Borstel, der Frischling vom Eichwald. Lothar Streblow
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Doch bevor Borstel den Ast erreichte, spürte sie einen heftigen Stups in die Flanke. Diesmal war es Lim, der eine Balgerei anzetteln wollte. Wild quiekend sauste er um sie herum, den Pürzel steil aufgerichtet. Aber das kannte Borstel schon. Sie ließ sich nichts gefallen.
Hin und her ging die Balgerei. Plötzlich purzelten beide auf den raschelnden Waldboden: Borstel auf die Nase und Lim mit heftig strampelnden Beinen auf den Rücken. Schnaufend rappelte Borstel sich auf und blickte sich um. Die anderen waren schon weit weg, viel zu weit. Sie quiekte ängstlich. Dann rannte sie so schnell sie konnte ihrer besorgt herüberäugenden Mutter entgegen. Und Lim rannte hinter ihr her.
Hier war durch Windbruch eine schmale Lichtung entstanden, überwuchert von Gestrüpp und dünnstämmigen Schößlingen. Darüber wölbte sich ein strahlend blauer Himmel mit ein paar kleinen weißen Wolken.
Mit einemmal aber war da ein Schatten, ein gleitender Schatten, der von einem zerzausten Baumwipfel herunterschwebte. Es war eine riesige Rabenkrähe. Die Bache sicherte aufmerksam nach oben, stieß einen Warnlaut aus. Und die Jungen hoben lauschend die Köpfe. Dann kam Bewegung in die kleine Gesellschaft. So schnell sie ihre winzigen Beine trugen, rannten die Frischlinge zu ihrer Mutter.
Aufatmend erreichte Borstel ihre schützende Nähe. Sie war so klein, daß sie bequem zwischen den Beinen ihrer Mutter unter dem Bauch hindurchlaufen konnte. Aber sie lief nicht hindurch, sondern verharrte still unter dem massigen Leib. Und die anderen drängten sich zu ihr, bis die Gefahr vorüber war. Die Rabenkrähe kreiste noch eine Weile über der Lichtung, dann strich sie ohne Beute ab.
Die Bache aber hatte schon wieder etwas anderes entdeckt. Während die Rabenkrähe ihre Kinder belauerte, hatten sich unbemerkt ihre beiden vorjährigen Frischlinge genähert. Sie grunzte wütend und jagte sie zurück in das Gestrüpp der Lichtung. Und die beiden flüchteten mit lautem Gequieke.
Borstel stutzte verblüfft. Sie hatte ja keine Ahnung, daß dies auch ihre Geschwister waren. Bis jetzt kannte sie ja nur ihre Mutter und die Kleinen aus dem Kessel. Die beiden dort aber waren viel größer und sahen auch gar nicht mehr wie Frischlinge aus, eher graubraun wie ihre Mutter, nur nicht so groß. Borstel spürte Angst vor diesen fremden Tieren.
Nun aber waren sie weg, konnten ihr nichts mehr tun. Inzwischen rangelte Kurf schon wieder mit seinem Bruder Lim, Die Bache scheuchte die beiden auseinander und begann den Boden zu umbrechen, wühlte mit ihrem Rüssel die Erde um. Sie war hungrig, hatte ja während der letzten Tage kaum etwas gefressen, um ihre Kleinen nicht zu lange allein zu lassen.
Neugierig sah Borstel ihrer Mutter zu. Der aufgebrochene Waldboden duftete angenehm nach feuchter Erde und allerlei unbekannten Dingen. Und ihrer Mutter schien es zu schmecken. Sie schmatzte hörbar, beobachtete dabei aber immer wieder aufmerksam die Umgebung. Und als Rini und Suri sich spielerisch miteinander balgend ein bißchen zu weit entfernten, stampfte sie grunzend hinter ihnen her und trieb sie zu den anderen.
Plötzlich hob sie witternd ihren dicken Rüssel in den Wind. Und ihre Nackenborsten sträubten sich. Ihrer empfindlichen Nase entging so leicht nichts. Und hier roch es mit einemmal verdächtig nach Fuchs. Zwar wurde sie mit diesem für ihre Kinder gefährlichen Burschen leicht fertig, aber es war ohnehin Zeit zur Rückkehr. Nur satt war sie noch nicht, ihr Magen knurrte vernehmlich vor Hunger. Doch erstmal mußten die Kleinen trinken. Sie stieß einen Lockruf aus und scheuchte ihre Kinder energisch zum Wurfkessel.
Darauf hatte Borstel schon gewartet. Und die anderen auch. Keines kam auf die Idee, noch herumzutrödeln. Alle hatten Hunger. Aber kurz vor dem Kessel gab es noch einen Aufenthalt. Die beiden Einjährigen hatten sich wieder mal zu nahe herangewagt. Ärgerlich grunzend jagte die Bache sie davon. Und Borstel wunderte sich, was diese beiden aufdringlichen fremden Tiere immer von ihrer Mutter wollten.
Endlich lagen alle wieder im Kessel, die Bache leise grunzend auf der Seite. Borstel hatte eine Zitze nahe den Hinterbeinen geschnappt. Und sie hielt sie fest. Energisch stupste sie gegen den Bauch ihrer Mutter, bis die Milch kam. Neben ihr stupste der ungestüme Kurf. Doch jetzt war er friedlich: Er bekam ja seine Milch.
In der Fichtendickung
Gegen Abend trieben dunkle Wolken vom Talgrund gegen den Hangwald. Die Bache schlief. Sie spürte die Frühjahrsmüdigkeit. Und ihr lautes Schnarchen dröhnte durch den Kessel.
Borstel hob schläfrig den Kopf. Der Wind hatte an Stärke zugenommen. Und sein Rauschen in den Baumkronen übertönte das Schnarchen. Es wurde kühl und ungemütlich. Borstel quiekte leise, sie fror. Und Kurf neben ihr stimmte in das Gequieke ein. Und die anderen auch.
Die Bache erwachte mit einem Grunzlaut. Trotz ihrer Müdigkeit schlief sie nie so fest, daß sie ihre Kinder nicht hörte. Selbst beim leisesten Quieken war sie sofort munter. Und sie wußte, was ihren Kindern fehlte. Sie schob sich aus dem Kessel und witterte in den Wind. Doch sie schloß ihn nicht.
Nach kurzem Wittern hatte sie die Wetterlage begriffen. Es roch nach Regen. Das Wetter schlug um. Und der lichte Kiefernwald bot nicht genügend Schutz. Sie stieß einen Lockruf aus. Und eines nach dem anderen krabbelten die Kleinen aus dem Kessel ins Freie.
Jetzt hatte es die Bache sehr eilig. Dicht gefolgt von ihrer Kinderschar durchquerte sie den kleinen Kiefernwald am Windbruch vorbei hangabwärts. Borstel stolperte über Wurzeln und niedriges Gezweig. Und immer weiter ging der Trab, durch einen jungen Mischwald und über einen schmalen Bach hinweg. Einen Augenblick zögerte Borstel vor dem plätschernden Wasser, in dem noch Eisreste von den Höhen trieben, dann setzte sie mit einem kühnen Sprung darüber. Am anderen Ufer purzelte sie kurz auf die Nase, raffte sich aber gleich wieder auf.
Die Bache blickte sich aufmerksam um, aber keines ihrer Kinder fehlte. Die Kleinen vertrauten blindlings ihrer Mutter.
Jenseits des Baches stoppte sie ihren Lauf. Hier begann eine von Brombeerbüschen gesäumte Fichtendickung. Das schien ihr der geeignete Platz. Energisch bahnte sie mit ihrem mächtigen Körper eine Gasse in das Dickicht. Unter den dicht stehenden Fichten war es schon dämmrig. Und trockenes Gras gab es genug an den Brombeerhecken. Die Bache begann zu rupfen, trug die Gräser mit dem Maul zu einem dichten Haufen zusammen, während die Kleinen eng aneinandergedrängt unter den Fichtenzweigen warteten. Und draußen heulte der Wind.
Plötzlich unterbrach die Bache ihre Arbeit. Ihrem scharfen Gehör war nicht entgangen, daß sich in der Nähe etwas rührte. Mit gesträubten Nackenborsten schoß sie aus dem Dickicht. Und die beiden Einjährigen flüchteten mit entsetztem Quieken zurück über den Bach. Damit war ihre Mutter einverstanden. Grunzend nahm sie ihre Arbeit wieder auf.
Lange aber konnte sie nicht dabeibleiben. Es wurde Zeit für die Babyfütterung. Sie schien genau zu wissen, wann die nächste Milchportion nötig war. Mit einem Grunzlaut legte sie sich vor dem halbfertigen Kessel auf die Seite. Und wild rangelnd drängten sich sechs hungrige kleine Mäuler an ihrem Bauch.
Kaum waren die Kleinen fertig, sprang die Bache hoch und schleppte erneut Gräser herbei. Schläfrig blinzelnd sah Borstel ihrer Mutter zu. Sie fühlte sich satt und wollte eigentlich nur noch schlafen. Der Wind rauschte in den oberen Zweigen der Fichten. Aus der Ferne tönte das leise Murmeln fließenden Wassers. Und die Abendschatten krochen aus dem Tal.
Aber es gab keine Ruhe. Kurf balgte sich schon wieder mit Lim herum. Die beiden kleinen Keiler versuchten unentwegt, sich gegenseitig umzuwerfen. Das sah sehr komisch aus. Und dabei purzelte immer wieder einer zwischen seine dösenden Geschwister. Dann gab es ein wütendes Gequieke und Gestupse. Schließlich wurden auch die beiden Raufbolde müde und kuschelten sich zu den anderen. Borstel atmete auf. Wenig später war sie eingeschlafen.
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