20.000 Meilen unterm Meer. Jules Verne
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„Ned-Land!“ Er schrie wild den Namen des Harpuniers.
Der Kanadier kam.
„Na, Meister Land? Werden Sie mir jetzt noch raten, meine Boote ins Meer zu lassen?“
„Nein, Kapitän, denn dieses Tier läßt sich so nicht fangen.“
„Was soll man also tun?“
„Womöglich die Dampfkraft steigern! Mit Ihrer Erlaubnis will ich mich auf den Wassersteg verfügen und, sobald wir auf Harpunenlänge kommen, harpunieren!“
„Tun Sie das, Ned“, stimmte der Kommandant zu und gab Befehl: „Volldampf“.
Ned-Land begab sich auf seinen Posten. Die Schraube drehte sich auf höchsten Touren, und der Dampf strömte aus den Klappen. Man fuhr mit äußerster Kraft.
Aber das verdammte Tier schwamm mit gleicher Geschwindigkeit.
Noch eine Stunde lang setzte die Fregatte dieses Manöver fort, ohne eine Klafter zu gewinnen! Ein stiller Zorn ergriff die Mannschaft; die Matrosen fluchten!
Der Ingenieur wurde abermals gerufen.
„Haben Sie den höchsten Grad des Dampfes?“ fragte der Kommandant.
„Ja“, erwiderte der Ingenieur.
„Noch stärker feuern!“
Der Ingenieur gehorchte. Aber das Ungeheuer „heizte“ ohne Zweifel auch, denn es holte ebenfalls auf.
Welch eine Verfolgung! Einige Male konnte man dem Tier nahekommen. Ich war ungemein erregt.
„Wir bekommen es! Wir bekommen es!“ rief der Kanadier. Sowie er aber die Harpune auf das Ungetüm schleudern wollte, entwischte es mit einer unvorstellbaren Schnelligkeit. Und selbst bei unserer höchsten Kraft schien es die Fregatte durch sein Spiel zu höhnen!
Um zwölf Uhr waren wir noch nicht weiter als um acht. Nun entschloß sich Kommandant Farragut zu drastischeren Mitteln.
„Zum Teufel! Das Tier ist schneller als der „Abraham Lincoln“! Nun, wir wollen sehen, ob es seinen Spitzkugeln sich auch entziehen wird. Bedienung! An das Geschütz vorne!“
Die Kanone des Vorderkastels wurde unverzüglich geladen und aufgeprotzt. Die Kugel wurde abgeschossen, sie fuhr aber einige Fuß über dem Tiere weg.
„Ein anderer, der es besser versteht!“ rief der Kommandant, „und fünfhundert Dollars dem, der die höllische Bestie trifft!“
Ein alter, graübärtiger Kanonier mit ruhigem Blick und kalten Gesichtszügen trat hinzu, richtete und visierte lange. Ein Schuß krachte, und die Mannschaft jubelte Hurra.
Die Kugel traf, aber nicht regelrecht; sie glitt an der runden Fläche ab und fuhr ins Meer.
„Teufel!“ schrie der Kanonier erbost, „der Kerl ist sechs Zoll dick gepanzert!“
„Verdammt!“
Die Jagd ging von neuem an, und der Kommandant sprach zu mir:
„Ich gebe nicht auf und sollte die Maschine zum Teufel gehen!“
„Ja“, erwiderte ich, „Sie haben recht!“
Man mochte hoffen, das Tier werde ermüden; aber es verflossen Stunden ohne ein Anzeichen von Ermüdung.
Übrigens muß man anerkennen, daß der „Abraham Lincoln“ mit unermüdlicher Ausdauer kämpfte. Aber es kam die Nacht und hüllte das unruhige Meer in Dunkel.
So glaubte ich denn schon, unsere Expedition wäre zu Ende, und wir bekämen das Tier nicht mehr zu Gesicht. Ich irrte. Um zehn Uhr fünfzig Minuten kam die elektrische, helle Stelle wieder zum Vorschein, drei Meilen von der Fregatte, so rein und stark wie in der vorigen Nacht.
Der Narwal schien unbeweglich. Vielleicht schlief er vor Ermüdung und wiegte sich in dien Wogen? Das wollte der Kommandant benutzen.
Er erteilte seine Befehle. Der „Abraham Lincoln“ fuhr mit schwachem Dampf vorsichtig, um seinen Gegner nicht zu wecken. Man trifft nicht selten die Walfische auf offener See in tiefem Schlaf und greift sie dann mit Vorteil an. Ned-Land hatte manche während des Schlafes harpuniert. Der Kanadier begab sich wieder auf seinen Posten am Bugspriet.
Die Fregatte näherte sich geräuschlos, hielt zwei Kabellängen weit von dem Tier an. Man hörte an Bord keinen Atemzug, tiefes Schweigen herrschte auf dem Verdeck. Wir befanden uns keine hundert Fuß von dem glühenden Brennpunkt, dessen Glanz zunahm und die Augen blendete.
In dem Augenblick sah ich am Geländer des Vorderkastells Ned-Land über mir, wie er mit starker Hand die fürchterliche Harpune schwang. Kaum zwanzig Fuß von dem Tiere entfernt, schleuderte er mit kräftigem Arm seine Waffe; ich hörte laut das Anprallen derselben, als habe sie einen harten Körper getroffen.
Die elektrische Helle erlosch plötzlich, und zwei enorme Wasserstrudel entluden, gleich einem reißenden Strom, sich auf das Verdeck der Fregatte, warf die Mannschaft zu Boden, zerriß die Bindseile.
Ein furchtbarer Stoß schleuderte mich über die Sente ins Meer.
Ich wurde sofort etwa zwanzig Fuß in das Meer gerissen. Als guter Schwimmer verlor ich bei dem Untertauchen nicht den Kopf. Zwei kräftige Stöße mit den Fersen brachten mich wieder an die Oberfläche.
Sofort suchte ich die Fregatte. Hatte die Mannschaft mein Verschwinden gemerkt? Hatte der „Abraham Lincoln“ sich gedreht? Hatte der Kommandant Farragut ein Boot ins Meer gelassen? Durfte ich auf Rettung hoffen?
Tiefes Dunkel ringsum. Ich sah im Osten eine schwarze Masse verschwinden, deren leuchtende Feuer in der Ferne verloschen. Es war die Fregatte. Jetzt hielt ich mich für verloren.
„Zu Hilfe! Hilfe!“ schrie ich. Ich vermochte kaum mehr eine Bewegung zu machen.
Meine Kleider hinderten mich. Sie klebten im Wasser an meinem Leibe. Ich sank unter! Die Luft ging mir aus . . .!
„Zu Hilfe!“ Nun kam das Ende.
Mein Mund schluckte Wasser! . . . Wasser. In den Abgrund versinkend zappelte ich . . . Plötzlich wurden meine Kleider von kräftiger Hand gefaßt, ich fühlte mich ungestüm an die Oberfläche des Meeres emporgezogen, und ich hörte, ja, ich hörte diese Worte mir ins Ohr geschrien:
„Wenn mein Herr die große Güte haben will, sich auf meine Schultern zu stützen, wird er viel bequemer schwimmen.“
„Du!“ gurgelte ich, „du!“
„Ich“, Conseil sprach ruhig wie daheim, „und zu meines Herrn Befehl!“
„Der Stoß . . . hat dich . . . zugleich mit mir . . . ins Meer geschleudert . . .?“
„Keineswegs. Da ich in meines Herrn Dienst stehe, bin ich ihm nachgesprungen.“
Der Brave! Aber mein Hirn arbeitete fieberhaft.
„Und die Fregatte?“