Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May

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herrlich! Wie köstlich! Das gnädige Fräulein können sich mit den Prinzessinnen aller königlichen und kaiserlichen Höfe messen. Dieses Kleid sitzt zum Entzücken schön. Seine Majestät werden die gnädige Baronesse Alma von Helfenstein reizend und bewundernswerth finden!«

      »Doch leider Dich nicht auch!«

      Diese Worte erklangen von der Portière her. Dort stand der Baron Otto von Helfenstein, welcher, von Beiden unbemerkt, eingetreten und die Worte der Zofe vernommen hatte. Seine Antwort hatte einen unfreundlichen, beinahe harten Klang. Er gab der Zofe einen Wink, sich zu entfernen und trat dann, als sie gehorcht hatte, näher. Jetzt erst wurde sein ernstes Gesicht freundlicher.

      »Es ist wahr, liebe Alma,« sagte er »diese Robe kleidet Dich ausgezeichnet. Aber diese Ella lobt zu überschwänglich. Sie hat mir nie gefallen. Sie hat so ein aalglattes, übergeschmeidiges Wesen, und ich kann mich für solche Charaktere nicht erwärmen. Ich glaube, sie ist falsch und heuchelt. Doch nicht, um Dir dies zu sagen, komme ich zu Dir, sondern aus einem anderen Grunde.«

      Es geschah selten, außerordentlich selten, daß der Baron einmal die Gemächer seiner Tochter betrat. Geschah es ja einmal, so gab es ganz gewiß etwas sehr Wichtiges zu verhandeln. Daß dies jetzt auch der Fall sei, war ihm anzusehen.

      Er schritt nach einem Fauteuil, nahm bedächtig darauf Platz und musterte dann die Gestalt Alma's, welche in Erwartung des Kommenden leicht an dem Damenschreibtische lehnend stand.

      »Ich muß wirklich sagen, daß Deine Figur eine tadellose ist,« meinte er, ihr zufrieden zunickend. »Man könnte vielleicht sagen, daß Du eine Schönheit bist. Du brauchst da nicht zu erröthen. Es ist ein Unterschied, ob ein Vater oder ein schmachtender Seladon diese Worte sagt. Ein Mädchen soll sich schmücken, soll aber auch wissen, für wen es sich schmückt. Hast Du Dir diese Frage vielleicht schon aufrichtig vorgelegt?«

      Trotz der soeben gehörten Ermahnung des Vaters trat eine erneute Gluth auf die Wangen des reizenden Mädchens. Was wollte, was beabsichtigte er? Wozu und warum diese eigenthümliche Frage?

      »Nun, magst Du mir nicht antworten?« fuhr er fort.

      »Aber Papa, ich verstehe Dich nicht,« sagte sie, indem sie sich bestrebte, ihr inneres Gleichgewicht zu behalten.

      »Täusche Dich nicht selbst. Ich bin überzeugt, daß Du mich verstehst!«

      »Nun, verstehe ich Dich recht, so meinst du, ob es eine bestimmte Person giebt, für welche ich mich schmücken möchte?«

      »Ja, das meine ich allerdings.«

      »Es giebt keine solche.«

      »Das ist mir in gewisser Beziehung lieb, denn es erleichtert mir die Mitteilung, welche ich Dir zu machen beabsichtige. Du bist ein verständiges Mädchen; ich habe nie bemerkt, daß Du zu Phantastereien hinneigst. Du wirst ganz meiner Ansicht sein, daß unser bevorzugter Stand Rücksichten fordert, welche wir ihm nicht verweigern dürfen. Es kann vorkommen, daß diese Rücksichten mit unserem Herzen, mit unseren Sympathien in Conflict kommen; aber wir sind dennoch gezwungen, ihnen Rechnung zu tragen.«

      Er hielt einen Augenblick inne, wie um zu sehen, welchen Eindruck seine Worte auf die Tochter hervorgebracht hätten. Sie stand still vor ihm; ihre Augen ruhten fragend auf seinem Gesichte. Sie war um einen Schatten bleicher geworden, aber sie sagte nichts. Darum fuhr er fort:

      »Weißt Du bereits, daß ich den Hauptmann von Hellenbach geladen habe?«

      »Sein Name stand mit auf der Liste der Gäste.«

      »Nun, ich verfolge mit ihm einen ganz besonderen Zweck, der für Dich von allergrößtem Interesse ist. Sein Vater war mein intimster Freund, mein liebster Kamerad. Als er starb, machte er mich zum Vormund seines Sohnes und legte mir das Schicksal dieses Letzteren an das Herz. Was hältst Du von dem Hauptmanne?«

      »Er ist kein Genie, aber ein Ehrenmann.«

      »Ich sehe zu meiner Freude, daß Du ihn richtig beurtheilst. Genie's pflegen die Ihrigen selten glücklich zu machen; ein Ehrenmann aber ist stets und vor allen Dingen darauf bedacht, seine beruflichen und familiären Pflichten zu erfüllen. Der Hauptmann ist Dein Verlobter seit langer Zeit!«

      Jetzt machte Alma eine Bewegung größter Ueberraschung. Ein einziger Augenblick hatte genügt, alles Blut aus ihren Wangen zu treiben.

      »Mein – Ver – lobter?« fragte sie beinahe stammelnd.

      »Ja. Ich habe das seinem sterbenden Vater in die Hand versprochen. Du, als brave und verständige Tochter, wirst mir die Erfüllung meines Wortes nicht erschweren. Oder hättest Du Etwas gegen Hellenbach?«

      »Nein,« antwortete sie, noch immer unter dem Eindrucke eines Schreckes, den sie zu verbergen suchte. »Ich habe nichts für und nichts gegen ihn.«

      »Das ist die richtige Stimmung. Standesehen geht man kühl ein. Es ist das eine der wohlberechtigten Eigenschaften unseres Standes. Ich freue mich, daß Du meine Eröffnung ohne alle Leidenschaftlichkeit entgegennimmst. Deine Antwort ist natürlich eine zustimmende, denn diese Verbindung erfüllt alle Ansprüche, welche man auf beiden Seiten vernünftigerweise zu machen berechtigt ist.«

      Jetzt hatte Alma ihre Fassung vollständig wiedererlangt. Sie kannte ihren Vater. Er selbst hatte eine Convenienzheirath eingegangen und mit ihrer Mutter in Eintracht, doch auch nicht in übermäßigem Glücke gelebt. Er trennte sich schwer von einem Plane; offener Widerstand erhitzte ihn. Im gegenwärtigen Falle war es am Gerathensten, äußerlich kühl zu bleiben und über das Weitere in aller Ruhe nachzudenken. Es war ihr, als hätte sie ein Schlag getroffen, ein Schlag in's tiefste Leben hinein, da hinein, wo bisher ein Geheimniß geruht hatte, dessen Lösung ihr noch niemals nahegelegt worden war. Sie verbarg das Gefühl eines plötzlichen Schmerzes, welches so schreckhaft über sie gekommen war, und fragte in möglichst gleichgültigem Tone:

      »Hat der Hauptmann davon gewußt?«

      »Längst.«

      »Und er hielt es nicht für der Mühe werth, mir eine Andeutung zu machen oder mich merken zu lassen, daß er ein nicht ganz gewöhnliches Interesse für mich hegt?«

      »Wozu? Du warst ihm ebenso sicher wie er Dir. Er ist ein stiller, überlegsamer Charakter und kein Brausekopf. Er weiß, daß Ihr vortrefflich zusammenpaßt und hat ruhig abgewartet. Nun die Zeit gekommen ist, wird er mit Dir sprechen. Er trifft bereits heute hier ein, und wie ich ihn kenne, kannst Du dann sofort seine Eröffnung erwarten.«

      Es legte sich ein beinahe bitteres Lächeln um ihren schönen Mund; ihre Finger zuckten krampfhaft in den seidenen Falten des Kleides, und ihr Busen hob sich unter einem tiefen Seufzer, den sie nicht zu unterdrücken vermochte.

      »Habt Ihr Beide nicht ein wenig unvorsichtig gehandelt, lieber Vater?« fragte sie. »Ich wußte nichts von eurem Plane. Wie nun, wenn ein Anderer unterdessen meine Sympathie gewonnen hätte?«

      »Sympathie, Zuneigung, Liebe – pah! Eine Baronesse von Helfenstein kennt ihren Rang und weiß ihn auch gegen solche menschliche Schwachheiten zu behaupten. Mir genügt die Ueberzeugung, daß ich mit Dir zufrieden sein werde!«

      Er war ein guter, freundlicher und splenditer Vater, aber vor allen Dingen Edelmann. Die Standesrücksicht stand ihm wenigstens ebenso hoch wie die Sorge um das Wohl der Seinigen. Alma war wohl zwanzig Jahre lang sein einziges Kind gewesen, und er hatte ihr während dieser Zeit möglichst jeden Wunsch

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