Das magische Buch 3 - Voodoo. Anne-Marie Donslund
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„Die, die noch nicht da waren, versuchen einfach, so gut es geht mitzumachen, okay? Es sind 16 Steps, supereinfach. Ihr lernt das im Handumdrehen!“ So hat es die Tanzlehrerin zu Beginn der Stunde gesagt. Ich möchte behaupten, davon sollte sie nicht so einfach ausgehen.
Vor, drehen links, cha-che oder wie das heißt, drehen rechts... Ah, fuck. Ich rammle direkt in die neben mir. Ich kann sehen, was sie denkt: Trottel!
„Oh, entschuldige...“, sage ich, aber sie sieht nur konzentriert nach vorn, und der Schweiß perlt von ihrer sonnengebräunten Haut.
Im Spiegel sehe ich, wie käseweiß ich dagegen bin.
Wieso durfte ich auch nicht richtig zum Tanzen gehen, also wenn es schon sein muss? In einer richtigen Tanzschule? Da hätten sie eine Anfängergruppe, so viel ist klar. Das hier gehört zur Volkshochschule und Mama sagt, es kostet nur halb so viel, aber ist mindestens genauso gut. Ja, right... Vielleicht stimmt es auch, wenn man vorher schon total tanzverrückt ist, aber das war ich nie.
Ich denke an Anna. Sie fände das hier mega-dämlich! Es ist irgendwie so, als wäre Anna gegen alles, was Mädchen sonst so gut finden. Wenn sie jetzt hier wäre, würde sie sicher vorschlagen zu gehen. Mutig ist sie nämlich auch. Ihr wäre es kackegal, ob sie gut hier drin ist oder nicht. Ich versuche, so auszusehen, als wäre es mir auch total egal. Ich traue mich vielleicht nicht zu gehen, aber ich kann auf jeden Fall auch kalt sein. Ganz kalt, wie Anna.
Neonazis
„Sie wohnt zusammen mit ihrer Schwester in einem Gartenhaus!“ Mamas Stimme ist gereizt und skeptisch, als sie Papa Bericht erstattet. „Was glaubst du, wie alt diese große Schwester dann wohl sein mag?“
„Keine Ahnung, vielleicht 18 oder so“, sage ich, obwohl ich nicht den leisesten Schimmer habe.
„Hat sie keine Eltern?“
„Das hat sie sicherlich“, kommt mir Papa zur Unterstützung. „Bis jetzt ist es nur einmal in der Geschichte der Menschheit vorgekommen, dass ein Kind nur durch den Heiligen Geist empfangen wurde, haha... Jesus Christus!“
Mama lacht in der Regel über Papas schlechte Witze. Aber nicht heute. Also müssen wir das machen, weil er sonst so verloren lächerlich rüberkommt.
Ich lache und boxe Papa etwas gegen den Bauch. In Wirklichkeit weiß ich auch gar nichts von Annas Eltern. Ich hatte mich nicht getraut zu fragen.
Mama schneidet so doll mit ihrem Messer auf dem Teller, dass es gänsehauterregend quietscht. Es ist unglaublich, wie sauer sie das alles macht.
„Ich war heute beim Tanzen“, sage ich, um sie auf andere Gedanken zu bringen. Aber Mama reagiert nicht und Malthes Nasenlöcher vibrieren schon von der ganzen schlechten Stimmung.
„Was ist denn los?“ Papa legt seine Hand auf die von Mama, schon damit sie wenigstens aufhört zu schneiden.
„Sie ist schlechter Umgang!“ Mama nimmt ihre Hand weg und wischt sich den Mund ab.
„Woher willst du das denn wissen? Hast du etwa bei der Arbeit im Amt in ihrer Akte geschnüffelt?“, fragt Papa.
„Nein! Natürlich nicht, aber das ändert nichts daran: Sie ist schlechter Umgang. Man kann es ihr drei Meilen gegen den Wind ansehen.“
„Das stimmt doch gar nicht! Sie ist Vegetarierin!“, sage ich.
„Wie Hitler“, lacht Papa. „Gut zu Kindern und Tieren, aber leider nicht zu Juden.“
„Jap, das hat Anna auch gesagt!“
„Ach ja? Dann ist sie vielleicht auch noch ein Neonazi?“, fragt Mama.
Ahhhhh! Ich halte es nicht mehr aus. Kann sie nicht einfach aufhören? Ist ihnen nicht klar, dass Anna (abgesehen mal von Sven) die Einzige ist, die mit mir reden will? Auch wenn sie gar nicht viel redet. Erst recht nicht Smalltalk. Und auch wenn sie irgendwie etwas komisch ist, so ist sie doch irgendwie nett. Ein paar gleiche Interessen haben wir auch und sie weiß superviel. Als ich sie nach der Numerologie-Sache gefragt habe, hat sie gesagt, sie war es leid, ein Sechser zu sein, weil das bedeuten würde, man sei ein Muttertyp. Aber dann ist ihr aufgefallen, dass sie auch zwei „A“s und damit zwei Nullen im Namen hat. Und Null bei der Numerologie steht für Super-Spiritualität. Anna hat auch erzählt, sie hätte einfach geraten, dass ich etwas von der Magie der Zahlen wisse. Schon wegen den Liebespuppen und weil Julie ja auch ihr Pendel mit am Strand hatte, damals. Das hatte mich dann doch etwas beruhigt. Sie kann also wenigstens nicht meine Gedanken lesen.
Ich habe keine Nullen in meinem Namen, aber dafür habe ich das Magische Buch. Falls Anna und ich irgendwann richtige Freundinnen werden sollten, kann es schon sein, dass ich ihr eines Tages das Buch zeige.
Mama hört gar nicht mehr auf damit, Salat auf unsere Teller zu schaufeln. Wie in aller Welt kann sie dann etwas gegen Vegetarier haben?
„Anna ist wirklich toll“, sage ich. „Und es ist doch supercool mit seiner großen Schwester in einem Gartenhaus zu wohnen. Würdest du nicht auch gerne in einem Gartenhaus mit mir wohnen, Malthe?“
„Doch, ich will im Gartenbaumhaus mit Cille wohnen“, sagt Malthe.
„Ce“, sage ich. „Von jetzt an müsst ihr mich Ce nennen oder Cecilie, aber nicht mehr Cille, das ist kindisch und doof.“
„Das ist es überhaupt nicht“, sagt Mama. „Hat das auch Anna Vegetarierin wie Hitler gesagt?“
„Nein, das sage ich! Aber danke für das gemütliche Abendbrot und gute Nacht!“
Unfassbar! Was habe ich nur für eine verdrehte Familie!
Das Magierhaus
Ich rase vor Wut, als ich mich auf mein Fahrrad schwinge und davon radele. Ich halte es einfach nicht mehr aus, mir Mamas Kritik anzuhören oder Papas schlechte Witze. Vor allem nicht beides zusammen....
Ich fahre runter zum Park. Von weitem sehe ich sie schon: Kasper, Hannes und Sören auf der Skaterrampe. Julie und Helena sind auch da. Sie sitzen oben auf der einen Seite der Rampe und bewundern die Jungs. Ich drehe ab und fahre einen anderen Weg, bevor sie mich entdecken.
Die Liebespuppen liegen immer noch zu Hause auf dem Schreibtisch. Ich habe sie nicht mehr angefasst, und das werde ich sicher auch nicht. Kasper, dieser dämliche Idiot, ist hoffnungslos in Helena verknallt. Er hat anscheinend komplett vergessen, wie schön unsere gemeinsame Zeit in den Sommerferien war. Der Ausflug in den Wald. Oder unser Kinodate... Da haben wir beinahe Händchen gehalten und ich habe ihn auf den Mund geküsst. Hat er das etwa auch vergessen? Er hatte damals ja sogar gefragt, ob wir zusammen zu dieser Klassenparty am Strand fahren, doch genau seit selbiger bin ich nur noch Luft für ihn.
Ich fahre in die Ostsiedlung und weiter auf den kleinen Wegen in Richtung Schrebergärten. Ich nehme den kleinen Pfad entlang der Schienen. Wenn ich mich nicht so schrecklich einsam fühlen würde, fände ich es sicher schön, wie die Sonne langsam riesig und rot hinter den eigentümlichen Häuschen untergeht. Viele von den Häusern sind aus Holz und einige haben einen Flaggenmast vor der Tür. Außerdem stehen Gartenmöbel und Gewächshäuser rund um die Häuser und aus offenen Fenstern tönt Gelächter und Klirren von Geschirr.
Ich