Borstel, der Frischling vom Eichwald. Lothar Streblow
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Borstel, der Frischling vom Eichwald - Lothar Streblow страница 4
Neugierig blinzelte Borstel in das Dämmerlicht. Und was sie da unter der Hecke entdeckte, war ein sehr fremdartiges Tier, nicht viel kleiner als sie selbst, aber ziemlich kurzbeinig und sehr stachelig. Es war ein ausgewachsener Igel, den die frühlingshafte Wärme aus seinem Nest gelockt hatte, noch mager vom Winterschlaf und offenbar furchtbar hungrig. Schnaufend wühlte er unter dem trockenen Laub nach Eßbarem und begann dann behaglich zu schmatzen.
Eifrig schnüffelnd kam er langsam näher. Plötzlich aber verharrte er wie angewurzelt und sog aufmerksam die Luft ein. Die Witterung der Frischlinge schien ihm nicht zu behagen. Als alter erfahrener Igel wußte er, daß große Wild-Schweine auch ihm gefährlich werden konnten. Gegen ihr kräftiges Gebiß schützte ihn auch sein Stachelpanzer nicht. Er machte kehrt und flitzte, so schnell ihn seine kurzen krummen Beine tragen konnten, durch den Unterwuchs der Hecke davon.
Borstel blickte ihm verwundert nach. Doch kaum hatte sie ihre müden Augen geschlossen, da hüpfte seitlich über ihr etwas im Gezweig der Hecke herum. Es war ein Buchfink, der hier in der Hecke sein Moosnest hatte und wohl durch die Unruhe am Rand der Fichtendickung gestört worden war. Eine Weile hüpfte er noch von Zweig zu Zweig und verschwand dann im Astgewirr, leise und wie ein flatternder Schatten. Durch schlafende Frischlinge fühlte er sich offenbar nicht mehr gestört.
Auch Borstel senkte beruhigt ihren kleinen Kopf. Doch kurz darauf raschelte es wieder ganz in der Nähe. Diesmal war es eine Gelbhalsmaus, die ebenfalls in der Hecke zu Hause war und sich ihr Abendbrot suchte. Zwischendurch setzte sie sich auf und putzte sich mit ihren winzigen Pfötchen dicht bei einem Büschel Scharbockskraut.
Borstel sah aufmerksam zu. Sie wurde ja immer noch von ihrer Mutter geputzt. Und dieses putzfreudige kleine Tier interessierte sie. Nur fand sie, daß es außerhalb des Kessels ziemlich unruhig zuging. Es gab so viele fremdartige Tiere im Wald, die sie noch nicht kannte. Aber im Moment war sie einfach nur furchtbar müde.
Die Bache arbeitete unterdessen unermüdlich weiter. Keinen Augenblick wagte sie zu verschnaufen, gönnte sich trotz ihres Hungers keinen Bissen. Erst mußte der schützende Kessel fertig sein.
Es war kälter geworden. Wie eine düstere Wand standen grauschwarze Regenwolken am Abendhimmel. Und die Bache schaffte es, bevor die ersten Tropfen fielen.
Ihr Lockruf scheuchte die Kleinen hoch. Noch etwas tapsig vom Schlaf trippelten sie zu ihr hinüber. Und mit einem wohligen Gefühl verkroch Borstel sich eng an den Bauch ihrer Mutter geschmiegt in das weiche, trockene Gras.
Verwandtenbesuch
In der Nacht war der Regen in wäßrigen Schnee übergegangen. Noch war April, und die Bache schien den Kälteeinbruch geahnt zu haben. Doch hier in der Fichtendickung lagen die Kleinen geschützt. Kaum eine Schneeflocke war bis zur oberen Schicht des Haufens vorgedrungen.
Als die Bache sich am anderen Morgen aus dem Kessel schob, um den Harnplatz aufzusuchen, begann der Schnee bereits zu tauen. Sie witterte forschend in die kühle Luft und kehrte dann zum Kessel zurück.
Inzwischen waren die Kleinen munter geworden, krabbelten durcheinander und begannen schon wieder zu rangeln. Mit einem energischen Grunzen sorgte die Bache für Ruhe, rollte den wildesten Raufbold einfach auf den Rücken und putzte ihn sorgfältig. Dann kamen die anderen dran, einer nach dem anderen. Und erst danach gab es Frühstück.
Borstel saugte eifrig. Die warme Milch schmeckte ihr. Diesmal hatte sie nur eine der vorderen Zitzen erwischt, die nicht so viel Milch gaben. Trotzdem wurde sie satt; es dauerte nur etwas länger. Träge und faul legte sie sich neben Rini zum Verdauungsschlaf nieder. Und bald war sie in der wohligen Wärme eingeschlummert.
Am späten Vormittag brach die Sonne durch, leckte die letzten Schneereste weg. Es wurde wärmer. Und über die dampfenden Wiesen des sonnigen Talgrunds bewegte sich eine Reihe dunkler gedrungener Gestalten auf die Fichtendickung zu, überquerte den schmalen Wasserlauf und näherte sich geräuschvoll der Brombeerhecke. Es war eine kräftige fremde Bache mit ihren fünf kleinen Frischlingen.
In diesem Augenblick erhob sich Borstels Mutter, witterte mit erregt aufgestellten Kammborsten in die Richtung des Geräuschs und verließ hastig den Kessel. Sie wollte der nahenden Gefahr draußen begegnen.
Doch es kam zu keinem Kampf. Die fremde Bache stieß plötzlich einen eigenartigen Laut aus. Borstels Mutter stutzte. Diesen Laut kannte sie. Und sie gab mit einem ähnlichen Grunzlaut Antwort. Dann liefen die beiden am Rand der Brombeerhecke aufeinander zu, nahmen witternd den Geruch der anderen auf und stießen ihre Nasen kurz zusammen.
Borstels Mutter hatte die andere erkannt. Es war ihre jüngere Schwester, mit der sie vorher in einer Rotte zusammengelebt hatte. Ihre Kammborsten glätteten sich. Die beiden grunzten in freudiger Erregung, während sie sich langsam dem Kessel in der Fichtendickung näherten.
Borstel lugte neugierig über den Rand des Kessels, zusammen mit ihren aufgeregten Geschwistern. So klein sie auch waren, ihrem scharfen Gehör waren die fremdartigen Geräusche nicht entgangen. Und als ihre Mutter kampfbereit den Kessel verlassen hatte, um ihre Jungen zu verteidigen, hatte sie natürlich wissen wollen, was dort draußen vor sich ging. Vorsichtshalber aber waren sie in der schützenden Deckung geblieben.
Das fremde große Tier erschreckte Borstel. Es war ein wenig kleiner als ihre Mutter, aber immerhin noch groß genug. Sie wußte ja bisher nichts davon, daß sie auch so etwas wie eine Tante besaß. Und hinter dem fremden großen Tier entdeckte sie lauter kleine, die folgsam hinterhertrotteten.
Plötzlich sauste Kurf aus dem Kessel heraus auf die fremden Frischlinge zu. Lim flitzte ihm nach. Und dann wuselten alle durcheinander, im Kessel und neben dem Kessel. Kurf balgte sich mit einem anderen kleinen Keiler unter der Brombeerhecke. Lor flog von einem fremden Frischling gestupst durch die Luft und landete im Scharbockskraut. Lim hatte ebenfalls einen beim Wickel. Sie schnauften und stampften. Und bevor Borstel sich versah, fiel einer der Fremdlinge über sie her, stupste und schnappte nach ihr. Dabei erwischte sie ihren ersten Biß: in den rechten Vorderlauf. Das tat scheußlich weh. Und sie quiekte laut vor Schmerz.
Jetzt wurde es den beiden Müttern zuviel. Entschlossen stampften sie mitten in die raufende Gesellschaft und machten energisch grunzend der Balgerei ein Ende.
Borstel humpelte ein wenig. Auch Lor hinkte auf einem Hinterlauf, den er sich bei seinem Sturz ins Scharbockskraut verstaucht hatte. So konnten die beiden den anderen nur mühsam folgen.
Die Mütter hatten sich inzwischen niedergelegt, umtobt von einer quiekenden Frischlingsschar, um die Kleinen trinken zu lassen. Doch als Borstel und Lor bei ihrer Mutter ankamen, war kein Platz mehr an ihrem Bauch. Laut schmatzend hatten sich da auch ein paar fremde Frischlinge breitgemacht.
Die beiden zögerten kurz, dann humpelten sie zu der fremden Bache hinüber. Hier war noch Platz, viel Platz, aber nur an den vorderen Zitzen. Ihr Bruder Lim lag auch schon da. Und direkt neben Borstel saugte der bissige Bursche von vorhin. Doch jetzt war Lums nur mit Trinken beschäftigt. Und so bekam auch Borstel ihre Milch.
Als sie satt war, leckte sie sich ihren verletzten Vorderlauf. Darüber schlief sie ein. Doch lange konnte sie ihren Schlaf nicht genießen. Eine merkwürdige Unruhe weckte sie auf. Ihre Mutter hatte sich witternd erhoben. Und auch die andere Bache stand mit erregt aufgestellten Kammborsten lauernd neben dem Kessel.
Borstel blinzelte schläfrig. Aus der Richtung der Brombeerhecke drangen fremde Laute. Und da stampfte jemand durchs Gesträuch. Dann erkannte sie die Ursache. Es war