Nach mir komm ich. Will Berthold

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Nach mir komm ich - Will Berthold

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das Manuskript gelesen und …«

      »Sie?« unterbricht ihn der Geldmagnat lachend. »Dabei ist doch hinreichend bekannt, daß Sie noch nie ein Werk gelesen haben, das in Ihrem geschätzten Verlag herauskommt.«

      »Branchengeschwätz«, erwidert der Geltungs-Konsul gereizt. »Barer Unsinn. Wie stellen Sie sich das vor – alljährlich erscheinen in meinem Haus sechzig bis siebzig Titel und …«

      »Trotzdem halte ich das Gerücht für gar nicht so abwegig«, kontert Kamossa genüßlich. »Ein Bestattungsunternehmer verkauft schließlich auch Tausende von Särgen, bevor er selbst einen benötigt.«

      Der Verleger aus München lacht gezwungen. »Bewahren Sie sich Ihren sonnigen Humor, Herr Kamossa!«

      »Ich will’s versuchen. Jedenfalls bin ich Ihnen dankbar für Ihre Mitteilung.«

      »Ich fürchte, daß Sie die Situation unterschätzen, Herr Kamossa«, entgegnet der Verleger. »Selbstverständlich kann ich den Autor für eine Weile hinhalten und später sein Meisterwerk ablehnen. Aber dann geht der Mann zum nächsten Verleger, zum übernächsten und so weiter, bis er einen findet, der das Geschäft machen will oder unter Umständen nicht so gut auf Sie zu sprechen ist, und dann erscheint das Pamphlet, womöglich in Massenauflage – und Sie wissen ja selbst, daß bei solchen – solchen Schweinereien immer etwas hängenbleibt.«

      »Gleich kommen mir die Tränen«, spottet Kamossa.

      Durch die Panoramascheibe sieht er Iris mit federnden Schritten auf den Swimmingpool zugehen. Die ehemalige ›Miß Austria‹ bietet einen hinreißenden Anblick, sogar für den eigenen Mann. Mit dem weißen Badeanzug und der gebräunten Haut gleicht sie eher einer ›Miß Italia‹. Prächtig gewachsen zeigt sie – wie die Regenbogenpresse immer wieder beteuert – eine Traumfigur. In diesem Fall stimmt das Klischee sogar.

      »Entschuldigung«, sagt der Bedrohte nach kurzer Pause. »Wo waren wir stehengeblieben? Wer ist eigentlich der Autor?« fragt er dann so nebensächlich, als gähne er dabei.

      »Offensichtlich ein Nobody«, antwortet Kronwein. »Sein Name ist mir im Moment entfallen, aber auch in meinem Lektorat hat ihn bislang noch keiner gehört. Es kann sich dabei natürlich auch um das Pseudonym eines Insiders handeln oder das eines gefeuerten Mitarbeiters, der sich an Ihnen rächen will. Wenn Sie das Manuskript lesen, kommen Sie vielleicht von selbst auf den Urheber. Ich bin gern bereit, es Ihnen – natürlich streng vertraulich – zu zeigen.«

      »Danke«, versetzt Kamossa. »Ich ruf Sie an, sobald ich hier mit der Arbeit aus dem Gröbsten heraus bin.«

      Er legt auf und sieht einen Moment lang ins Leere. Er kennt Kronwein gut, zu gut, schon seit seinen Gründerjahren. Das übrige besorgt Asconas Gerüchteküche. Jedermann weiß, daß der Verleger ein Masochist ist, der mit seiner Frau Carlotta (ihrer roten Haare wegen ›La Carota‹ genannt) in einer Schlangengrube lebt. Der Mann versucht der Mitinhaberin seines Verlags so oft wie möglich zu entkommen, um sich bei anderen Damen vom Schmerzgenuß zu erholen oder neuen zu suchen. Nach seiner Rückkehr wird ihm dann die haßgeliebte Dompteuse die spitzen Stöckelschuhe wieder in den Körper rammen. Diese Details sind beliebter Gesprächsstoff unter den Beautiful people der schönen Halbinsel. Aber Kamossa interessieren mehr die geschäftlichen Machenschaften des Titular-Konsuls. Der Wirtschaftsmagnat sammelt Informationen über seine Partner, Gegner und Mitarbeiter wie andere Briefmarken oder Münzen, und so traut er dem Verleger so ziemlich alles zu.

      Die ›Residenza Fortuna‹ ist umgeben von einem großen Areal mit eigenem Tennisplatz neben dem Swimmingpool, dazu ein Indoorbecken, ein Fitneßraum und eine Squashhalle. Etwas unterhalb des Hauptgebäudes befindet sich das Gästehaus und auf der anderen Seite über den Garagen ein komfortabler Trakt für die Mitarbeiter, die der Konzernherr ständig um sich haben will: Neben Budde, seinem Groß-Wesir, bewohnen die luxuriösen Apartments der Pilot Robeller, Patrick, der Benjamin der Kamossa-Söhne, vorwiegend als Sparringspartner beim Sport und als Laufbursche in der Firma beschäftigt, und Schmeißer, ein gerissener Privatdetektiv, der bei dem Chef der Unternehmensgruppe in Vollbeschäftigung steht.

      Iris sieht, daß ihr Mann auf die Terrasse zurückgekehrt ist, und klettert aus dem Schwimmbecken, schlüpft in hochhackige Schuhe. »Ärger, Henry?« ruft sie schon von weitem.

      »Geschäfte«, erwidert er. Ihr Erscheinen regeneriert seine Laune.

      Sie nähert sich ihm lächelnd, strahlt ihn mit ihren dunklen Augen an, schüttelt die schwarze Haarpracht, rankt an ihm empor, küßt ihn wie Katharina Howard, die sechste und letzte Gemahlin den englischen König Heinrich VIII., die einzige, die der Blaubart nach Meinung der Historiker wirklich geliebt hat – was sie vor späterer Enthauptung nicht bewahren konnte.

      Eine Umarmung lang spürt Kamossa ein Gefühl von Besitzerstoiz und Eifersucht. Iris ist die erste Frau, die seine Selbstherrlichkeit dämpft und seine Überlegenheit einschränkt. Die ehemalige ›Miß Austria‹ und stellvertretende ›Miß Europa‹ – es hatte damals bei der Wahl einen Aufruhr gegeben, weil das Publikum sie als Erste sehen wollte – ist mehr als eine prächtige Vorzeigefrau, bewundert von vielen, vorwiegend Männern, vom Pubertätsjüngling bis zum Lustgreis. Die gebürtige Wienerin muß die erste seiner Frauen sein, die Kamossa wirklich etwas bedeutet; er spürt es gerade dann am meisten, wenn er sie hintergangen hat. Es geschieht immer seltener, vielleicht liegt es an ihrer Persönlichkeit – attraktiv waren alle seine Ehefrauen gewesen – oder an seinen Jahren.

      Kamossa brauchte lange, um die Umschwärmte für sich zu gewinnen. Realist, der er ist, gestand er sich hinterher ein, Iris vor vier Jahren eher gekauft als erobert zu haben. Es lag nicht nur daran, daß der erhebliche Altersunterschied seinen Preis forderte. Der schönen Iris war von mindestens einem halben Dutzend anderer Nabobs eine Sofort-Ehe angeboten worden. Kamossa hatte zunächst nicht mithalten können, weil Mable, seine vierte – amerikanische – Ehefrau, sich hartnäckig geweigert hatte, nach zwanzig Jahren in eine endgültige Trennung einzuwilligen. Während einer über zwölf Monate dauernden Schlammschlacht mußte er bangen, Iris könnte sich für einen jüngeren – und trotzdem wohlhabenden – Kandidaten entscheiden. Schließlich schaffte er gegen eine Fünf-Millionen-Abfindung eine blutige Scheidung: sie machte Iris nicht nur zur liebsten, sondern auch teuersten seiner Ehefrauen.

      »Du wirst jeden Tag schöner«, stellt er am Frühstückstisch fest.

      »Und du immer galanter«, gibt Iris zurück »Wenigstens mit Worten.«

      »Unzufrieden?«

      »Allerdings.« Sie geht zum Angriff über. »Ich nehme es künftig nicht mehr hin, daß du dich tagelang irgendwo herumtreibst, ohne daß ich weiß, wo genau du dich in dieser Zeit aufhältst. Seit zwei Tagen habe ich in unserem Haus im Cap d’Antibes und im Hotel angerufen. Zuletzt sogar bei der Bank in Nizza. Ich konnte nicht erfahren, wo du bist und stand da wie ein depperter Dotsch’n.«

      Immer wenn sie in ihren heimischen Dialekt fällt, ist sie wirklich zornig.

      »Tut mir leid, Iris«, beteuert der Großunternehmer und tätschelt ihr begütigend die Hand.

      »Deine Geschäftsfreunde haben immer wieder bei mir angerufen. Sie wollten dich dringend sprechen. Micha war nicht da, und ich, deine Frau, mußte ihnen sagen, daß ich nicht weiß, wo du steckst.« Sie schiebt seine Hand weg. »Ich bin 34 Jahre jünger als du und …«

      »Dreiunddreißigeinhalb«, verbessert er sie.

      »… stand da wie eine betrogene Ehefrau und mußte Erklärungen stottern, auf die sich jeder Anrufer seinen Vers machen konnte. Und dann kommst du unangemeldet

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