Reise zum Mittelpunkt der Erde. Jules Verne
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reise zum Mittelpunkt der Erde - Jules Verne страница 7
Ich erblickte in diesem Bild die treue Genossin meiner Arbeiten und Freuden. Sie half mir tagtäglich die köstlichen Steine meines Onkels ordnen, dieselben mit Etiketten versehen. Fräulein Gretchen war in der Mineralogie sehr stark! Sie hätte darin mehr als einen Gelehrten zurechtweisen können. Sie befasste sich gerne damit, schwierige Fragen der Wissenschaft zu ergründen. Welche süße Stunden hatten wir mit gemeinsamen Studien hingebracht! Und wie oft beneidete ich die fühllosen Steine um das Glück, von ihren reizenden Händen betastet zu werden!
Hernach, wann die Erholungszeit kam, wandelten wir miteinander durch die belaubte Alsterallee und besuchten zusammen die alte beteerte Mühle, die sich am Ende des Sees so gut ausnimmt; unterwegs plauderten wir Hand in Hand. Ich erzählte ihr Dinge, worüber sie herzlich lachte. So kamen wir bis zum Elbufer und nachdem wir den Schwänen, die zwischen den großen weißen Seerosen schwimmen, gute Nacht gesagt, begaben wir uns mit dem Dampfboot wieder zum Kai.
Als ich in meinem Träumen hier ankam, ward ich von meinem Onkel durch einen Faustschlag auf den Tisch gewaltsam in die Wirklichkeit zurückgerufen.
»Sehen wir«, sagte er, »die erste Idee, die sich dem Geist darbietet, um die Buchstaben einer Phrase aus ihrer Ordnung zu bringen, besteht, dünkt mir, darin, dass man die Worte, anstatt horizontal, vertikal schreibt. Wir müssen anschauen, was dabei herauskommt. Axel, schreib irgendeinen Satz auf diesen Zettel, aber anstatt die Buchstaben nebeneinander zu stellen, setze sie in vertikalen Reihen einen nach dem anderen, und zwar in Gruppen von fünf bis sechs.«
Ich begriff, wie es gemeint war, und schrieb sogleich von oben nach unten:
»Gut«, sagte der Professor, ohne gelesen zu haben. »Jetzt schreibe diese Worte in eine horizontale Zeile.«
Ich gehorchte und bekam folgende Phrase:
Jermtt chdzeech lilise ichinGn ehchgr! be,ue
»Ganz recht«, sagte mein Onkel, und riss mir den Zettel aus der Hand, »das sieht schon aus wie das alte Dokument: Die Vokale stehen so wie die Konsonanten in der nämlichen Unordnung gruppiert; da sind selbst Anfangsbuchstaben sowie Komma in der Mitte der Worte, ganz wie in dem Pergament des Saknussemm!«
Ich konnte nicht umhin, diese Bemerkung für recht sinnreich zu halten.
»Nun«, fuhr mein Onkel fort, »um die Phrase, welche du geschrieben hast, und deren Inhalt ich nicht kenne, zu lesen, brauch’ ich nur zuerst den ersten Buchstaben jedes Wortes zusammenzureihen, dann jeden zweiten, hernach den dritten usw.«
Und mein Onkel las zu seinem und meinem größten Erstaunen:
Ich liebe dich herzlich, mein gutes Gretchen!
»Oho!« sagte der Professor.
Ja, unversehens hatte ich als verliebter Tölpel diese verräterische Zeile geschrieben!
»So! Du liebst Gretchen?« fuhr mein Onkel in echtem Vormünderton fort.
»Ja … Nein …«, stotterte ich.
»Du liebst also Gretchen!« wiederholte er maschinenmäßig. »Nun, wenden wir mein Verfahren auf das fragliche Dokument an.«
Mein Onkel war schon wieder in das Nachsinnen, welches ihn ganz in Anspruch nahm, versunken, dass er bereits meine unvorsichtigen Worte vergaß. Ich sage unvorsichtigen, denn der Kopf des Gelehrten konnte die Herzensangelegenheiten nicht begreifen. Aber zum Glück hatte die große Angelegenheit des Dokuments das Übergewicht.
Im Begriff, seinen Hauptversuch zu machen, sprühten des Professors Augen Blitze durch seine Brille hindurch. Mit zitternden Händen nahm er das alte Pergament wieder zur Hand. Er war von ernster Bewegung ergriffen. Endlich hustete er tüchtig und diktierte mir mit würdigem Ton, indem er der Reihe nach zuerst den ersten Buchstaben, dann den zweiten jedes Wortes zusammennahm, die folgenden Gruppen:
mmessunkaSenrA.icefdoK.segnittamurtn
ecertserrette,rotaivsadua, ednecsedsadne
lacartnllluJsiratracSarbmutabiledmek
meretarcsilucolsleffenSnl
Als ich sie fertig hatte, war ich, offen gestanden in Gemütsbewegung. In diesen Buchstaben hatte ich gar keinen Sinn zu erkennen vermocht; ich war also darauf gespannt, des Professors Lippen würden stattlich eine Phrase prachtvollen Lateins hören lassen.
Aber wer hätte das gedacht! ein heftiger Faustschlag erschütterte den Tisch, dass die Tinte emporspritzte, die Feder meinen Händen entfiel.
»Das ist’s nicht!« schrie mein Onkel, »das hat keinen Sinn!« Darauf stürzte er rasch wie eine Kugel durch das Kabinett, wie eine Lawine die Treppe hinab, auf die Königstraße und entfloh aus Leibeskräften.
Viertes Kapitel
»Er ist fort«, rief Martha, die herbeigelaufen kam, als er die Haustür so heftig zuschlug, dass von dem Schmettern das ganze Haus erschüttert wurde.
»Ja«, erwiderte ich, »ganz und gar fort!«
»Nun! Und sein Mittagessen?« sagte die alte Dienerin.