Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 76
Lina hatte nicht gewußt, ob sie erleichtert sein konnte. Auch wenn Franz endlich Erfolg gehabt hatte, hieß das noch lange nicht, daß er auch schon bald wieder nach Hause kommen würde. Als sie diesbezüglich eine vage Andeutung machte, hatte ihr Mann ihr gleich jede Hoffnung genommen.
»Nicht bevor die Sache ausgestanden ist«, sagte er. »Jetzt habe ich den Kerl endlich soweit, und er wird klein beigeben!«
»Aber wir brauchen dich hier«, wagte Lina Gruber zu sagen. »Thomas und Horst schaffen es nicht mehr alleine.«
»Es wird nicht mehr lange dauern«, tröstete Franz seine Frau. »Spätestens nächste Woche bin ich zu Hause.«
Mit einem unbeschreiblichen Gefühl dachte er jetzt noch einmal an den Moment, in dem er Hubert Hirschler mit seiner Anklage konfrontiert hatte. Der Mann hatte nichts abgestritten, und jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, bis er in aller Öffentlichkeit bekannte, was er damals getan hatte.
»Und wenn er es nicht tut, dann sorge ich dafür, daß es publik wird!« murmelte Franz Gruber mit grimmiger Miene.
Es klopfte an der Tür, und er ging hin und öffnete. Seine Miene verfinsterte sich, als er den Geistlichen sah.
»Grüß Gott, Herr Gruber«, sagte Sebastian freundlich, den abweisenden Gesichtsausdruck ignorierend. »Darf ich einen Moment hereinkommen?«
»Wenn es sein muß«, brummte der Norddeutsche und trat zur Seite.
»Vielen Dank.«
Der Bergpfarrer setzte sich auf einen Stuhl. Gruber nahm ihm gegenüber Platz.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte er, immer noch mit abweisendem Blick.
»Erst einmal vielen Dank, daß Sie mir einen Augenblick Ihrer Zeit schenken, Herr Gruber«, sagte Sebastian. »Oder soll ich Herr Hinzmann sagen?«
Bei diesen Worten beobachtete er sein Gegenüber genau, doch in dessen Gesicht zeigte sich keine Regung.
»So nennen Sie sich doch, net wahr?« fuhr der Geistliche fort. »Georg Hinzmann, dessen arme, kranke Frau keinen Ausflug mitmachen kann, weil der Föhn ihr zusetzt…«
Endlich schürzte Franz Gruber die Lippen und bedachte den Besucher mit einem abschätzenden Blick.
»Was wollen Sie?« fragte er, kurz angebunden.
»Das ist net die Frage«, schüttelte Sebastian den Kopf. »Sondern vielmehr, was wollen Sie?«
»Das ist meine Privatsache und geht Sie nichts an!«
Der gute Hirte von St. Johann schüttelte den Kopf.
»Ich sagte es schon, wenn Ihre Anwesenheit hier etwas mit einem Mitglied meiner Gemeinde zu tun hat, dem Sie möglicherweise übel wollen, dann geht mich das wohl etwas an«, erwiderte Sebastian.
»Ihr Mitglied der Gemeinde ist ein gemeiner Schuft!« stieß Gruber hervor. »Er hat einen Unschuldigen ins Gefängnis gebracht und sich an dessen Elend bereichert.«
Sebastian hob die Hand.
»Ich weiß, was Hubert Hirschler Ihrem Vater angetan hat«, sagte er. »Aber ist das wirklich ein Grund, nach mehr als fünfzig Jahren einen Rachefeldzug zu starten?«
»Er wird nicht ungeschoren davonkommen, das verspreche ich Ihnen!« rief Franz Gruber mit lauter Stimme.
»Und was wollen Sie unternehmen?« fragte der Bergpfarrer. »Ihn töten jedenfalls net. Dazu hätten S’ inzwischen mehr als einmal Gelegenheit gehabt.«
In den Augen des anderen stand ein amüsiertes Lächeln.
»Nein«, schüttelte der den Kopf, »umbringen will ich ihn nicht. Warum auch? Das wäre nur eine unzulängliche Rache. Am eigenen Leib soll Hirschler erfahren, was es heißt, wenn die Leute mit dem Finger auf einen zeigen, wenn hinter seinem Rücken über ihn getuschelt wird, über den geachteten Bauern, der sein ganzes Lebensglück dem Unglück eines anderen verdankt.«
»Glauben Sie wirklich, daß das Ihren Vater befriedigt hätte?« äußerte Sebastian seine Zweifel.
»Ja, genau das denke ich«, rief Gruber, er nickte vehement. »Ich glaube es nicht, ich weiß es! Sein ganzes Leben hat mein Vater diesen Mann gehaßt. Immer hat er gewollt, daß Hubert Hirschler eines Tages für das bezahlen soll, was er ihm angetan hat. Ich habe es ihm versprochen, daß dieser Tag kommen wird. Und nun ist es soweit. Hirschler wird öffentlich bekennen, wessen er sich schuldig gemacht hat, oder ich werde es tun. Er hat die Wahl. Und dann wird mein Vater endlich seine Ruhe finden.«
Der Geistliche sah ihn nachdenklich an.
»Ich könnte es verstehen, wenn Ihr Vater hier vor mir sitzen würde«, sagte er. »Aber was bewegt Sie? Was sind Ihre Motive dafür?«
Franz Gruber erwiderte seinen Blick.
»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen, Hochwürden«, antwortete er. »Ich bin in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. In meiner Jugend war das Elternhaus die Hölle für mich. Vater ist nie mit seinem Leben zufrieden gewesen, und das ließ er meine Mutter und mich spüren. Damals habe ich nie begriffen, warum er so war. Erst später hat mein Vater mir alles erzählt, und ich verstand ihn. Ihm wurde alles genommen, wovon er als junger Mann geträumt hatte. Sein Leben verlief anders, als er es geplant hatte, und dafür verfluchte er diesen Mann. Mir ging es nicht anders. Als ich älter wurde und lernte zu begreifen, verstand ich meinen Vater und seinen Haß auf Hubert Hirschler. Es ist nicht alleine seine Rache, die mich hierher trieb, sondern ein stückweit auch die meine. Dafür, daß meine Jugend so erbärmlich war, für die vielen durchweinten Nächte, die Prügel, die ich bekommen habe, wenn Vater wieder einmal seine Depressionen hatte, und für das Elend, das meine Mutter, die mit alledem nichts zu tun hatte, erleben mußte. Deswegen, Hochwürden, wird Hubert Hirschler nicht ungeschoren bleiben! Er wird in aller Öffentlichkeit bekennen, was für ein Mensch er wirklich ist!«
Pfarrer Trenker atmete tief durch. Dieser Mann, der ihm gegenübersaß, war so voller Haß, daß in diesem Augenblick kein vernünftiges Wort mit ihm zu reden war.
Er stand auf und schaute Franz Gruber an.
»Sie tun mir leid«, sagte er leise. »Mit Ihrer Rache im Herzen sind Sie blind für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Wenn Sie zu mir gekommen wären, oder mit mir geredet hätten, als ich Sie ansprach, dann hätten wir sicher eine Lösung gefunden. Eine Entschuldigung vom Huber wäre Ihnen sicher net versagt geblieben, dafür hätt’ ich schon gesorgt. So aber wollen S’ einen Mann vernichten, der sich vielleicht sein Leben lang seiner Schuld bewußt war, die auf seinem Gewissen lastete und ihm sicher auch keine glücklichen Stunden bescherte.
Aber glauben S’ mir, Herr Gruber, ich werd’ net zulassen, daß Sie Hubert Hirschler vernichten, sein Ansehen in den Schmutz ziehen. Ganz gleich, was er getan hat, er ist eines meiner Schäfchen, und ich werd’ es genauso behüten, wie die anderen auch!«
*
Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, sprach Sebastian mit Marion. Die Frau seines Cousins saß in ihrem Arbeitszimmer. Trotz des Aufwands, der in der Pension ›Edelweiß‹ betrieben wurde, nahm Marion Trenker sich immer noch Zeit, ihrem eigentlichen Beruf