Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Читать онлайн книгу Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman - Toni Waidacher страница 85
Thomas riß die Augen auf.
»Muß das wirklich sein?« fragte er. »Ich dachte, die Sache soll nicht offiziell werden.«
»Wird sie auch net«, beruhigte Sebastian ihn. »Der Beamte, der uns begleitet, ist mein Bruder. Er kommt aber net als Polizist mit, sondern weil ich ihn gebeten hab’, uns zu helfen.«
»Ach so«, sagte Thomas.
»Und jetzt zeig’ ich dir die Kirche«, schlug der Geistliche vor. »Natürlich nur, wenn du magst.«
»Gerne«, nickte sein Gast. »Ich erinnere mich, daß mein Großvater immer von der Kirche geschwärmt hat.«
»Ich hab’ seinen Taufeintrag im Kirchenbuch gefunden«, erzählte Sebastian, als sie das Pfarrhaus verließen und hinübergingen. »Ich zeig’s dir gleich.«
Thomas Gruber war von dem Anblick, der ihn im Innern des Gotteshauses erwartete, überwältigt. Moorkate selbst hatte keine eigene Kirche, sondern gehörte zum Sprengel in Hannover. Thomas war in Garbsen getauft und konfirmiert worden, aber die evangelische Kirche dort war eher nüchtern und zweckmäßig gebaut und ausgestattet. Es handelt sich um einen Neubau aus den siebziger Jahren.
Sebastian Trenker führte ihn überall herum und erklärte die Sehenswürdigkeiten. Thomas zeigte wirkliches Interesse und stellte entsprechende Fragen. In der Sakristei durfte er dann das Kirchenbuch in Augenschein nehmen. Es war ein seltsames Gefühl, den Namen des Großvaters zu lesen, aber irgendwie verband es den jungen Burschen auch mit diesem Ort.
Sie hielten sich lange in der Kirche auf, und als Sebastian und sein Besucher zum Pfarrhaus zurückging, hatte Sophie Trenker schon das Mittagessen fertig.
»Wo nur der Max bleibt?« Die Haushälterin schüttelte den Kopf. »Er ist doch sonst immer der Erste bei Tisch.«
Der Bruder des Bergpfarrers verspätete sich tatsächlich um eine geschlagene halbe Stunde. Als er dann endlich erschien, machte der junge Polizist ein nachdenkliches Gesicht.
»Dein Vater ist das also«, sagte er, nachdem er mit Thomas Gruber bekannt gemacht worden war. »Entschuldige, aber der hat sie net mehr alle!«
»Was ist denn, Max?« fragte der Geistliche.
»Der Vinzent hat gegen Franz Gruber Anzeige erstattet, wegen der Schmiererei«, erwiderte der Beamte. »Jetzt ist die Sache offiziell. Ich komm’ gerad vom Hirschlerhof. Ich hab’ das Haus fotografiert und den Farbeimer und Pinsel beschlagnahmt.«
Er blickte den Tischlergesellen bedauernd an.
»Tut mir leid, Thomas«, setzte er hinzu, »aber jetzt muß ich gegen deinen Vater ermitteln.«
*
Obwohl es wie immer ein Augen- und Gaumenschmaus war, was die Haushälterin auf den Tisch gebracht hatte, war Thomas Gruber der Appetit vergangen. Er stocherte eher geistesabwesend mit der Gabel auf seinem Teller herum und zerteilte das Fischfilet in kleine Stücke, ohne sie in den Mund zu stecken.
»Ich vermute, du konntest den Vinzent net von der Anzeige abbringen«, sagte Sebastian.
Max schüttelte den Kopf.
»Ich hab’s versucht«, erwiderte er. »Aber Vinzent hat solch eine Wut im Bauch, daß er net einsehen wollte, wozu das gut sein soll.«
Der Bergpfarrer schaute auf Thomas.
»Vielleicht haben wir heut’ nacht Glück«, meinte er. »Wenn wir deinen Vater von weiteren Anschlägen abhalten können, und er sich bereit erklärt, den Schaden zu ersetzen, können wir den Bauern vielleicht noch umstimmen.«
»Dann würd’ ich die Anzeige jedenfalls unter den Tisch fallen lassen«, fügte Max hinzu.
Er wandte sich seinem Bruder zu.
»Was hast’ denn vor?« erkundigte er sich.
Sebastian erklärte es ihm, und der Polizist nickte.
»Claudia wird freilich net begeistert sein«, meinte er, »aber ich bin dabei.«
Sie besprachen die Einzelheiten, dann mußte Max seinen Dienst wieder aufnehmen.
»Schau’ dich doch ein bissel im Dorf um«, schlug Sebastian Thomas vor. »Nachher solltest’ dich dann noch ein bissel schlafen legen. Es könnt’ unter Umständen eine lange Nacht werden.«
Der junge Bursche nickte.
»Da könnten Sie recht haben«, antwortete er.
Thomas ging den Kiesweg hinunter. Dabei dachte er an das, was sein Vater angerichtet hatte. Er wagte gar nicht, sich auszumalen, zu was er noch fähig sein mochte. Es kam ihm in den Sinn, wie wenig er ihn eigentlich kannte. Schon oft hatte der Vater zu Hause davon erzählt, daß er sich eines Tages aufmachen würde, um den Mann zu finden, der Großvater ins Unglück gestürzt hatte, doch so richtig ernst genommen hatten ihn weder der Sohn, noch seine Ehefrau. Erst als Franz Gruber ganz plötzlich verkündete, daß er losfahren werde, erkannten Thomas und seine Mutter, daß der Ehemann und Vater in all den Jahren diesen Gedanken gehabt haben mußte.
Der junge Norddeutsche spazierte durch den Ort und schaute sich ausgiebig um. St. Johann war ein schönes Dorf, es gefiel ihm ausgezeichnet, und wieder stellte er sich vor, wie es wohl gekommen wäre, hätte sein Großvater die Heimat nicht verlassen, und er, Thomas, wäre hier geboren worden und aufgewachsen.
Nach seinem Spaziergang betrat er den Garten des Hotels, an dem er vorher schon vorbeigekommen war. Thomas staunte über die vielen Gäste, die hier bei Kaffee und Kuchen oder kalten Getränken saßen. Wie es aussah, schien es keinen freien Platz mehr zu geben. Er wollte sich schon wieder umdrehen und gehen, als sein Blick auf einen Tisch fiel, an dem zwei junge Frauen saßen.
Großvater hatte immer erzählt, daß die Menschen in Bayern gastfreundlich seien und in der Regel nichts dagegen hatten, wenn man sich in einem Lokal zu ihnen an den Tisch setzte. Ganz im Gegensatz zu den sturen Niedersachen, hatte Josef Gruber immer behauptet, die eifersüchtig über ihr Revier wachten, als sei der Tisch ihr ureigenster Besitz.
Warum nicht, dachte Thomas, fragen kostet ja nichts.
Er ging zu dem Tisch hinüber und lächelte freundlich.
»Hallo«, sagte er. »Ist hier noch was frei?«
Die Madln sahen ihn an.
»Klar«, nickte Franzi Hirschler.
Und Carola setzte hinzu: »Such’ dir den schönsten Stuhl aus.«
»Danke schön«, lachte er. »Ich bin übrigens Thomas.«
Die beiden nannten ihre Namen.
»Machst’ Urlaub hier?« erkundigte sich Carola.
Thomas überlegte kurz. Am besten würde es wohl sein, wenn er ihre Annahme einfach bestätigte.
»Kann man so sagen«, antwortete er schließlich und bestellte ein Alsterwasser, als die Bedienung an den Tisch trat.