Die Propeller-Insel. Jules Verne
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Читать онлайн книгу Die Propeller-Insel - Jules Verne страница 6
»Wo befinden wir uns denn jetzt, guter Mann?«
»Fünf (amerikanische) Meilen von Freschal.«
»Ist das etwa Eisenbahnstation?«
»Nein … ein Dorf in der Nähe der Küste.«
»Würden wir dort einen Wagen finden?«
»Einen Wagen wohl nicht, vielleicht aber einen Karren …«
»Einen Ochsenkarren, wie zurzeit der Merowinger!« ruft Pinchinat.
»Das kann uns auch gleichgültig sein«, meint Frascolin.
»Frage lieber«, nimmt Sébastien Zorn wieder das Wort, »ob sich in dem Neste, dem Freschal, ein Gasthaus vorfindet.«
»Jawohl, das gibt’s; dort hätten wir einen kurzen Halt gemacht.«
»Und um nach diesem Dorfe zu gelangen, brauchen wir nur der Landstraße zu folgen?«
»Ganz gradeaus.«
»Dann also marsch!« befiehlt der Violoncellist.
»Es wäre doch grausam, den wackeren Mann hier in seiner Not liegen zu lassen«, bemerkt Pinchinat. »He, guter Freund, wenn wir Sie nun unterstützen, könnten Sie dann nicht …«
»Ganz unmöglich!« antwortet der Kutscher. »Übrigens ziehe ich es vor, hier, bei meinem Wagen zu bleiben. Wenn’s erst wieder Tag wird, werd’ ich schon sehen, wie ich fortkomme.«
»Wenn wir in Freschal sind«, bemerkt Frascolin, »könnten wir Ihnen ja Hilfe schicken.«
»Ja, der dortige Gastwirt kennt mich und wird mich nicht in der Not sitzenlassen.«
»Geht’s nun fort?« mahnt der Violoncellist, der seinen Instrumentenkasten schon aufgerichtet hat.
»Sofort«, erwidert Pinchinat. »Vorher wollen wir unseren Kutscher nur dort an die Erdwand hinüberschaffen.«
Natürlich war es einfache Menschenpflicht, den Mann von der Landstraße wegzubringen, und da er sich seiner schwerverletzten Beine nicht bedienen konnte, hoben Pinchinat und Frascolin ihn auf, trugen ihn nach der Seite des Weges und lagerten ihn zwischen die oberirdischen Wurzeln eines dicken Baumes, dessen herabhängende, unterste Zweige fast eine Blätterlaube bildeten.
»Na, wird’s nun endlich?« drängt Sébastien Zorn zum dritten Male, nachdem er sich den Violoncellkasten schon mittels mehrerer Riemen so gut wie möglich auf den Rücken geschnallt hatte.
»So, das wäre geschehen«, sagte Frascolin gelassen.
Dann wendet er sich noch mal an den Wagenführer.
»Es bleibt also dabei; der Gastwirt von Freschal sendet Ihnen Hilfe. Haben Sie bis dahin noch ein besonderes Bedürfnis, guter Freund?«
»Ach ja«, antwortet der Mann, »nach einem tüchtigen Schluck Gin, wenn in Ihren Korbflaschen davon noch etwas übrig ist.«
Pinchinats Flasche ist noch ganz voll, und Seine Hoheit bringt willig das kleine Opfer.
»Nun, Männchen«, sagt er lächelnd, »damit werden Sie die Nacht über wenigstens innerlich nicht frieren!«
Eine letzte dringliche Mahnung des Violoncellisten bestimmt seine Gefährten endlich, sich in Bewegung zu setzen. Es ist ein Glück, dass deren sonstiges Gepäck im Güterwagen des Zugs geblieben ist, statt dass sie es mit auf die Kutsche verladen hätten. Trifft dasselbe in San Diego auch mit einiger Verspätung ein, so bleibt unseren Musikern doch die Beschwerde erspart, es jetzt nach dem Dorfe Freschal zu befördern. Es ist schon genug an den Violinenkästen, und an dem Violoncellkasten mehr als genug. Ein seines Namens würdiger Instrumentalist trennt sich freilich niemals von seinem Instrumente – so wenig, wie ein Soldat von seinen Waffen oder eine Schnecke von ihrem Hause.
1 Im Original »mi sur le do«, ein deutsch nicht wiederzugebendes Wortspiel, da mi und do die Noten C und E bedeuten, ohne Rücksicht auf Rechtschreibung aber auch als »gelegt« und »Rücken« verstanden werden können. (Anm. d. Übersetzers.) <<<
2 Quetschung <<<
3 Französisch »Son Altesse«, hier als unübertragbares Wortspiel von »alto« (Bratsche) abgeleitet. (Anm. d. Übersetzers.) <<<
Zweites Kapitel – Die Wirkung einer kakophonischen Sonate
Im Finstern und zu Fuß auf unbekannter Straße hinzuziehen, obendrein inmitten einer fast öden Gegend, wo Übeltäter im Allgemeinen weniger selten sind als Reisende, hat immer etwas Beunruhigendes an sich. In dieser Lage befand sich nun unser Quartett. Franzosen sind ja am Ende mutig, und die hier sind es in besonderem Maße. Doch zwischen dem Mute und der Furchtsamkeit verläuft noch eine Scheidelinie, die von der gesunden Vernunft nicht übersehen werden darf. Wäre die Eisenbahn nicht durch eine von plötzlichem Hochwasser überflutete Gegend verlaufen und wäre die Kutsche fünf Meilen vor Freschal nicht umgestürzt, so hätte sich unsere kleine Künstlerschar nicht in die Zwangslage versetzt gesehen, des Nachts auf dieser verdächtigen Straße hinzuwandern. Hoffen wir indes, dass ihnen dabei kein Unheil zustößt.
Es ist etwa um acht Uhr, als Sébastien Zorn und seine Kameraden, den Weisungen des Wagenführers entsprechend, die Richtung nach der Küste zu einschlagen. Da die Violinen nur in leichten, wenig umfänglichen Lederetuis stecken, haben die Geiger keine besondere Ursache, sich zu beklagen. Sie tun das auch nicht, weder der weise Frascolin, noch der lustige Pinchinat oder der idealistisch angehauchte Yvernes. Der Violoncellist aber mit seinem umfänglichen Instrumentenkasten, der hat etwas wie einen Schrank auf dem Rücken. Bei seinem uns bekannten Charakter ist es nicht zu verwundern, dass er darüber weidlich wettert und schimpft. Daneben ächzt