Das Erbe sind wir. Michael Meyen

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target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_fa316382-9978-5e1b-8af9-9b1a3b5fd4ee">7Horst Pöttker (Hrsg.): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Klassiker der Sozialwissenschaft über Journalismus und Medien. Konstanz: UVK 2001

      8Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören. Frankfurt/M.: Westend 2018, S. 192

      9Vgl. Günther Rager, Bernd Weber: Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Eine Einführung. In: Günther Rager, Bernd Weber (Hrsg.): Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? Düsseldorf: Econ 1992, S. 7-26

      10Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 2016, S. 112

      2.WARUM DAS FASS NOCH EINMAL AUFGEMACHT WERDEN MUSS

      Dieses Buch erzählt eine deutsche Geschichte, die zwar in der DDR spielt und schon vorher angefangen hat, aber noch lange nicht vorbei ist. Auf den ersten Blick hat diese Geschichte nichts zu tun mit den Dingen, die uns gerade auf den Nägeln brennen. Es geht nicht um Klima, Natur oder Pandemien und auch nicht um die großen Fragen von Krieg und Frieden oder von Arm und Reich. Warum, so ließe sich das zuspitzen, beschäftige ich mich mit der Ausbildung von Journalisten, wenn die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht? Und warum steige ich dafür gewissermaßen in die Gruft und schreibe nicht über die Medienrealität der Gegenwart?

      Die Mehrheit hat nicht immer Recht und der Sieger schon gar nicht. Im Dezember 1990 hat die sächsische Regierung beschlossen, meinen Studiengang zu schließen – angetrieben vom Trommelfeuer der Leitmedien und später bestätigt durch Publikationen, die alles in Bausch und Bogen verworfen haben, was an der Sektion Journalistik in Leipzig gemacht worden war. Die Folgen konnte ich an mir selbst beobachten. ›Exil-Ostdeutsche‹ wie ich haben versucht, die besseren Westdeutschen zu werden, und dabei auch all das tief in uns vergraben, was den hegemonialen Diskurs hätte aufbrechen können. Dieser Mechanismus scheint mir universell zu sein und wäre schon für sich genommen Grund genug gewesen, dieses Buch zu schreiben. Wer Erfahrungen oder Ideen hat, die der dominanten Deutung widersprechen, muss entweder schweigen, um die eigene Reputation nicht zu gefährden, oder in Arenen ausweichen, die der Stimme von vornherein jede Wucht nehmen.

      Punkt 1: Es gibt keine Sektion Journalistik mehr. Nichts, nada, niente. Inhalte weg, Personen weg, alles weg. Entsorgt auf dem Müllhaufen der Geschichte. Etwas weniger polemisch: Die westdeutsche Fachgemeinschaft hat 1991 einen neuen Standort bekommen und in Leipzig etwas ausprobiert, was woanders nicht so leicht gegangen wäre. Mit der Tradition des Standorts oder gar mit den Menschen dort hatte das alles nichts zu tun. Motto: ein bisschen Fußvolk übernehmen (in der Verwaltung, im akademischen Mittelbau), das Sagen aber haben wir. Mehr noch: Wir schreiben künftig auch eure Geschichte und die gemeinsame Geschichte sowieso. Karl Friedrich Reimers, der als Gründungsdekan aus München nach Leipzig kam, hat sich noch Ende 2019 bitter beklagt, als er einmal nicht auf einem einschlägigen Podium sitzen und sein Wunderwerk beweihräuchern durfte.

      Punkt 2: Wer von 1990 spricht, muss von den Menschen sprechen und davon, was politische Entscheidungen aus Wünschen und Träumen machen. Der Lebensweg der Älteren war von einem Tag auf den anderen zu Ende. Übergang in das bezahlte Nichtstun, mit Mitte 50, wenn sich langsam die Souveränität einstellt, die jede akademische Ausbildung braucht. Die etwas Jüngeren wie Jürgen Schlimper, Wolfgang Tiedke oder Wulf Skaun, drei meiner Helden aus Studententagen, gerade auf dem Sprung in Richtung Professur, sind ins Nichts gefallen. Ökonomisch ist dieser Satz falsch, weil das reiche Deutschland jedem irgendwo ein Auskommen bietet. Intellektuell aber, und darum geht es hier, hat dieses Land all das Potenzial verschenkt, das in der DDR gewachsen war und das heute schon deshalb wichtig wäre, weil es den Umgang mit gesellschaftlichen Krisen einschließt und das Wissen, dass sich die Verhältnisse selbst dann verändern lassen, wenn sie in Stein gemeißelt scheinen.

      Das führt direkt zu Punkt 3: Mit der Sektion Journalistik ist ein Paradigma entsorgt worden, das Forschung und Berufspraxis verbunden hat. Anders formuliert: Wer heute fragt, wie man die Redaktionen aus der Umklammerung der Politik befreien kann oder von den Zwängen einer kommerziellen Medienlogik, für die Aufmerksamkeit alles ist und alles andere nichts, der findet hier eine mögliche Antwort. Das klingt zunächst befremdlich. Das ›rote Kloster‹ in Leipzig, der Prototyp einer Schule für Parteijournalisten, als Lösung für die Medienkrise der Gegenwart? Ich werde den Spieß umdrehen und zeigen, wie die Gängelung durch die Herrschenden ein Journalismusideal füttern konnte, bei dem ›umfassende demokratische Öffentlichkeit‹ im Zentrum steht. Handwerk statt Haltung.

      So gesehen, schreibe ich doch über die Medienrealität der Gegenwart. Ich lasse Menschen sprechen, die marginalisiert worden sind oder sich freiwillig zurückgehalten haben, weil sie in der DDR zur Elite gehört haben oder in diesem Land etwas werden wollten. Wir brauchen die Geschichten dieser Menschen. Wir brauchen die vielen Ideen, die in den anderthalb Jahren des langen 89er Herbstes reifen konnten, als die alten Fesseln abgestreift waren und die neuen nur eine Ahnung am Horizont. Ohne diese Geschichten und ohne diese Ideen können wir nicht verstehen, warum es im Osten immer noch gärt und wie wir die Probleme angehen müssen, die das deutsch-deutsche Klein-Klein schon jetzt in den Hintergrund rücken lassen.

      Anmerkungen

      1Yana Milev: Das Treuhand-Trauma. Die Spätfolgen der Übernahme. Berlin: Das Neue Berlin 2020, S. 246f., vgl. Yana Milev: Entkoppelte Gesellschaft – Ostdeutschland seit 1989/90. Drei Bände. Berlin: Peter Lang 2019/20

      2Milev: Treuhand-Trauma, S. 8, 36, 49, 69, 91, 117, 252

      3.WIE ICH GESCHICHTE SCHREIBEN WILL

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