Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 78
Er reichte der Bäuerin die Hand und erkundigte sich bei Franzi, wie es in der Schule ging.
»Alles bestens«, erwiderte das Madl.
Hubert saß stumm in einem Sessel und brütete vor sich hin. In der Hand hielt er das Schmuckkästchen, das er nervös hin und her drehte. Nachdem der Geistliche Platz genommen hatte, schaute der Altbauer seine Familie an.
»Ich möcht’ etwas mit euch besprechen«, begann er langsam. »Aber zuerst dank’ ich Pfarrer Trenker, daß er hergekommen ist.«
»Also, was ist jetzt los?« fragte Vinzent Hirschler ungeduldig. »Ist was passiert?«
»Ja«, nickte sein Vater. »Ich hab’ euch zusammengerufen, weil etwas eingetreten ist, was ich schon lang’ befürchtet hab’…«
Seine Schwiegertochter war blaß geworden. Franzi schaute ihren Großvater entsetzt an.
»Bist du also doch krank?« rief sie mit Panik in der Stimme.
Hubert schüttelte den Kopf.
»Mir fehlt nix«, erwiderte er. »Es geht um etwas ganz anderes. Ihr kennt ja den Georg Hinzmann…«
Allgemeines Kopfnicken war die Antwort.
»Er ist aber net der, für den er sich ausgibt«, fuhr der Altbauer fort. »Sein richtiger Name ist Franz Gruber.«
Vinzent stieß einen überraschten Laut aus.
»Und wieso nennt er sich dann anders?«
»Franz Gruber ist der Sohn von Josef Gruber«, sprach sein Vater weiter. »Ich hatte immer gehofft, daß dieses Kapitel in meinem Leben ein für alle Mal abgeschlossen sei, aber tief in meinem Innern ahnte ich immer, daß die Vergangenheit mich eines Tages einholen würde…«
Erst langsam, dann immer fließender erzählte Hubert Hirschler von der Freundschaft zwischen ihm und Josef Gruber. Von der Frau, in die sie beide sich verliebten, und die ihre Gunst dem anderen schenkte.
Der Altbauer öffnete das Schmuckkästchen und hielt den Anhänger in den Händen.
Nur um Maria Brandner für sich zu gewinnen, hatte er es gestohlen und den Freund beschuldigt. Er erzählte von dem Prozeß und seiner Falschaussage, die Josef Gruber ins Gefängnis brachte.
»Ich rechnete damit, daß Josef nie wieder nach Hause zurückkehren würde, nach der Entlassung aus dem Gefängnis«, gestand er. »Und daß ich nie mehr von ihm hören würde. All die Jahre war es eine trügerische Hoffnung. Aber ich hatte keinen Grund, anzunehmen, daß nach all dieser Zeit die ganze Geschichte doch noch ans Licht kommen konnte.«
Er schaute die Seinen an.
»Und jetzt sitz’ ich hier vor euch, als Dieb und reuiger Sünder und bitt’ euch, mir zu vergeben. Den Josef kann ich net mehr um Verzeihung bitten, und sein Sohn will meine Entschuldigung net annehmen…«
Vinzent und seine Familie sahen sich entsetzt an. Franzi schluchzte auf und stürzte hinaus.
»Bleib!« rief ihr Vater ihr hinterher.
»Laß sie«, schüttelte Pfarrer Trenker den Kopf, der jetzt zum ersten Mal das Wort ergriff. »Ich weiß, wie sehr Franzi ihren Großvater liebt und verehrt. Sie muß das erst einmal alles durchdenken und verstehen.«
Vinzent griff nach der Hand seiner Frau.
»Und was geschieht jetzt?« fragte Klara Hirschler. »Was will Georg… ich meine Franz Gruber von Vater?«
»Er will, daß ich öffentlich meine Schuld bekenne«, sagte der Altbauer.
»Niemals!« schnappte sein Sohn. »Wie steh’n wir denn da, vor all den Leuten!«
»Darüber müssen wir sprechen«, sagte Sebastian. »Ich befürchte nämlich, daß Franz Gruber net von seiner Forderung abweichen wird.«
»Und was ist, wenn Vater net dazu bereit ist?«
Der Geistliche zuckte die Schultern.
»Darüber können wir nur Mutmaßungen anstellen«, erwiderte er. »Vielleicht wird er darüber nachsinnen, wie er euch schaden kann. Ich hab’ Max gebeten, ein Auge auf den Mann zu haben. Er wird sehen, daß er net schalten und walten kann, wie er will. Aber es muß ja gar net dazu kommen, daß Franz Gruber wirklich etwas Böses anstellt. Ich hab’ mir überlegt, noch mal mit ihm zu reden und ihm zu sagen, daß euer Vater net daran denkt, sich öffentlich zu bekennen. Seine Reaktion darauf müssen wir erst einmal abwarten.«
Er stand auf.
»Ihr habt sicher noch was zu bereden«, setzte er hinzu. »Ich schau’ mal nach der Franzi.«
Sebastian fand das Madl in seiner Kammer. Franzi lag auf dem Bett und hatte verweinte Augen. Der Geistliche setzte sich zu ihr und strich ihr ganz sanft über das Gesicht.
»Ich kann versteh’n, was das Geständnis für dich bedeutet«, sagte er. »Aber was immer er getan hat, er ist und bleibt dein Großvater, der dich liebt und dich in allem was du wolltest, unterstützt hat. Schau jetzt net mit Verachtung auf ihn. Er ist auch nur ein Mensch, und Menschen machen nun einmal Fehler. Das liegt in ihrer Natur. Glaub’ mir, niemand bereut das mehr, was geschehen ist, als er, und es ist an uns, ihm zu vergeben.«
Das Madl richtete sich auf.
»So lang’ ich denken kann, ist Großvater für mich die Güte selbst«, sagte es leise. »Unsre Familie war immer eins. Wir lieben uns, und bestimmt gibt es nix, was unser Glück all die Jahre getrübt hat. Ich war sicher, daß es immer so weitergehen würde, und jetzt geschieht das!«
»Grad dann, wenn man net dran denkt, geschieht das Unerwartete«, antwortete Sebastian. »Deshalb ist es gut, wenn man mit allen Eventualitäten rechnet. Dein Großvater hat all die Jahre diese Last mit sich getragen, und gewiß hat sie ihn schwer gedrückt. Jetzt würdest du ihm helfen können, indem du zu ihm hältst und ihm einen Teil dieser Last abnimmst.«
Franzi nickte.
»Ja, Hochwürden«, antwortete sie mit fester Stimme, »das will ich tun!«
*
In den nächsten Tagen geschah erst einmal nichts. Aber das war genau das, was Sebastian Trenker beunruhigte. An dem Abend, an dem Hubert Hirschler seiner Familie alles erzählt hatte, war der Bergpfarrer noch einmal zur Pension ›Edelweiß‹ gegangen und hatte mit Franz Gruber gesprochen. Eigentlich hatte er vorgehabt, eine ruhige und vernünftige Unterhaltung mit dem Mann zu führen. Doch Gruber lehnte ein Gespräch geradewegs ab. Als Sebastian ihm schließlich sagte, daß der Hirschlerbauer unter keinen Umständen bereit war, sich in aller Öffentlichkeit zu bekennen, blickte der Norddeutsche ihn stur an und erwiderte, dann würde er geeignete Maßnahmen ergreifen und den Bauern dazu zwingen. Aber wie diese Maßnahmen aussehen würden, sagte er nicht. Immerhin war er bereit, die Frist von einer Woche verstreichen zu lassen, damit Hubert Gelegenheit hatte, seine Haltung zu überdenken.
Dem guten Hirten von St. Johann