Ein Stück Leben. Zoran Dobric
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Heißt das, dass die Herzimplantation in nur einer Stunde erledigt ist?
»Natürlich nicht. Die Operation ist mit dem Hineinnähen allein nicht getan, sondern dauert noch mehrere Stunden länger an. Es gibt noch viele kritische Momente während der Operation und selbst dann, wenn die Operation erfolgreich verlaufen ist. Auch der Transport auf die Intensivstation oder die ersten Stunden auf der Intensivstation – all das sind noch sehr kritische Phasen.«
IMPLANTATION
Als die Kühlbox mit dem Spenderherz in den OP-Saal gebracht wird, ist Ulf Scheriaus Brustkorb bereits geöffnet. Sein eigenes Herz samt dem künstlichen, das er seit fast vier Jahren tragen musste, liegt herausgeschnitten auf einem Tisch. Die Funktion dieser beiden Herzen hat in der Zwischenzeit eine Herz-Lungen-Maschine übernommen, sonst wäre Ulf Scheriau schon längst tot. Ich zähle elf Menschen mit grünen OP-Kitteln, Hauben und Atemschutz. Während ein weiterer Herzchirurg und dessen Assistent Ulf Scheriau für die Implantation vorbereiten, trifft auch jener Herzchirurg, der das Spenderherz herausoperiert und mitgebracht hat, ein. Eine OP-Assistentin hilft ihm, den Überkittel und die Handschuhe anzuziehen. Eine OP-Krankenschwester nimmt das Herz aus der Kühlbox heraus und legt es auf den Tisch neben das kaputte Herz von Herrn Scheriau hin. Dann holt sie noch eine Handvoll Eis und gibt es auf das Spenderherz obendrauf. Anschließend setzt sie das neue Herz auf den oberen Teil des geöffneten Brustkorbs des Organempfängers. Mit Unterstützung eines Assistenten schneidet der Chirurg das Fettgewebe von dem Spenderherz einige Minuten lang weg. Dann stopft er ein wenig Eis in das Herz hinein und legt noch eine Handvoll davon auf das Organ, um es weiter kühl zu halten. Daraufhin hebt er es ab und gibt es dem Herzchirurgen, der inzwischen für die OP bereit ist, in die Hände. Er begutachtet es kurz. Schließlich nähen die beiden Chirurgen etwa eine halbe Minute lang das Herz an die Blutgefäße Ulf Scheriaus an und legen es in seinem Brustkorb hin. Noch eine Weile wird genäht, ehe die Klemme von Ulf Scheriaus Aorta weggenommen werden darf. Das Herz füllt sich mit Blut. Nicht gleich, aber nach einer gewissen Zeit schlägt das Herz wieder – dieses Mal in der Brust von Ulf Scheriau.
Wann aber wird grundsätzlich entschieden, dass ein Patient ein Spenderherz erhält, und kann es jeder Patient bekommen? Ich richte diese Frage an den Leiter der Transplantationsabteilung:
»Prinzipiell ist es so, dass Daten von Patienten, die ein Spenderherz brauchen, von kardiologischen oder intensivmedizinischen Abteilungen uns zugetragen werden. Es gibt eine große Sammlung von Untersuchungen, die wir vorher durchführen müssen, um feststellen zu können, ob ein Patient für eine Transplantation geeignet ist oder ob es Gegenanzeigen gibt. Z. B., ob der Patient aktuell einen Tumor hat. So einen Patienten kann man nicht direkt transplantieren, zumindest nicht herztransplantieren. Es gibt aber auch andere Problembereiche, wie eine fortgeschrittene Nierenoder Lungenschädigung, andere Organsysteme, die stark geschädigt sind, wo wir dann sagen, okay, die Transplantation ist auf der einen Seite mit so viel Gefahr verbunden und auf der anderen Seite ist der wahrscheinliche Gewinn für den Patienten an Lebensqualität nicht so sehr gegeben. Das müssen wir hier ganz genau abschätzen können. Denn eines ist klar: Es gibt immer mehr wartende Patienten und eine sehr beschränkte Anzahl von Organen. Wir müssen die auswählen, die am besten für eine Transplantation geeignet sind. Wenn wir das Gefühl haben, dass der Patient die Regeln, die man nach einer Transplantation als Patient respektieren und einhalten muss, absolut nicht bereit ist einzuhalten, dann ist auch die Transplantation nicht sinnvoll. Hier geht es darum, dass Transplantierte u. a. lebenslang Medikamente nehmen müssen, und wenn sie das nicht tun, wird das transplantierte Organ abgestoßen, und der Patient ist dann tot.«
NACH DER IMPLANTATION
Nur zehn Tage nach seiner Herztransplantation treffen wir Ulf Scheriau wieder. Er spaziert schon mit einem Rollator die Gänge des AKH Wien entlang. Sein Gesicht ist blass und verschwitzt, die Schritte und sein Atem kurz, dennoch steht ihm die Freude ins Gesicht geschrieben. Das lästige Kunstherz, dessen Batterien und Kabel sind weg und sein neues Herz schlägt.
Knapp sieben Stunden hat die Herztransplantation gedauert. Einer der Gründe für diesen langen Eingriff ist auch sein Kunstherz gewesen, das er fast vier Jahre lang tragen musste. »Auch das mussten die Herzchirurgen lösen, bevor das Spenderherz transplantiert werden konnte«, erzählt Ulf Scheriau:
»Als ich drei Tage nach der Transplantation auf der Intensivstation wach geworden bin, war das ein überwältigendes Erlebnis. Dann meine Frau zu sehen und diese Nähe zu spüren: Das war etwas ganz Berührendes und etwas wirklich Schönes und Unterstützendes – genau das, was man sich in solchen Situationen wünscht. Wir haben so ein intaktes Familienleben. Vor Kurzem haben wir das 43. Jahr unseres Kennenlernens gefeiert. Gefeiert unter Anführungszeichen, wir haben uns einfach umarmt. Eine Langzeitbeziehung, die auf einem derartigen Niveau läuft, die schätzt man, und gerade in solchen Phasen braucht man auch diese Nähe und diese Unterstützung dieser lieb gewordenen Personen.«
Eine Herztransplantation ist ein sehr großer medizinischer Eingriff, den auch nicht alle Patienten überleben. Als ich Sie vor zehn Tagen, kurz vor Ihrer Transplantation, getroffen hatte, habe ich Ihr Gesicht als relativ sorgenfrei wahrgenommen!
»Natürlich hat jede Lebenssituation, so wie eine Medaille, zwei Seiten – eine Vorderseite und eine Kehrseite. Ich habe mich nicht auf die Kehrseite konzentriert, sondern auf die Vorderseite. Ich habe mir diese Transplantation gewünscht und bin eigentlich froh darüber. Ich habe gewusst, mit der Kombination meines extrem geschwächten Herzens und der Herzpumpe kann ich nicht ins hohe Alter gehen. Ich habe mich auf dieses Ereignis körperlich und emotional vorbereitet und habe gesagt, Anfang des kommenden Jahres mache ich die Voruntersuchungen und lasse mich dann erstmalig auf die Warteliste setzen. Das Ganze ist ja auch mit einem großen Fragezeichen versehen. Es hätte auch sehr lange dauern können. Ich bin dankbar, dass alles so schnell geschehen ist und ich nicht in eine längere Warteschleife gesetzt wurde. In der Intensivstation ist man an technische Geräte angeschlossen, sodass man das befreiende Gefühl gar nicht spürt. Das befreiende Gefühl und das Gefühl der Freiheit habe ich zum ersten Mal genossen, als der Herzschrittmacher, ein paar Tage nach der Transplantation, weggekommen war und in meinem Körper keine technischen Geräte mehr vorhanden waren.«
So ähnlich wie mit dem Kunstherz?
»Mit dem Kunstherz, man muss das allen Ernstes sagen, das sind schon extreme Einschränkungen. Man ist von einem technischen Gerät abhängig, und wenn es ein Problem hat, dann ist man eigentlich grundsätzlich vier Stunden von den Technikern entfernt. Ich war von den Technikern vier Stunden entfernt. Ich kann mich heute noch erinnern, als ich das erste Mal, nachdem mir das künstliche Herz in Wien implantiert worden war, ins Klinikum Klagenfurt kam, da haben mich Ärzte gefragt, ob sie sich das Kunstherz einmal anschauen können, weil sie es noch nie gesehen hatten. Deswegen ist in so einem Fall ein Wiener besser aufgehoben, weil er innerhalb von zehn Minuten bei den entsprechenden Technikern ist. Ich als ein Klagenfurter brauche vier Stunden, um nach Wien zu kommen. Das ist die Situation in Österreich. Aber was, wenn Sie Ihren Urlaub in Griechenland genießen und plötzlich das Kunstherz irgendwelche Probleme macht? Wer hilft einem? Mein Kunstherz hatte einmal ein technisches Problem. Da musste der Techniker den Motor kurz abschalten und ich habe sofort eine Kreislaufschwäche bekommen