Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman). Karl May

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Der verlorene Sohn - Der Fürst des Elends (Kriminalroman) - Karl May

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zu vertheidigen. Sie hätte sich sagen sollen, daß während der Zeit, als sie von ihm ging und wiederkehrte, sich wirklich ein Anderer seines Gewehres bemächtigen konnte, um den Hauptmann niederzuschießen und ihn dann als Mörder zu bezeichnen. Jetzt traten alle Argumente des Vertheidigers vor ihre Seele; es war ihr, als ob sie plötzlich hellsehend geworden sei. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und rief in jammerndem Tone:

      »Ja, Gustav, Du bist unschuldig! Und ich bin es, ich, die Dich in das Elend gestürzt hat! Kein Gott kann mir verzeihen!«

      Sie beschloß, mit dem ersten Morgenzuge nach Helfenstein zurückzukehren, um dem Förster ihre Schuld zu bekennen und mit ihm zu berathen, wie sein Sohn noch gerettet werden könne. Sie telegraphirte nach Hause nach einem Geschirr, welches sie vom Bahnhofe der Amtsstadt abholen sollte, und stieg dann in das Coupee.

      Sie hatte erste Classe genommen; sie saß ganz allein. Sie blickte nicht hinaus nach den Landschaften, welche der Zug durcheilte, sie hörte nicht auf das, was man sich auf den Bahnhöfen und Anhaltestellen zurief. Allüberall war von dem Brande von Schloß Hirschenau die Rede. Sie war aber so sehr in ihr eigenes Innere versunken, daß sie für alles außer ihr Liegende kein Ohr, kein Hören und Verstehen hatte.

      Endlich war sie angelangt. Halb wie im Traume hörte sie den Namen der Station nennen. Ihr Diener war aus seiner zweiten Classe herbeigeeilt, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Er hatte mehr gehört als sie; er wußte, was geschehen war, und blickte sie mit sichtbarer Besorgniß an. Sie bemerkte dies.

      »Was ist's!« fragte sie. »Was hast Du?«

      »Gnädiges Fräulein, haben Sie denn noch nichts gehört?« antwortete er.

      »Gehört? Nein. Wovon? Was meinst Du denn?«

      Er wurde sehr verlegen, zögerte eine Weile und sagte dann:

      »Es ist etwas Unerwartetes geschehen, etwas, was man sogar unangenehm, sehr unangenehm nennen – – ah, da kommt Einer, der es Ihnen jedenfalls besser sagen kann, als ich.«

      Er trat ehrerbietig zurück. Alma drehte sich um und erblickte – ihren Cousin Franz von Helfenstein.

      Dieser hatte am abgebrannten Schlosse ihre Depesche entgegen genommen und es sich nicht versagen wollen, ihr den Schlag, der sie erwartete, selbst zu übermitteln. Er war also nach dem Bahnhofe gefahren, um sie dort zu empfangen.

      Als sie ihn erblickte, erbleichte sie. Das war der Mörder! Was wollte er hier? Sie nahm sich vor, ihm zu zeigen, wie sehr sie ihn verachte und fragte im stolzesten Tone:

      »Sie hier? Sie fuhren mit demselben Zuge? Ich glaubte, Sie seien bereits gestern zurück gekehrt.«

      Sie nannte ihn Sie; sie blickte ihn mit Augen an, in denen ebenso viel Verachtung wie Abscheu lag. Er schien dies gar nicht zu bemerken, er zuckte leicht die Achseln und sagte:

      »Vielleicht konnten Sie nicht auch sogleich zurückkehren, weil Sie sich mit dem Mörder Ihres Vaters ein Rendez-vous in der Zelle gaben. Ich vermuthe das. Besser wäre es allerdings gewesen, wenn Sie das unterlassen hätten. Sind Sie von dem unterrichtet, was unterdessen in Helfenstein und Schloß Hirschenau geschehen ist?«

      Sie hatte seine freche Beleidigung mit aller Entschiedenheit zurückweisen wollen, aber bei seiner letzteren Frage war sein Auge mit so triumphirendem Hohne auf sie gerichtet, daß ihr das Blut in den Adern stockte. Es durchschauderte sie, als ob er mit gezücktem Degen vor ihr stehe, um ihr einen tödtlichen Hieb zu versetzen.

      »Nein,« antwortete sie leise und zagend.

      »Nicht? So geben Sie mir Ihren Arm. Wir müssen hier ein Zimmer aufsuchen.«

      »Warum soll ich es nicht hier, sondern im Zimmer vernehmen?«

      Er stieß ein kurzes, cynisches Lachen aus und antwortete:

      »Weil Sie in Ohnmacht fallen werden, wie ich im Voraus weiß.«

      Damit zog er sie fort. Sie nahm sich vor, nun grad ihm zum Trotze stark, sehr stark zu sein und nicht in Ohnmacht zu fallen, möge auch kommen, was da wolle. Im Wartezimmer erster Classe angekommen, wo nur wenige Gäste anwesend waren, zog sie ihren Arm aus dem seinigen und sagte:

      »Nun, darf ich um Ihre Mittheilung ersuchen?«

      »Bitte, halten Sie sich an diesem Stuhle fest!« antwortete er höhnisch. »Was ich Ihnen zu melden habe, ist nichts weniger als angenehm. Wünschen Sie, daß ich Ihnen eine vorsichtige Einleitung mache?«

      »Sprechen Sie!« gebot sie ihm stolz und kalt.

      »Gut. Heute Nacht ist Schloß Hirschenau bis auf die Mauern niedergebrannt.«

      Sie erbleichte, doch zeigte sie keine Schwäche.

      »War das Feuer angelegt?« fragte sie.

      »Nein; es war eine Folge der Vernachlässigung, wie man vermuthet. Die Herrin war ja nicht daheim.«

      »Man wird das streng zu untersuchen haben. Der Verlust ist übrigens zu überwinden, da Alles versichert war. Natürlich setze ich da voraus, daß kein Menschenleben dabei beschädigt worden ist.«

      »Das ist leider grad der Fall.«

      Jetzt griff sie wirklich nach der Lehne des Stuhles.

      »Ist Jemand verletzt worden?« fragte sie.

      »Verletzt nicht, aber todt,« meinte er kalt und gleichgiltig.

      »Himmel, wer ist es, wer?«

      »Ihr Bruder ist mit verbrannt.«

      Da fuhr sie auf ihn zu. Ihre Augen wurden starr und gläsern.

      »Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge!« rief sie.

      »Ich sehe, daß Sie unzurechnungsfähig sind; darum verzeihe ich Ihnen. Gehen Sie hinaus! Man hat seine Ueberreste gerettet. Die verkohlten Knochen und der verbrannte Schädel liegen zur Besichtigung bereit.«

      Sie fuhr mit den Händen in die Luft, stieß einen unarticulirten Schrei aus und rief laut und jammernd:

      »Gott! Herrgott, Dein Strafgericht beginnt!«

      Dann sank sie leblos auf den Boden nieder.

      Der Baron wendete sich kalt an ihren Diener, welcher unter der Thür stehen geblieben war:

      »Lassen Sie sich hier ein Zimmer geben, und holen Sie einen Arzt. Ich glaube kaum, daß sie transportabel sein wird, und auf Hirschenau ist leider kein Platz für sie.«

      Damit ging er von dannen, als ob ihre Person ihm ganz und gar fremd und gleichgiltig sei. –

      Am nächsten Morgen kam der Schmied mit seinem Sohne auf seinem Wägelchen nach dem Bahnhofe gefahren. Nachdem er einen Sack Kartoffeln abgeladen und als Passagiergut aufgegeben hatte, fuhr sein Sohn nach Helfenstein zurück, er aber stieg in den Zug, welcher nach der Residenz abging. Dort angekommen, begab er sich sofort nach dem Landesgericht und fragte nach dem neuen Schließer Christian. Dieser kam herbei und erkannte sofort den Gevattersmann seines Vaters. Er freute sich sehr, von demselben besucht zu werden, und fragte ihn, ob seine Eltern den langen Brief erhalten hätten.

      »Ja,«

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