Das magische Buch 3 - Voodoo. Anne-Marie Donslund
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Ich fahre alle Wege hoch und runter, aber von Anna fehlt jede Spur. Erst als ich die letzte Häuserreihe vor dem Wald erreiche, habe ich das Gefühl, ich könnte richtig sein. Hier wächst die Hecke wild und sieht nicht so aus wie die penibel gepflegten Büsche der anderen. Auch der Rasen ist lang und das Unkraut erobert bereits den Fußweg. Außerdem liegt ein Stuhl ohne Beine halb am Ende der Hecke versteckt.
Ich halte an. Durch ein Loch in der Hecke, wo die Blätter ausgefallen sind, sehe ich ein kleines schwarzes Holzhaus mit roten Fenstern und einem Haufen Gerümpel vor der Tür.
„11“ steht auf einen alten Dachziegel gemalt. Es kribbelt in mir vor Aufregung. Anna hatte gesagt, sie würden in der Nummer 11 wohnen! Also muss es hier sein.
„Hallo“, höre ich plötzlich eine Stimme hinter mir sagen. Es ist ein Junge, mindestens 15, würde ich schätzen. Ich habe ihn überhaupt nicht kommen hören und erschrecke mich so doll, dass ich erst in die Hecke falle und mich an den Ästen ratsche und schließlich in dem kleinen Garten vor dem Häuschen lande. Der Junge springt über mein Fahrrad und hilft mir hoch. Er riecht nach Lagerfeuer und trägt eine Mütze.
„Habe ich dich erschrocken?“ Seine Stimme klingt ganz mild.
Ich schüttle mit dem Kopf, aber bemerke, wie ich mir etwas auf die Unterlippe beiße. So wie Malthe es immer macht, wenn er sich erschrocken hat. Ich höre sofort auf damit.
„Das wollte ich nicht... Bist du die neue Freundin von Anna?“
Ich weiß nicht so genau, wie ich darauf antworten soll. Anna ist irgendwie nicht der Typ, den man als seine Freundin bezeichnet. Trotzdem nicke ich.
„Sie sind unterwegs containern. Magst du vielleicht ein Glas Johannisbeersaft? Ich habe ihn selbst gemacht.“
Ni(c)k
Ich schließe mein Fahrrad ab und gehe zurück in den Garten, nur dass ich dieses Mal die Pforte benutze und nicht die Hecke. Der Junge verschwindet im Haus. Die Fenster sind ziemlich staubig und drinnen ist es dunkel. Die Gardinenstange ist auch auf der einen Seite abgefallen und im Fensterrahmen steht eine Menge Kram rum. Gut, dass Mama nicht hier ist.
Der Junge kommt mit zwei Gläsern Saft zurück.
„Du bist dann Ce, richtig?“
Ich nicke. Hat Anna etwa von mir erzählt?
„Ich bin Nik“, sagt er.
Ich lächle ihn an, während ich beginne zu rechnen N-I-K: N macht 12, also =3, I=1 und K=0.
3+8+0=11. 1+1=2.
Nik ist ein Zweier! Genau wie ich, Cecilie. Es ist schon verrückt mit diesen Zahlen! Und er sieht so gut aus... Ich bekomme fast schon Gänsehaut. Er guckt mich an, als könne er mich wie ein offenes Buch lesen. Ich versuche ganz gelassen auszusehen.
„Ich bin ein Fünfer“, sagt er schließlich und nimmt einen Schluck Saft.
Was? Ich rechne noch einmal nach.
„Ähm?“, kriege ich hervorgestammelt und sehe offenbar ausreichend verwirrt aus, um eine Erklärung zu kriegen.
„Naja... Anna meinte, du interessierst dich auch für Zahlen... also Numerologie?“ Nik hat den Kopf auf Seite gelegt und sieht abwartend zu mir.
„Schon ja, aber ich dachte, du wärst... äh...“ Ich fühle mich plötzlich schrecklich unwissend und spüre wie meine Wangen rot anlaufen.
„Ein Elfer?“, fragt Nik. „Oder ein Zweier?“
„Ja, ein Zweier!“
„Ich werde aber mit C geschrieben und 11 ist die Zahl des Magiers? Hast du davon schon gehört? Halt mal!“ Nick drückt mir die Gläser in die Hand und läuft zurück ins Haus.
Von weiter weg kann ich hören, wie Menschen munter miteinander anstoßen und sich zuprosten. Grillgeruch zieht über die Hecken hinweg.
Nick kommt mit einer Decke zurück und wirft sie vor uns ins Gras. Sie segelt über den Löwenzahn zu Boden.
„Setz dich, bei dem Wetter wäre es schade, drinnen zu sein.“ Er setzt sich auf die Decke und klopft auf den Platz neben sich.
„Äh... Kommt Anna denn bald?“, frage ich und bleibe mit den Gläsern in der Hand stehen. Ich weiß auch gar nicht mehr, aus welchem er getrunken hatte.
„Setzt dich einfach, ich werde dich schon nicht beißen.“ Nicks Augen funkeln mir entgegen. Sie leuchten im Sonnenuntergang und sehen aus wie furchtbar teure Edelsteine.
Ich setze mich also auf die Decke. Blöd nur, dass der Saft dabei überschwappt, direkt auf meine Shorts. Nick nimmt die Ecke der Decke und wischt es weg.
„Gib mir mal die Gläser“, sagt er.
Ich setze mich zurecht, während er mich schweigend beobachtet. Dann bekomme ich das eine Glas zurück und probiere den Saft. Jetzt würde ich mir wüschen, ich hätte das, aus dem er schon getrunken hatte.
„Schmeckt dir der Saft?“
Ich nicke und nehme noch einen Schluck. Mein Herz schlägt wie verrückt, aber ich bin jetzt wirklich an der Reihe, etwas zu sagen.
„Ok, aber was hat es dann mit den Elfern auf sich?“, frage ich. „So viel weiß ich zu denen nicht.“
„Wenn deine Zahl 11 ergibt, reduzierst du sie nicht weiter auf zwei. 11 ist eine Meisterzahl, genauso wie 22.
„Aha...“
„11 ist die Zahl des Magiers und deshalb besonders mächtig. Hier im Haus ist nur Platz für einen Elfer und deshalb habe ich ein C in meinen Namen eingefügt. N-I-C-K!“
„Aber wer ist der andere Elfer?“
Zwei Fahrradklingeln schlagen auf der anderen Seite der Hecke Alarm. Nick springt sofort auf, um die Gartenpforte zu öffnen.
„Hi, ihr zwei!“ Seine Stimme ist leicht und fröhlich. „Guck mal Anna, du hast Besuch!“
Ich drehe mich um und sehe wie Anna und die, die wohl ihre Schwester Sofia sein muss, von ihren Fahrrädern steigen. Nick nimmt einen Beutel aus dem Fahrradkorb und guckt rein.
„Wir haben jetzt nicht so viel gekriegt“, sagt Sofia. „Aber es wird später extrem viel im Aldi aussortiert, das können wir dann heute Nacht holen gehen, falls der blöde Köter nicht da ist. Aber das hier sollte für ein Abendbrot reichen.... Hi...“, sagt sie dann und guckt zu mir. „Du musst Ce sein.“
Ich nicke. Anna sieht böse aus.
„Wie hast du mich gefunden?“, fragt sie eiskalt.
„Äh... ich, äh... bin einfach ein bisschen umhergefahren. Ich habe mich mit meiner Mutter gestritten und dann...“
Anna lächelt und ihr Gesicht leuchtet auf.