Reise zum Mittelpunkt der Erde. Jules Verne

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Reise zum Mittelpunkt der Erde - Jules Verne Jules Verne bei Null Papier

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Ka­min war noch ein we­nig Feu­er. Ich er­griff nicht al­lein das Blatt Pa­pier, son­dern auch das Per­ga­ment des Sak­nus­semm; mit fie­ber­haft zit­tern­der Hand war ich im Be­griff, es mit­ein­an­der auf die Koh­len zu wer­fen, und so das ge­fähr­li­che Ge­heim­nis zu ver­nich­ten. Da öff­ne­te sich die Tür des Zim­mers und mein On­kel trat ein.

      Ich hat­te nur noch Zeit, das un­glück­se­li­ge Do­ku­ment wie­der auf den Tisch zu le­gen.

      Der Pro­fes­sor Li­den­b­rock schi­en gänz­lich er­schöpft. Der ihn be­herr­schen­de Ge­dan­ke ließ ihm kei­nen Au­gen­blick Ruhe; er hat­te wäh­rend sei­nes Spa­zier­gangs of­fen­bar die Sa­che durch­forscht, zer­glie­dert, alle Hilfs­quel­len sei­nes Geis­tes er­schlos­sen, und er kam zu­rück, einen neu­en Ge­dan­ken in An­wen­dung zu brin­gen.

      In der Tat setz­te er sich in sei­nen Lehn­stuhl, er­griff die Fe­der und fing an, For­meln nie­der­zu­schrei­ben, die ei­nem al­ge­brai­schen Re­chenexem­pel gli­chen.

      Mei­ne Bli­cke be­glei­te­ten sei­ne zit­tern­de Hand; ich ließ mir nicht eine ein­zi­ge sei­ner Be­we­gun­gen ent­ge­hen. Soll­te wohl un­ver­se­hens ein un­ver­hoff­tes Re­sul­tat sich er­ge­ben? Ich zit­ter­te, doch ohne Grund, denn da die ein­zig rich­ti­ge Ver­bin­dungs­wei­se be­reits auf­ge­fun­den war, so muss­te not­wen­dig je­des an­de­re Nach­for­schen ver­geb­lich sein.

      Drei Stun­den lang ar­bei­te­te mein On­kel, ohne zu re­den, ohne den Kopf zu he­ben, tilg­te aus, fuhr fort, ra­dier­te, fing tau­send­mal von Neu­em an.

      Ich wuss­te wohl, dass, wenn er’s da­hin bräch­te, die­se Buch­sta­ben in alle mög­li­chen Ver­bin­dun­gen mit­ein­an­der zu brin­gen, die Phra­se da­bei her­aus­käme. Aber, ich wuss­te auch, dass aus nur zwan­zig Buch­sta­ben sich zwei Quin­til­lio­nen, vier­hun­dertzwei­und­drei­ßig Qua­dril­lio­nen, neun­hun­dert­und­zwei Tril­lio­nen, acht Mil­li­ar­den, hun­dert­sechs­und­sieb­zig Mil­lio­nen, sechs­hun­dert­vier­zehn­tau­send Ver­bin­dun­gen bil­den las­sen. Nun wa­ren in der Phra­se hun­dertzwei­und­drei­ßig Buch­sta­ben vor­han­den, und die­se hun­dertzwei­und­drei­ßig er­ga­ben eine An­zahl ver­schie­de­ner Phra­sen, die aus hun­dert­drei­und­drei­ßig Zif­fern min­des­tens be­stan­den, eine Zahl, die fast zu zäh­len un­mög­lich ist, und über alle Schät­zun­gen hin­aus­geht.

      Ich war be­ru­higt in Hin­sicht die­ses he­ro­i­schen Mit­tels, das Pro­blem zu lö­sen.

      In­zwi­schen ver­floss die Zeit; es ward Nacht; der Lärm der Stra­ßen ver­stumm­te; mein On­kel, stets über sei­ner Auf­ga­be, sah nichts, selbst die gute Mar­tha nicht, als sie die Tür öff­ne­te; er hör­te nichts, selbst die Stim­me die­ser gu­ten Die­ne­rin nicht, als sie sag­te:

      »Wird der Herr die­sen Abend spei­sen?«

      Auch Mar­tha muss­te ohne Ant­wort sich zu­rück­zie­hen.

      Ich mei­nes­teils, nach­dem ich ei­ni­ge Zeit wi­der­stan­den, ver­fiel in einen un­über­wind­li­chen Schlaf, und ich schlief an ei­nem Ende des Kana­pee ein, wäh­rend mein On­kel Li­den­b­rock im­mer fort­rech­ne­te und stets aus­strich.

      Als ich am fol­gen­den Mor­gen wie­der er­wach­te, war der un­er­müd­li­che For­scher im­mer noch bei der Ar­beit. Sei­ne ro­ten Au­gen, sei­ne blei­far­bi­ge Haut, sei­ne ver­wirr­ten Haa­re un­ter sei­ner fie­ber­haf­ten Hand, sei­ne ge­röte­ten Wan­gen ga­ben hin­läng­lich sei­nen Kampf mit dem Un­mög­li­chen zu er­ken­nen, und in wel­cher Er­schöp­fung des Geis­tes, wel­cher An­stren­gung des Ge­hirns ihm die Stun­den ver­flie­ßen muss­ten.

      Wahr­lich, er dau­er­te mich. Trotz der Vor­wür­fe, die ich glaub­te ihm ma­chen zu dür­fen, war ich ei­ni­ger­ma­ßen ge­rührt. Der arme Mann war der­ma­ßen von sei­ner Idee be­fan­gen, dass er sich zu er­zür­nen ver­gaß. Alle sei­ne Le­bens­kräf­te kon­zen­trier­ten sich auf einen ein­zi­gen Punkt, und da sie nicht ih­ren ge­wöhn­li­chen Ablei­tungs­weg hat­ten, so konn­te man fürch­ten, es wer­de ihre Span­nung ihm je­den Au­gen­blick den Kopf zer­spren­gen.

      Ich konn­te den ei­ser­nen Schraub­stock, worin sein Schä­del ge­spannt war, mit ei­ner Hand­be­we­gung, mit ei­nem ein­zi­gen Wort ihm lo­ckern! Und ich tat’s nicht.

      Doch war ich gut­mü­tig. Wes­halb blieb ich denn stumm un­ter sol­chen Um­stän­den? Im ei­ge­nen In­ter­es­se mei­nes On­kels.

      »Nein, nein«, sag­te ich wie­der­holt, »nein, ich wer­de nicht re­den! Er wür­de hin­rei­sen wol­len, ich ken­ne ihn; nichts wür­de ihn zu­rück­hal­ten kön­nen. Es ist ein vul­ka­ni­scher Ge­dan­ke, und um zu tun, was an­de­re Geo­lo­gen nicht ge­tan ha­ben, wür­de er sein Le­ben ris­kie­ren. Ich will schwei­gen; ich will das Ge­heim­nis, in des­sen Be­sitz mich der Zu­fall ge­setzt hat, für mich be­hal­ten! Es ihm mit­zu­tei­len wäre sein Tod. Er mag’s er­ra­ten, wenn er kann. Ich will mir nicht einen ein­zi­gen Tag den Vor­wurf auf­bür­den, ihn in sein Ver­der­ben ge­führt zu ha­ben!«

      Nach­dem ich die­sen Ent­schluss ge­fasst hat­te, kreuz­te ich die Arme und war­te­te ab. Aber ich hat­te doch die Rech­nung ohne den Wirt ge­macht.

      Als die gute Mar­tha aus dem Hau­se auf den Markt ge­hen woll­te, fand sie die Tür ver­schlos­sen, und es war kein Schlüs­sel im Schloss. Wer hat­te ihn weg­ge­nom­men? Of­fen­bar mein On­kel, als er am Abend von sei­nem Aus­gang heim­ge­kehrt war.

      Ich kreuzte die Arme und wartete ab. Ich kreuzte die Arme und wartete ab.

      War’s ab­sicht­lich oder aus Ver­se­hen? Woll­te er uns der Pein des Hun­gers aus­set­zen? Das wäre doch ein we­nig stark. Wie! Mar­tha und ich, wir soll­ten un­ter der Ver­le­gen­heit lei­den, die uns auf der Welt nichts an­ging? Ganz ge­wiss, und ich er­in­ner­te mich ei­nes an­de­ren Fal­les der Art, wel­cher uns in Schre­cken set­zen konn­te. In der Tat, vor ei­ni­gen Jah­ren, zur­zeit als mein On­kel an sei­ner großen mi­ne­ra­lo­gi­schen Klas­si­fi­ka­ti­on ar­bei­te­te, ent­hielt er sich ein­mal achtund­vier­zig Stun­den des Es­sens, und das gan­ze Haus muss­te sich die­ser wis­sen­schaft­li­chen Diät fü­gen. Ich be­kam da­mals Ma­gen­krämp­fe, die ei­nem Jun­gen von et­was ge­frä­ßi­gem Cha­rak­ter sehr we­nig er­quick­lich wa­ren.

      Nun dünk­te es mich, das Früh­stück wer­de eben­so in Aus­fall kom­men, wie tags zu­vor das Abendes­sen. Doch ent­schloss ich mich, he­ro­isch zu sein, und den For­de­run­gen des Ma­gens nicht nach­zu­ge­ben. Mar­tha nahm das sehr ernst und ward trost­los, die gute Frau. Mir mach­te die Un­mög­lich­keit, das Haus ver­las­sen zu kön­nen, viel zu schaf­fen, aus gu­tem Grun­de.

      Mein On­kel ar­bei­te­te im­mer­fort; sei­ne Fan­ta­sie ver­lor sich in der idea­len Welt der Kom­bi­na­tio­nen; er leb­te fern von der Erde, und wahr­haf­tig au­ßer­halb der ir­di­schen Be­dürf­nis­se.

      Ge­gen

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