steckte wirklich das darin, was der Brandhuber versprach?
Indes war Richard mit vielen Indianerstämmen zusammengetroffen und hatte immer wieder über die Medizinfrauen und -männer gestaunt, die es verstanden, aus Pflanzen die heilsamsten Elixiere herzustellen, deren Wirkungskraft er am eigenen Leibe erfahren hatte.
Er sah zu, wie Loisl mit einem Messer die Wurzel aus der Felsspalte grub und die Blume behutsam in seine Hand nahm. Richard mußte dem Alten beim Abstieg behilflich sein.
Hoffentlich ist Christel nicht böse, weil es so lange dauert, dachte der Kanadier.
Knapp zwei Stunden würden sie für den Rückweg brauchen, und dann mußte die geheimnisvolle Blume auch noch in Brandhubers Hütte gebracht werden. Unterwegs wollten sie noch einen Abstecher zu der Quelle eines Gebirgsbaches machen, um das notwendige Wasser zu holen. Richard hatte extra eine Flasche dafür mitgebracht.
Die beiden Männer hatten knapp die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als Richard plötzlich lauschend den Kopf hob. Loisl entging die Bewegung nicht.
»Was ist los?« fragte der Alte.
»Da kommen Leute«, wisperte der Kanadier.
Jetzt lauschte der Brandhuber auch. Er nickte, als er das Knacken von Zweigen hörte.
»Wer kann das sein?«
»Keine Ahnung«, antwortete Richard. »Wilderer vielleicht.«
Sie drückten sich leise in die Büsche und spähten durch das Blattwerk. Wenig später kamen zwei Männer in ihr Blickfeld, einer von ihnen hatte ein Gewehr in der Hand. Es dauerte keine zwei Minuten, dann waren die beiden wieder verschwunden.
»Hoffentlich erwischt sie der Förster«, sagte Richard Carpenter.
Er war froh, daß sie sich versteckt hatten. Man konnte nicht wissen, was vielleicht passiert wäre, wenn die Wilderer sie entdeckt hätten. Es wäre gewiß nicht das erste Mal, daß man unliebsame Zeugen beseitigte.
Sie warteten noch eine Weile ab, ehe sie ihren Heimweg fortsetzten. Als sie aus dem Wald heraus waren, hörten Richard und Loisl mehrere Schüsse in der Ferne fallen.
Sie sahen sich an.
»Ich hab’ nix geseh’n und nix gehört«, meinte der Wunderheiler und ging weiter.
Der Kanadier folgte ihm achselzuckend.
Florian und Georg schleppten den jungen Hirschbock zum Auto und legten das Tier in den Kofferraum. Es hatte seine Zeit gedauert, bis sie endlich zum Schuß gekommen waren. Dann hatte Heppner das Wild fachmännisch ausgeweidet