Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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Chefarzt Dr. Norden Staffel 5 – Arztroman - Patricia Vandenberg Chefarzt Dr. Norden Staffel

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einem Ruck machte sich Deniz los und blieb stehen.

      »Meine Güte! Immer noch derselbe Spießer!« Er machte ein Gesicht, als litte sein Bruder an einer unheilbaren Krankheit. »Hallo erst einmal. Ich freue mich auch, dich zu sehen.«

      »Ja, ja, schon gut.« Milan Aydin packte die Greifräder und schob an.

      Kurz bevor er um die Ecke verschwand, nahm Deniz die Verfolgung auf. Sein Blick glitt über die großformatigen Fotos an den Wänden. Die indirekte Beleuchtung. Den Vinylboden in Schiffsoptik.

      »Cooler Schuppen hier«, keuchte er.

      »Stimmt. Eine angenehme Arbeitsatmosphäre.« Ein Handgriff, und der Rollstuhl driftete um die Ecke.

      »Jetzt bleib doch mal stehen!«, rief Deniz seinem Bruder nach. »Ich habe dir auch was mitgebracht.« Wieder holte er Milan ein. Seine Hand verschwand in der Tasche. Zog und zerrte, ehe er ein T-Shirt ans Tageslicht beförderte. »Na, wie gefällt’s dir? Selbstgemacht. Das ist gar nicht so schwer«, erklärte er atemlos. »Du brauchst nur Computer und Drucker, ein Transferpapier und ein Bügeleisen. Wenn du willst, zeige ich es dir.«

      Endlich tat Milan ihm den Gefallen und hielt an. Er betrachtete die weiße Silhouette eines Cannabisblattes auf dem schwarzen Stoff.

      »Bist du völlig übergeschnappt?« Er riss Deniz das Shirt aus der Hand und stopfte es sich in den Rücken. »Was sollen die Kollegen von mir denken, wenn sie das sehen?«

      Statt einer Antwort legte Deniz den Kopf in den Nacken und lachte los.

      »Dich zu besuchen, war die beste Idee seit Jahren. Wir werden eine Menge Spaß haben.«

      Dasselbe befürchtete Milan auch. Er presste die Lippen aufeinander und fuhr weiter.

      *

      Das Martinshorn verhallte im Hof der Behnisch-Klinik. Bremsen quietschten. Wenige Augenblicke später sprang Dr. Erwin Huber aus dem Rettungswagen. Er lief um das Fahrzeug herum und riss die Türen auf.

      »Moritz Loibl, 32 Jahre alt. Sturz nach Bewusstlosigkeit. Verdacht auf Unterschenkelfraktur. Seit er wieder zu sich gekommen ist, kämpft er zudem mit Atemnot.« Während er seinen Kollegen Dr. Matthias Weigand mit den nötigen Informationen versorgte, schoss ein schwarzer Wagen haarscharf um die Ecke der Notaufnahme. Einen Moment lang waren die beiden Ärzte abgelenkt. Sie starrten den Fahrer an, der aus dem Auto sprang.

      »Wie geht es Moritz? Ist er wieder bei Bewusstsein? Was ist mit seinem Bein?«

      »Parken Sie den Wagen erst einmal anständig auf dem Besucherparkplatz und stellen Sie den Motor ab. Dann reden wir weiter.« Matthias wandte sich ab und verschwand mit dem Kollegen Huber und der Transportliege in der Ambulanz.

      »Ich krieg keine Luft«, japste Moritz auf dem Weg in die Schockbox. Die Sauerstoffmaske war verrutscht.

      Dr. Huber rückte sie wieder an ihren Platz.

      »Atmen Sie ruhig und gleichmäßig.« Dr. Weigand signierte das Protokoll, das der Kollege ihm hinhielt. Dann gehörte seine ganze Aufmerksamkeit dem Patienten. »So ist es gut.«

      Ledersohlen klapperten auf dem Boden.

      »Moritz ist in der Fußgängerzone zusammengebrochen und von der Balustrade gestürzt«, keuchte die Stimme von vorhin. So schnell hatte Matthias den Besucher nicht zurückerwartet.

      »Wer sind Sie?«

      »Wie? Was?« Vincent stemmte die Hände in die Hüften. Seine Brust hob und senkte sich stoßweise. Es dauerte einen Moment, bis er weitersprechen konnte. »Ach so. Ja. Natürlich. Vincent Trautmann. Moritz ist mein bester Freund. Mein Trauzeuge.« Er starrte auf Moritz, der noch immer verzweifelt nach Luft rang. »Was ist mit ihm?«

      Ein schneller Blick auf das Protokoll.

      »Vermutlich ein Herzinfarkt.« Dr. Weigand trat an die Seite seines Patienten und machte sich an die Arbeit.

      Vince riss die Augen auf.

      »Wie? Ein Herzinfarkt? Aber er ist doch noch so jung.«

      »Trotzdem ist es möglich, schon im zarten Alter von 20 Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden.« Eine Elektrode nach der anderen fand ihren Platz auf Moritz’ Brust. »Ein Grund dafür kann die frühzeitige Entstehung einer Arteriosklerose sein.«

      »Aha.«

      »Bevor wir uns aber irgendwelchen Spekulationen hingeben, schreiben wir ein EKG. Danach wissen wir mehr.« Matthias schaltete das Gerät ein.

      Matthias erinnerte sich gut daran, als er zum ersten Mal bei einem EKG zugesehen hatte. Besonders fasziniert hatte ihn die Nadel, die leise ratternd über den Streifen Papier gesaust und die Ausschläge aufgezeichnet hatte. Damals war er noch ein Kind gewesen. Heute ratterte nichts mehr. Und auch die Nadel gehörte längst der Vergangenheit an.

      Lautlos schob sich der Streifen Papier aus dem Drucker. Das einzige Geräusch war Vincents Schuhspitze, die unablässig auf den Boden tappte.

      »Und? Sehen Sie schon was?«, fragte er nach einer Weile.

      Dr. Weigand sah hinüber zu seinem Patienten. Die Sauerstoffgabe zeigte Wirkung. Moritz hatte sich inzwischen beruhigt. Er verstand die stumme Frage des Arztes und blinzelte eine stumme Zustimmung. Matthias betrachtete die Aufzeichnungen. Er wiegte den Kopf.

      »Das EKG zeigt nur eine dezente ST-Hebung.«

      »Wie bitte?«

      Der Notarzt unterdrückte ein Seufzen. Natürlich verstand er, dass die Angehörigen informiert sein wollten. Aber dass er jede noch so kleine Bemerkung übersetzen musste, war manchmal anstrengend.

      »Die ST-Hebung ist ein bestimmtes Muster im EKG. Sie spiegelt die Veränderung der Stromfrequenz wieder, die ein Infarkt im Herzen auslöst.«

      »Also doch kein Herzinfarkt?«

      Wenigstens dachte der Bräutigam mit.

      »Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen«, erwiderte Matthias. »Wir haben nämlich einen dritten Herzton, der durchaus ein Anzeichen für einen Infarkt sein kann. Um Gewissheit zu bekommen, machen wir einen Herzultraschall und eine Blutuntersuchung.« Er wandte sich an seinen Patienten. »Danach wissen wir, was mit Ihnen los ist.« Er nickte den beiden Männern zu, ehe er hinüber zur Schwester ging, um seine Anweisungen weiterzugeben.

      *

      »Mein Privatleben ist Verschlusssache. Das geht niemanden etwas an. Schon gar nicht die Kollegen in der Klinik.« Krachend fiel die Tür des Aufenthaltsraums hinter Milan Aydin ins Schloss. Wenigstens in dieser Hinsicht war ihm das Schicksal gnädig gestimmt. Das Zimmer war leer und würde es hoffentlich noch so lange bleiben, bis er seinem Bruder die Leviten gelesen hatte.

      Deniz durchquerte in aller Seelenruhe den Raum. Öffnete das Fenster und sah hinunter auf den Platz vor der Klinik. Dort unten herrschte ein reges Kommen und Gehen. Der Anblick erinnerte ihn an den Hauptbahnhof. Menschen mit Rollkoffern und Reisetaschen strebten auf die Glastüren zu. Ein Paketbote zog einen vollbeladenen Wagen hinter sich her. Doch auch ganz normale Passanten überquerten den Platz. Deniz überlegte nicht lange. Er öffnete den Fensterflügel weiter und beugte sich hinaus.

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