Die Propeller-Insel. Jules Verne
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Читать онлайн книгу Die Propeller-Insel - Jules Verne страница 7
»Es wäre freilich besser, wenn der Mond uns das volle Gesicht zukehrte«, meinte Frascolin.
»Und warum das?« fragte Pinchinat.
»Weil wir da besser sehen könnten.«
»O, du keusche Diana, du friedliche Nachtwandlerin, du bleicher Satellit der Erde, o du angebetetes Ideal des anbetungswürdigen Endymion1 …«
»Bist du fertig mit deiner Verhimmelung?« ruft der Violoncellist. »Wenn diese ersten Geigen erst anfangen, weit auf der Quinte herunterzurutschen …«
»Etwas schneller vorwärts«, fiel Frascolin ein, »sonst haben wir das Vergnügen, noch unter freiem Himmel zu übernachten …«
»Wenn freier Himmel wäre … und dazu noch unser Konzert in San Diego zu versäumen!« bemerkt Pinchinat.
»Wahrhaftig, ein hübscher Gedanke!« ruft Sébastien Zorn, der seinen Kasten schüttelt, dass er einen kläglichen Ton von sich gibt.
»Doch dieser Gedanke, mein alter Kamerad«, sagt Pinchinat, »rührt ursprünglich von dir her …«
»Von mir …?«
»Gewiss! Warum sind wir nicht in San Franzisko geblieben, wo wir Gelegenheit hatten, eine ganze Sammlung kalifornischer Ohren zu ergötzen!«
»Nun«, fragt der Violoncellist, »warum sind wir dann fortgegangen?«
»Weil du es so wolltest.«
»Dann muss ich gestehen, eine beklagenswerte Eingebung gehabt zu haben, und wenn …«
»Ah, seht einmal da!« fällt Yvernes ein, der mit der Hand nach einem bestimmten Punkte des Himmels weist, wo ein dünner Mondstrahl die Ränder einer Wolke mit weißlicher Einfassung säumt.
»Was gibt es denn, Yvernes?«
»Zeigt jene Wolke nicht ganz die Gestalt eines Drachens mit ausgebreiteten Flügeln und einem Pfauenschwanze mit hundert Argusaugen darauf?«
Jedenfalls ist Sébastien Zorn nicht mit der Fähigkeit, hundertfältig zu sehen, ausgerüstet, die den Hüter der Tochter des Inachos auszeichnete, denn er bemerkt nicht ein tief ausgefahrenes Gleise, worin er unglücklicherweise mit dem Fuße hängenbleibt. Dadurch fällt er platt auf den Leib, sodass er mit seinem Kasten auf dem Rücken einer großen Coleoptere gleicht, die auf der Erde hinkröche.
Natürlich kommt der Instrumentalist wieder in Wut – er hat ja auch alle Ursache dazu – und schimpft auf die erste Violine wegen deren Bewunderung ihres in der Luft schwebenden Ungeheuers.
»Da ist nur der Yvernes dran schuld!« fährt Sébastien Zorn auf. »Hätte ich nicht nach seinem verwünschten Drachen gesehen …«
»Es ist gar kein Drache mehr, liebe Freunde, sondern jetzt nur noch eine Amphora! Mit einigermaßen entwickelter Fantasie bemerkt man sie in der Hand der Nektar einschenkenden Hebe …«
»Doch denken wir daran, dass in jenem Nektar verteufelt viel Wasser ist«, ruft Pinchinat, »und hüten wir uns, dass deine reizende Göttin der Jugend nicht ein Sturzbad über uns ausgießt!«
Das hätte die Lage der Wanderer freilich noch verschlimmert, und tatsächlich fängt das Wetter an, mit Regen zu drohen. Die Vorsicht treibt also zur Eile, um in Freschal rechtzeitig Schutz zu finden.
Man hebt den zornschnaubenden Violoncellisten auf und stellt den Brummbär wieder auf die Füße. Der freundliche Frascolin erbietet sich, ihm seinen Kasten abzunehmen. Sébastien Zorn will das zuerst nicht zugeben … er, sich von seinem Instrumente trennen … einem Violoncell von Gaud und Bernardel … das heißt ja, von einer Hälfte seines Selbst … Er muss sich aber fügen, und somit geht diese kostbare Hälfte auf den Rücken des dienstwilligen Frascolin über, der dafür sein leichtes Etui genanntem Zorn anvertraut. Nun geht es weiter und raschen Schrittes zwei Meilen vorwärts, ohne dass sich etwas Besonderes ereignet. Die mit Regen drohende Nacht wird immer finsterer. Schon fallen einige große Tropfen, der Beweis, dass sie aus hochziehenden, gewitterhaften Wolken stammen. Die Amphora der hübschen Hebe unseres Yvernes entleert sich jedoch nicht weiter, und die vier Nachtwandler dürfen hoffen, Freschal im Zustande vollständiger Trockenheit zu erreichen.
Immerhin bedarf es noch peinlichster Aufmerksamkeit, um auf dieser finsteren Straße nicht zu Fall zu kommen, denn abgesehen von den tiefen Wagenspuren verläuft sie oft in scharfen Krümmungen um vorspringende Felsmassen oder führt neben düsteren Schluchten hin, aus denen der Trompetenton der Berggewässer heraufschallt. Wenn Yvernes das bei seiner Sinnesveranlagung poetisch findet, so nennt es Frascolin bei der seinigen mindestens beunruhigend.
Daneben waren noch unliebsame Begegnungen zu fürchten, die die Sicherheit aller Reisenden auf den Landstraßen Niederkaliforniens sehr zweifelhaft machen. Das Quartett besaß an Waffen aber nur die drei Violin- und den einen Violoncellbogen, die in einem Lande, wo der Colt’sche Revolver erfunden und damals noch erheblich verbessert worden war, doch als etwas unzureichend erscheinen dürften. Wären Sébastien Zorn und seine Kameraden Amerikaner gewesen, so würden sie sich jedenfalls mit dieser handlichen Schutzwaffe versehen haben, die man dortzulande immer in einer besonderen kleinen Hosentasche bei sich trägt. Um auch nur auf der Bahn von San Franzisko nach San Diego zu fahren, würde sich kein waschechter Yankee ohne diesen sechsschüssigen Begleiter auf die Reise begeben haben. Unsere Franzosen hatten das freilich nicht für nötig erachtet. Fügen wir hinzu, dass sie daran gar nicht gedacht und es doch vielleicht zu bereuen haben dürften.
Pinchinat marschiert an der Spitze und behält die Böschungen der Straße scharf im Auge. Wo diese von rechts und links her sehr eingeengt erscheint, ist ein unerwarteter Überfall weniger zu fürchten. Als Bruder Lustig wandelt ihn immer einmal das Verlangen an, seinen Kameraden »einen gelinden Schrecken einzujagen«, z.B. dadurch, dass er plötzlich stehenbleibt und mit vor Schreck bebender Stimme