Ein Stück Leben. Zoran Dobric

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Ein Stück Leben - Zoran Dobric

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sind wir endlich draufgekommen, als ich sie gebeten hatte, dass sie den Rettungshubschrauber anfordert, dass da oben am Berg die Handys nicht funktionieren. Dabei haben mich die Beine nicht mehr getragen. Ich musste mich dann dort niederlegen. Meine Frau musste, nachdem wir die letzten Wanderer waren und niemand mehr vorbeigekommen war, eine Dreiviertelstunde alleine zur Hütte laufen.«

      Wie ist es Ihnen währenddessen ergangen, sind Sie bei Bewusstsein geblieben?

      »Ich habe einen Schüttelfrost nach dem anderen bekommen und mir gedacht, ich muss nur bei Bewusstsein bleiben, und dann sind endlich die Bergführer gekommen. Das ist die Problematik bei einem massiven Herzinfarkt – die Bergungskette. Wenn mir das im Büro passiert, dann bin ich spätestens in 20 Minuten im OP und man kann an und für sich den Verschluss meiner Aorta relativ schnell sanieren. Bei mir hat letztendlich die OP mehr als sechs Stunden auf sich warten lassen. Der Hubschrauber ist spät gekommen, ich musste zwei Stunden auf ihn warten, dann war das schon ein Nachtflug, der nur mehr nach Schwarzach-St. Veit durchgeführt wurde. Anschließend musste ich mit dem Rettungsauto in das Klinikum Salzburg gebracht werden. Ich bin dann erst um halb eins nach Mitternacht notoperiert worden.«

      Nach der Notoperation am offenen Herzen, einem dreitägigen künstlichen Koma und vielen Komplikationen danach überlebt Ulf Scheriau den starken Herzinfarkt und dessen schwere Folgen. Doch 2015 wird sein Herz so geschwächt, dass er kaum noch gehen kann. Es vergehen viele Monate, bis er im Wiener AKH die richtige, aber niederschmetternde Diagnose erhält: »Ihr Herz ist nicht mehr überlebensfähig. Eigentlich müssten wir es sofort transplantieren«, teilen ihm die Wiener Kardiologen mit. Doch es ist weder ein Spenderherz da, noch steht Ulf Scheriau auf einer Transplantationsliste. Dabei leidet seine Lunge unter einem großen Innendruck, der ein transplantiertes Herz bald abstoßen würde. Die einzige Chance, die enorme Herzschwäche zu überleben, sei für Ulf Scheriau die Implantation eines Kunstherzens, lautet die ärztliche Prognose. Es ist eine elektrische Pumpe, die direkt am Herzen und an der Aorta des Patienten befestigt, durch Kabel mit Batterien außerhalb des Körpers verbunden und betrieben wird. Ulf Scheriau stimmt dem komplexen chirurgischen Eingriff zu.

      »Ich bin zutiefst dankbar, dass die Medizintechnik sich so weit entwickelt hat. Sie hat mir im Oktober 2015 mit diesem Kunstherz das Überleben ermöglicht. Ich hätte sicherlich nicht mehr auf ein Spenderherz warten können. Ich habe damals zu meiner Frau gesagt: ›Das Leben hat keine Qualität mehr, und wenn es so weitergeht, erlebe ich das Ende des Jahres nicht mehr.‹«

      Fast dreieinhalb Jahre lang lebt Ulf Scheriau mit seinem künstlichen Herzen, ohne Sport und Schwimmen, ohne größere Anstrengung, als er sich Anfang 2019 auf die Warteliste für Transplantationen setzen lässt. In dieser Nacht, nur vier Wochen später, ist es so weit:

      »Wir haben heute den ganzen Tag das Wetter genutzt, um im Garten zu arbeiten, und ich war schon in der Stimmung, schlafen zu gehen. Plötzlich hat das Telefon um 20 Uhr 44 geläutet. Das Telefon ist etwas weiter weg gewesen und ich konnte es nicht erreichen. Plötzlich hat es aufgehört zu läuten. Zwei Minuten später hat es bei meiner Frau geläutet. Als ich mitbekam, dass der Anruf von Wien kommt, da war für mich klar, dass es der Beginn einer längeren Abwesenheit sein wird. Am Telefon war eine Koordinatorin des Transplantationsteams aus dem Wiener AKH. Sie bat meine Frau, mir ihr Handy zu übergeben, und fragte mich anschließend, wie es mir geht, wie ich mich fühle, was ich am Abend gegessen habe. Nachdem ich ihr gesagt habe, dass ich mich gut fühle, hat sie gesagt, in zehn Minuten sei das Rettungsauto da und ich würde vom Flughafen Klagenfurt nach Schwechat gebracht und dann mit dem Rettungsauto ins Wiener AKH. Jetzt sitze ich hier und warte auf die Operation«, erzählt Ulf Scheriau und verabschiedet sich von uns.

      Jetzt muss er sich noch Blut abnehmen und ein Lungenröntgen machen lassen, anschließend wird Ulf Scheriau für den Operationssaal vorbereitet. Doch bevor die Herztransplantation tatsächlich beginnt und sein bereits zweimal operiertes und geschwächtes Herz durch ein »Spenderherz« ersetzt wird, muss er sich auf ein mehrstündiges Warten einstellen. Denn zuerst muss das von ihm gewünschte »neue« Herz einem hirntoten Patienten entnommen werden.

      2019 wurden in Österreich 64 Herzen und weitere 544 vitale Körperorgane (Niere, Leber, Lunge und Bauchspeicheldrüse) von sogenannten Hirntoten und nach einem Kreislaufstillstand verstorbenen, schwer kranken Patienten implantiert. Im selben Jahr warteten insgesamt 837 Menschen auf ein fremdes Organ. Etwa acht bis zehn Prozent der auf ein Herz wartenden Patienten überleben die Zeit des Wartens auf das lebensrettende Spenderherz nicht.

       ORGANENTNAHME

      Wie ist es überhaupt möglich, dass Ärzteteams vom Hirntod eines Patienten so schnell erfahren und daraufhin eine so aufwändige, vier bis fünf Stunden dauernde Operation in derart kurzer Zeit vorbereiten? Vor allem: Wie und wo finden die Ärzte die richtigen Patienten, die die entnommenen Organe erhalten? Für einen Laien wie mich ein nahezu unmögliches Unterfangen. Den Transplantationsteams steht aber dafür ein riesengroßes Sammelsurium an medizinischen, organisatorischen und Transportunternehmen zur Verfügung. Tausende von Menschen europaweit werden in kürzester Zeit mobilisiert und sind in der Lage, gemeinsam auf ein einziges Ziel, die Transplantation eines Organs, hinzuarbeiten.

      Leiter der Transplantationsabteilung:

      »Das ist immer ein Event, den wir nicht vorplanen können. Wir kriegen plötzlich ein Herz-Angebot. Da werden wir von Eurotransplant (gemeinsame Koordinationszentrale für acht EU-Länder, Anm.) kontaktiert. Unser Koordinator nimmt die Daten auf, kontaktiert dann mich, egal wo ich bin oder welche Uhrzeit es ist. Und ich muss anhand der Daten, die ich bekomme, über das Spenderorgan entscheiden: »Ja, es ist von der Qualität sehr gut, oder wir brauchen noch weitere Befunde.« Wenn ja, dann gebe ich grünes Licht, dass die Koordinatoren die Transplantation organisieren. Die müssen einen Operationssaal organisieren, ein Intensivbett, ein Team von Anästhesisten, ein Chirurgenteam, das die Transplantation und die Organentnahme auch durchführt. Mitunter müssen sich Rettung, Hubschrauber, Flugzeug, Spenderspital mit dem Organentnahmezentrum akkordieren, damit alle Teams ihre Aufgaben nach Zeitplan erledigen und diese Operation dort, die Organentnahme, sehr rasch über die Bühne geht. Dann muss alles zeitlich perfekt koordiniert sein, damit das Organ nicht so lange außerhalb des Körpers ist. Das klingt nach sehr viel und ist auch ein unglaublicher Aufwand an Organisation, aber unsere Koordinatoren sind sehr gut geschult und können so eine Transplantation innerhalb von eineinhalb Stunden komplett organisieren.«

      Noch sieht der Operationssaal fast verlassen aus. In der Mitte steht der OP-Tisch, auf dem ein bewusstloser und an die Beatmungsmaschine angeschlossener Mann liegt. Die Anästhesistin blickt abwechselnd auf den Patienten und auf einen Bildschirm. Dabei kontrolliert sie, ob ihre Anästhesiedosierung für den Patienten und die bevorstehende Operation ausreichend ist. Dann werden der Kopf und die jeweils nach links und rechts ausgestreckten Arme des Patienten mit einem grünen Tuch abgedeckt. Zwei OP-Krankenschwestern desinfizieren, rasieren und desinfizieren seinen Brustkorb wieder und auch den Bauch. Vor knapp fünf Stunden wurde bei diesem Patienten der Hirntod diagnostiziert. In einem sechsstündigen Verfahren untersuchten ihn zwei Neurologen unabhängig voneinander und stellten fest, dass die Gesamtfunktionen seines Hirnstamms, Klein- und Großhirns unwiederbringlich erloschen waren. Weil der Hirnstamm für die Steuerung der essenziellen Lebensfunktionen des Menschen, u. a. die Atmung, zuständig ist, bedeutet sein irreversibler Ausfall den sehr baldigen Tod für den Betroffenen. Aufgrund des Sauerstoffmangels erstickt der Mensch, sein Herz kommt zum Stillstand und schon relativ rasch sind die Todeszeichen wie Leichenstarre, Totenflecken und Fäulnis an seinem Körper zu erkennen.

      Mit dem äußeren Absterben des menschlichen Körpers läuft parallel auch ein baldiges und sukzessives Absterben seiner inneren Organe. Genau das müssen die Transplanteure verhindern, möchten sie die inneren Organe eines Hirntoten bei anderen Personen implantieren. Der hirntote Patient kann nicht selbstständig atmen, darum muss er durch eine Beatmungsmaschine mit Sauerstoff versorgt und sein Kreislauf

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