Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 123
»Oh, Herr! wie unerforschlich sind deine Gerichte und wie unergründlich deine Wege! Ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und daß er wiederkommen wird am Tage des Gerichtes. Mögen auch die Würmer diesen Körper zerstören, so werde ich doch in meinem Fleische Gott schauen: ja, diese meine Augen werden ihn sehen, der meine Zuversicht hienieden war.«
Als der Geistliche sein Gebet geschlossen, ließ er das Haupt demütig auf die Brust sinken, und in seinem ganzen Wesen sprach sich das ergebungsvolle Vertrauen aus, dem seine Begeisterung Worte geliehen hatte.
Sobald Herr Grant von der Leiche zurückgetreten war, näherte sich der Jäger seinem verblichenen Freund, ergriff dessen welke Hand und sah ihm eine Weile stumm und nachdrücklich in das erstarrte Gesicht; dann machte er seinen Gefühlen Luft, indem er mit der wehmütigen Stimme eines Tief ergriffenen also begann:
»Rote Haut oder weiße, – es ist jetzt alles vorüber! Er wird einen gerechten Richter finden, der sich nicht an Gesetze bindet, welche die Menschen gemacht haben. Nun, jetzt braucht nur noch einer zu sterben, und die Welt bleibt mir und meinen Hunden überlassen. Freilich muß der Mensch harren, bis es Gott gefällt, aber ich fange an, des Lebens müde zu werden. Die Bäume, die ich kenne, werden niedergeschlagen, und es wird mir schwer, ein Gesicht zu finden, mit dem ich in jüngeren Tagen vertraut war.«
Jetzt begannen große Tropfen Regen zu fallen und den trockenen Fels zu befeuchten, während das Gewitter rasch näher kam. Die Leiche des Indianers wurde hastig nach der Höhle hinuntergeschafft, und die Hunde folgten winselnd; denn sie vermißten den Blick, mit dem der Häuptling stets ihre Begrüßungen hingenommen hatte.
Edwards entschuldigte sich hastig und verwirrt, daß er Elisabeth nicht an denselben Ort, der jetzt vorn vollständig mit Holzpflöcken und Baumrinden geschlossen war, mitnehmen könne, indem er unverständlich etwas von dessen Dunkelheit und von der Unannehmlichkeit, sich mit einer Leiche in demselben Raum zu befinden, sprach. Miss Temple fand jedoch unter dem Felsenvorsprung einen zureichenden Schutz gegen die Regengüsse. Aber lange, ehe das Gewitter vorüber war, ließen sich von unten Stimmen hören, die laut nach Elisabeth riefen, und bald erschienen Männer, welche die noch glimmende Asche des Gebüsches niederschlugen, während sie sich vorsichtig durch die fast erloschenen Brandstellen arbeiteten.
Sobald der Regen nachließ, führte Oliver Elisabeth nach der Straße, wo er sich von ihr trennte. Ehe sie jedoch schieden, ergriff er die Gelegenheit, mit einer Wärme, die das Mädchen jetzt recht wohl zu deuten wußte, zu sprechen:
»Die Zeit des Geheimnisses ist vorüber, Miss Temple. Morgen um diese Zeit werde ich einen Schleier entfernen, den ich so lange um mich und meine Angelegenheiten zu hüllen schwach genug war. Doch wer hat nicht in seiner Jugend, wenn Leidenschaften in seinem Innern wühlen, seine romanhaften und törichten Schwächen? Gott behüte Sie! Ich höre die Stimme Ihres Vaters; er kommt den Weg herauf, und ich möchte jetzt nicht aufgehalten werden. Gott sei Dank, daß Sie gerettet sind! Dieser Gedanke allein wälzt die Last einer Welt von meiner Seele.«
Er wartete nicht auf Antwort, sondern enteilte in den Wald. Obgleich Elisabeth die Stimme ihres Vaters rufen hörte, so blieb sie doch stehen, bis der junge Mann unter den rauchenden Bäumen verborgen war; dann wandte sie sich um, und im Nu lag sie in den Armen ihres vor Angst halb wahnsinnigen Vaters.
Man hatte auf den Ruf, daß die Verlorene gefunden sei, einen Wagen herbeigeschafft, von dem Miss Temple alsbald Gebrauch machte, und die Leute kehrten nach dem Dorf zurück, zwar naß und schmutzig, aber neu belebt durch den Gedanken, daß die Tochter ihres Grundherrn einem so frühen und schrecklichen Ende entronnen sei.
XXXIX
Selictar! Laß des Häuptlings Schwert erblinken!
Tambourgi! Ruf zum Schlachtsignal die Zinken!
Ihr Berge, Zeugen unsres Landens hie,
Ihr seht uns siegreich wieder oder nie!
Byron
Die schweren Gewitterschauer, die den Tag über fielen, taten dem Fortschreiten der Flammen vollständig Einhalt, obgleich man auch in der Nacht noch an verschiedenen Stellen des Berges, wo besonders viel Brennmaterial aufgehäuft war, glimmende Feuer bemerken konnte. Am andern Morgen sah man die Wälder viele Meilen weit schwarz und rauchend und nirgends mehr auch nur eine Spur von Gebüsch oder abgestorbenem Holz; die Fichten und Tannen aber erhoben noch ihre stolzen Häupter auf den Bergen, und auch die kleineren Bäume des Forstes zeigten noch einige Merkmale von Leben und Vegetation.
Das tausendzüngige Gerücht war nach seiner Weise geschäftig gewesen, Elisabeths wunderbares Entkommen noch auszuschmücken, und es ging allgemein die Rede, daß Mohegan wirklich den Flammen zum Raub geworden sei. Man ließ sich diesen Glauben um so weniger nehmen, als sich zu gleicher Zeit die schreckliche Nachricht im Dorf verbreitete, Jotham Riddel, der Bergmann, sei in seinem Loch halb erstickt und derartig versengt gefunden worden, daß für sein Leben wenig zu hoffen sei.
Die Ereignisse der letzten paar Tage waren wohl geeignet, die allgemeine Aufmerksamkeit rege zu erhalten, um so mehr, als die verurteilten Falschmünzer sich den Wink Nattys zunutze gemacht, die Nacht nach dem Brand gleichfalls ihr Holzgefängnis durchbrochen und ihr Heil in den Wäldern gesucht hatten. Solche Neuigkeiten, im Verein mit Jothams Schicksal und den Übertreibungen, die man sich von dem, was sich auf dem Berg begeben, erzählte, waren wohl imstande, die öffentliche Meinung dafür zu stimmen, daß es zweckmäßig sein möchte, diejenigen Flüchtlinge, die noch zu erreichen wären, aufzugreifen. Man sprach von der Höhle als dem geheimen Aufenthaltsort der Schuldigen, und da man die wirren Gerüchte von Erzen und Metallen mit den Falschmünzern in Verbindung brachte, so wähnte die geschäftige Phantasie des Volkes dort den Inbegriff alles Verruchten, was den Frieden der Gesellschaft stören konnte, zu finden. Während sich der große Haufen in diesem Zustand der Aufregung befand, wurden auch Andeutungen laut, daß Edwards und Lederstrumpf den Wald in Brand gesteckt hätten und daß sie daher allein für den Schaden verantwortlich wären. Diese Beschuldigung, welche hauptsächlich durch Leute in Umlauf gesetzt wurde, die durch ihre eigene Unachtsamkeit das Unglück herbeigeführt hatten, fand bald allgemeinen Glauben, und es war nur eine Stimme, daß man versuchen müsse, die Verbrecher zur Strafe zu ziehen, Richard blieb nicht taub bei solchen Bewegungen, und noch desselben Nachmittags schickte er sich allen Ernstes an, sein Amt zu versehen.
Mehrere kräftige junge Männer wurden auserlesen und geheimnisvoll beiseite genommen, um, zwar angesichts der ganzen Dorfbevölkerung, aber außer dem Bereich von deren Ohren, die Aufträge des Sheriffs zu erhalten. Diensteifrig und mit einer Geschäftigkeit, als ob das Schicksal einer Welt von ihrer Tätigkeit abhinge, eilten diese Jünglinge in die Berge, indem sie zugleich so geheimnisvoll taten, als seien sie mit der allerwichtigsten Staatsangelegenheit betraut worden.
Punkt zwölf Uhr wirbelte eine Trommel vor dem ›Kühnen Dragoner‹, und Richard erschien in der Begleitung des Kapitäns Hollister, der sich in seiner Uniform als Kommandant der Templetoner leichten Infanterie präsentierte, um von diesem im Interesse der Gesetzeswahrung ein Aufgebot des Landsturms zu verlangen. Es fehlt uns hier an Raum, um die Reden mitzuteilen, welche bei dieser Gelegenheit von den genannten beiden Ehrenmännern gehalten wurden; sie sind aber aufbewahrt in den Spalten der kleinen blauen Zeitung, die an Ort und Stelle zu finden ist, und sollen der Gesetzeskunde des einen und der militärischen Präzision des andern viel Ehre machen. Man hatte vorläufig bereits alles angeordnet, und