Ein Stück Leben. Zoran Dobric

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Ein Stück Leben - Zoran Dobric

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dem Tod

       Psychologische Arbeit

       Dankbarkeit der Empfänger

       Resümee

       Danksagung

       Anmerkungen

       Literaturverzeichnis

      Das höchste Gut eines jeden Lebewesens ist sein eigenes Leben.

       VORWORT

      Während der Recherche- und Dreharbeiten an meiner ORF-Dokumentation »Ein Stück Leben« durfte ich einigen wichtigen Prozessen der Organtransplantation beiwohnen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen wollte ich in den Film verpacken und weitergeben, doch das ging nicht. Denn in einem 46 Minuten langen Film kann man sehr viel erzählen, aber nur einen Bruchteil der wahren Problematik, der Konflikte und des ethischen Glatteises, auf dem sich die Organspende in unseren Breitengraden abspielt, verantwortungsvoll präsentieren und journalistisch aufarbeiten. Nicht das enge Zeitkorsett, das mehr oder weniger den Inhalt meines Films vordefinierte, zwang mich dazu, dieses Buch zu schreiben. Eher waren es die Erfahrungen und Erkenntnisse, die ich während der Filmproduktion sammelte, die sowohl mein Bewusstsein als auch mein emotionales Leben für immer veränderten.

      Als ich meinen Kolleginnen und Kollegen von den anstrengenden Dreharbeiten erzählte, dachten sie, das Überfordernde hierbei seien das Blut, der geöffnete menschliche Körper und die Leichen, denen ich dabei begegnete. Doch weder das Blut noch die aufgemachten menschlichen Körper, noch die Leichen waren für mich überfordernd.

      Auch der Tod und das Sterben-Müssen waren für mich weder neu noch überfordernd. Seit 2011 arbeite ich immer wieder als ausgebildeter Sterbebegleiter ehrenamtlich mit schwer kranken und aus dem Leben scheidenden Menschen und verbringe dadurch die letzten Monate ihres Lebens mit ihnen zusammen. Es ist eine Arbeit, die ich nicht missen möchte, obwohl sie mit intensiven Emotionen verbunden ist.

      Dennoch war ich während der Dreharbeiten an meinem Dokumentarfilm »Ein Stück Leben« mehrmals emotional überfordert. Es brauchte Zeit – weit über den Filmproduktionsrahmen hinaus –, um mit dem Erlebten fertigzuwerden.

      Als ich nach der Feststellung des Hirntodes an einem Patienten im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH) mit dem Hirntoten und von nun an als Organspender Geltenden alleine blieb, schoss mir ein Gedanke des Dichters Fjodor Michailowitsch Dostojewski, der einmal zu Unrecht zum Tode verurteilt worden war und vor dem Erschießungskommando gestanden hatte, durch den Kopf: »Am offenen Meer, ganz alleine, auf einem kleinen Felsen, nur mit einem Fuß stehend und von allen Seiten von Wind und Wasser geschlagen, aber am Leben bleiben. Das ist so menschlich.«

      Wenn ich an einem Dokumentarfilm arbeite, versuche ich immer, neben den Fakten, die ich recherchiere, auch die Emotionen, die mich während der Arbeit begleiteten, den Zuschauern zu vermitteln und ihnen zu ermöglichen, das Gefühl zu haben, sie seien während der Dreharbeit dabei gewesen. Als ich dieses Buch schreiben wollte, wurde mir klar, dass die Leserinnen und Leser unbedingt jene Menschen, die in der Publikation vorkommen, so erleben sollten, wie ich sie erlebte – mit ihren Ängsten, Zweifeln und Überzeugungen, egal ob Patientinnen und Patienten, Familienangehörige, Ärztinnen und Ärzte, Theologen, Laborantinnen und Laboranten, Datenverarbeiterinnen und -verarbeiter. Die Lektüre soll ihnen ermöglichen, die gesammelten Ergebnisse meiner Recherchen zu erfahren und selbstständig zu eigenen Erkenntnissen zu kommen. Darum habe ich für dieses Buch die Form einer Doku-Reportage gewählt.

      Der Titel dieses Buches »Ein Stück Leben« steht für all jene, die schwer krank sind, eine relativ kurze Zeit zu leben haben und auf die Rettung durch die Implantation eines Fremdorgans hoffen und warten müssen; genauso aber auch für Menschen, die im Sterben liegen und nur noch ein kurzes Stück Leben vor sich haben.

      Wien, 31. März 2020

       WARTEN AUF EIN ORGAN

      Kurz vor Mitternacht klopfe ich an die geöffnete Tür eines Interventionszimmers im 20. Stock des Wiener AKH. Auf einem Patientenbett, das offensichtlich eben erst hereingebracht worden ist, sitzt ein Mann um die 60 und blickt entspannt auf einen kleinen, schwarzen Reisekoffer auf Rädern, der eindeutig ihm gehört. Die braunen Lederschuhe und der ausgewaschene Spitalspyjama, den er trägt, verraten, dass er das Zimmer gerade betreten haben muss. »Ich heiße Ulf Scheriau und ich bin ein stolzer Kärntner«, stellt er sich vor.

      Erst seine zittrige und relativ hohe Stimme zwingt mich zu glauben, er sei krank. Sein Gesicht ist leicht verschwitzt, obwohl er ganz unauffällig atmet. Das Treffen mit Ulf Scheriau hat eine Koordinatorin eines Transplantationsteams im AKH für mich vereinbart. Obwohl es so kurzfristig war, hat Herr Scheriau meinem Wunsch zugestimmt, mit ihm über seine bevorstehende Herztransplantation zu sprechen, aber auch einige weitere Interviews nach dem »hoffentlich« gelungenen Eingriff mit ihm zu führen. Wenn alles nach Plan läuft, werden dem 63-jährigen Finanzjuristen in den nächsten Stunden sein krankes und auch sein künstliches Herz, das er seit 2015 tragen muss, entnommen und das entsprechende Organ eines hirntoten Patienten implantiert.

      »Ich bin eigentlich froh, dass es losgeht und dass ich diesen Schritt setzen kann. Ich bin guter Dinge, dass ich ein aktives Leben ohne Kunstherz gestalten werde können, wenn ich die OP hinter mich gebracht habe«, sagt er und lächelt erfreut.

      2010 ist Ulf Scheriau als 54-jähriger »Amateursportler«, wie er sich selbst bezeichnet, viel unterwegs und hat großen Spaß am Leben. Kurz vor dem Sommer macht er auch einen großen Gesundheitscheck. »Sie weisen Werte wie ein echter Sportler auf«, lobt ihn der zuständige Arzt. Einige Monate später, am 31. Juli 2010, ist er mit seiner Ehefrau und noch einem befreundeten Ehepaar in der Oberkärntner Schobergruppe wandernd unterwegs, um einen neuen Dreitausender zu bezwingen:

      »Ich bin einen Südhang bei größter Hitze wirklich hinaufgelaufen, und in der Zwischenebene habe ich mir gedacht, das wäre eigentlich nicht gerade sympathisch, wenn man jetzt bis zur Hütte durchläuft. Dann habe ich mich dort niedergesetzt und auf die anderen gewartet. Aus meiner rückblickenden Sicht habe ich das dann so gemacht, dass ich eiskaltes Wasser aus dem Berg getrunken und mir auch das Leiberl ausgezogen habe, um meinen Oberkörper mit eiskaltem Wasser abzuwaschen. Wäre ich damals weitermarschiert, wäre vielleicht gar nichts passiert, doch ich bin dort stehen geblieben. Kurz darauf habe ich angefangen, leicht zu frösteln. Da dürften die Arterien ruckartig zusammengegangen sein. Ich vergleiche das immer damit, wenn man im Frühjahr mit dem Fahrrad drei Mal um den Wörthersee fährt, ganz erhitzt ist und dann in das kalte Wasser springt. Ich habe das Wasser halt getrunken und den Oberkörper gewaschen und war nicht mehr im Bewegungsmodus.«

      Haben Sie das Ihrer Frau und den Bekannten erzählt?

      »Nein. Wir haben dort noch ein paar Fotos geschossen und die Bekannten haben gesagt: ›Ulf, geh du vor, du bist eh wieder der Schnellste von uns.‹ Das habe ich dann aber nicht mehr geschafft, und da dürften die Arterien schon ruckartig zusammengegangen sein, denn ich bin immer schwächer geworden. Meine Frau hat mir noch angeboten, dass sie meinen schwereren Rucksack für mich trägt. Zum Schluss hat sie versucht, beide Rucksäcke

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