Sophienlust Bestseller Box 1 – Familienroman. Marisa Frank
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»Sei doch nicht so empfindlich, Liebling«, rief ihr Manfred noch nach, aber sie drehte sich nicht mehr nach ihm um. Marga wußte ganz genau, daß er ihr gleich folgen würde. Das machte er nämlich immer so, denn es erhöhte den Reiz und die Spannung, die für sie beide so wichtig war.
Tatsächlich wurde schon nach wenigen Augenblicken vorsichtig die Schlafzimmertür geöffnet, und der Mann streckte seinen Kopf herein.
Als Marga ihn nur wortlos anstarrte, holte er aus seiner Tasche ein weißes Taschentuch und schwenkte es in der Luft. »Frieden«, sagte er dann lachend und kam vollends ins Zimmer. »Ich verspreche dir hoch und heilig, daß ich dich heute nicht mehr ärgern werde. Erst morgen wieder.«
»Schuft«, stieß Marga zwischen den Zähnen hervor, aber dann lachte auch sie. Sie konnte ihm nie lange böse sein.
»Können wir jetzt gehen, Madame?« Er verneigte sich vor ihr und ergriff ihre Hand. »Oder möchtest du lieber...?«
»Ich habe ebenfalls einen riesigen Hunger. Ich glaube, wir sollten jetzt besser gehen, damit wir unser Programm einhalten können, das du für uns zusammengestellt hast. Wir schaffen es sonst nicht, denn der Verdauungsspaziergang ist sehr wichtig für mich.« Die Frau sprach hastig und abgehackt, um die Peinlichkeit der Situation zu überspielen. Sie war Manfred zwar rettungslos verfallen, aber zum Letzten hatte sie es noch nicht kommen lassen. Schließlich war sie noch verheiratet. Sie fragte sich nur, wie lange sich Manfred noch mit einer Geliebten zufriedengeben würde, die er nur platonisch lieben durfte.
Immerhin kannten sie sich schon seit fast einem Monat, und er hatte mehr als einmal darauf angespielt. Nur die Tatsache, daß sie noch verheiratet war, hatte ihn davon abgehalten, mit ihr darüber zu reden.
»Dann auf in den Kampf«, sagte Manfred betont lustig und zog sie an der Hand hoch. »Ich habe einen Tisch im Lamm bestellt. Du weißt ja, daß es mittags dort immer sehr voll ist.«
Nach außen schien wieder alles in Ordnung zu sein, aber beide wußten, daß ihre Beziehung ihnen nicht das gab, was sie sich am Anfang ihrer Bekanntschaft versprochen hatten.
*
»Wer hilft mir mit dem Osterstrauß?« fragte Sabine Kroff beim Mittagessen.
»Ich! Ich will auch!« erklang es von allen Seiten, und viele Hände schossen in die Höhe.
»Ich will auch mithelfen«, piepste die kleine Heidi Holsten, mit ihren fünf Jahren das jüngste der Dauerkinder von Sophienlust.
»Einverstanden«, sagte Sabine. »Wir haben genügend ausgeblasene Eier zum Anmalen. Und wenn es zu viele sind, dann machen wir eben zwei Sträuße.«
Die Kinder jubelten, denn sie freuten sich auf die Abwechslung.
Auch Sabine freute sich. Sie hatte sich gut eingelebt in den letzten drei Wochen, seit sie in Sophienlust lebte. Zwar hatte sie kein festes Aufgabengebiet, aber Denise von Schoenecker hatte ihr gesagt, daß sie sich um die Kinder kümmern und sich mit ihnen beschäftigen sollte, damit Schwester Regine ein bißchen entlastet wurde.
Vor allem die kleineren Kinder dankten es Sabine mit rührender Anhänglichkeit, daß sie ihnen ihre ganze Zeit widmete.
»Darf ich auch mithelfen?« fragte Agnes nach dem Essen. Das kleine Mädchen klammerte sich verstohlen an den Rockzipfel der jungen Frau, die das mutterlose Kind besonders in ihr Herz geschlossen hatte.
»Natürlich darfst du auch mithelfen«, antwortete sie und strich dem Mädchen zärtlich über den schwarzen Wuschelkopf. In diesem Augenblick fühlte sich Sabine restlos glücklich. Nur, wenn sie in manchen einsamen Momenten an Jochen dachte, dann traten ihr noch immer die Tränen in die Augen.
Überglücklich stürmte Agnes davon. Sie wollte Heidi suchen gehen, die in den letzten Tagen ihre Freundin geworden war. Zuerst hatte zwischen den beiden Mädchen eine geheime Rivalität bestanden, denn Schwester Regine hatte sich intensiv um das neue Kind gekümmert. Inzwischen aber war Heidi klargeworden, daß ihr Agnes gar nichts wegnahm, und so hatte sie sie schließlich sogar in ihr Herz geschlossen und gegen manche spielerisch gemeinte Angriffe der größeren Kinder verteidigt.
Kaum eine Stunde später trafen sie sich im Bastelzimmer, wo Sabine Kroff bereits alles hergerichtet hatte. Sie hatte Wasserfarben, Pinsel und Wasserbecher gleichmäßig verteilt und den langen, roh gezimmerten Tisch mit viel Zeitungspapier abgedeckt.
In mehreren großen Schüsseln befanden sich die leeren Eierschalen, die die Kinder anmalen und dann auf lange, noch kahle Buchenäste verteilen wollten.
»So, dann wollen wir also anfangen«, begann die junge Frau und nahm sich eines der Eier. Dann begann sie mit dem Pinsel bunte Blumen aufzumalen.
»Schön machst du das«, lobte sie Peter Eckstein, der neben ihr saß.
»Das hat mir meine Mami beigebracht. Wir haben das zu Hause auch immer gemacht«, berichtete er eifrig und mit geröteten Wangen.
»Schau, Sabine, ich hab schon eins fertig«, rief die kleine Heidi Holsten und hielt stolz ihr buntes Ei hoch.
»Das ist aber nicht schön, Heidi«, tadelte die fünfzehnjährige Irmela Groote, die mit ihren langen blonden Haaren nicht viel jünger aussah als Sabine selbst. Da Irmela ziemlich groß und schlank war, konnte man sie gut und gern für achtzehn halten. Sie lebte in Sophienlust, seit ihre Mutter nach dem Tode des Vaters wieder geheiratet hatte und mit ihrem zweiten Mann nach Bombay gezogen war.
»Irmela!« Pünktchen, die mit richtigem Namen eigentlich Angelina Dommin hieß, stieß die Freundin in die Seite. »Sie kann es eben nicht besser.«
Schuldbewußt senkte die ältere den Kopf. »Du hast recht. Ich habe mir nichts gedacht dabei.«
Aber Heidi achtete nicht auf das Gerede der großen Mädchen. »Dein Ei wird auch wunderschön, fast so schön wie meines«, lobte sie Agnes, die vor lauter Eifer rote Bäckchen bekommen hatte.
Strahlend schaute das kleine Mädchen mit den wirren schwarzen Locken nun auf. »Schau... Sabine«, sagte die Kleine zögernd und hielt nun ebenfalls ihr Kunstwerk hoch, das aus ganz kunterbunten Flecken, die teilweise sogar ineinander liefen, bestand.
»Ja, wirklich, Agnes, es ist wunderschön. Aber Heidis Ei ist auch ganz prima geworden.« Sabine atmete tief ein. Gerade hatten sich ihre Gedanken wieder auf Wanderschaft begeben. Noch immer holte die Erinnerung sie bei jeder Gelegenheit ein, obwohl sie sich redlich dagegen zur Wehr setzte. Aber es half einfach nichts. Jochen spukte Tag und Nacht in ihrem Kopf herum, da half auch kein Zusammenreißen. Zu frisch war noch die Wunde, die sein Tod in ihr hinterlassen hatte.
»Du bist auch traurig, Sabine, nicht wahr«, flüsterte Peter Eckstein mit unkindlichem Ernst. »Ich bin es auch, seit meine Mutti uns verlassen hat.« Die vollen roten Lippen des Zehnjährigen zitterten bedenklich.
Sabine Kroff strich ihm durch das wirre Blondhaar. »Nicht daran denken, Peter. Glaub mir, das wird irgendwann anders werden. Du wirst bald wieder lachen, und ich auch«, flüsterte sie gegen ihre Überzeugung.
»Mist!« Verbittert sprang Peter von seinem Stuhl auf. Er hatte das Ei so fest angefaßt, daß es in unzählige Teile zerbrochen war. »Das ist Kinderkram«, schimpfte er und lief hastig zur Tür.
Ehe