Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 127
Die gespannteste Erwartung beherrschte die stummen Zuschauer. Endlich versuchte der greise Fremde, nachdem er die Anwesenden mit leeren Blicken betrachtet, von seinem Sitze aufzustehen, und ein schwaches Lächeln – der Ausdruck der Höflichkeit – flog über seine verfallenen Züge, als er mit hohler, bebender Stimme sprach:
»Ist es gefällig, Platz zu nehmen, meine Herren? Der Kriegsrat wird sogleich beginnen. Jeder, der den guten und tugendhaften König liebt, wünscht, daß diese Kolonien ihre Treue bewahren. Setzen Sie sich, setzen Sie sich – ich bitte, meine Herrn. Die Truppen brauchen für heute nicht weiterzumarschieren.«
»Das ist die Sprache des Irrsinns«, sagte Marmaduke. »Wer erklärt uns diese Szene?«
»Nicht doch, Sir«, entgegnete Edwards mit Festigkeit, »es ist nur die Hinfälligkeit der Natur, und uns bleibt allein noch übrig, zu zeigen, wer für diesen bedauernswürdigen Zustand verantwortlich ist.«
»Wollen die Herren mit uns speisen, mein Sohn?« fragte der alte Fremde, indem er sich der Stimme zuwandte, die er kannte und liebte. »Laß ein geeignetes Mahl für die Offiziere Seiner Majestät bereiten. Du weißt, es steht uns immer das beste Wildbret zu Gebot«
»Wer ist dieser Mann?« fragte Marmaduke hastig; denn mit dem Anteil, den er an dem Auftritt nahm, schien sich eine Ahnung der Wahrheit zu verbinden.
»Dieser Mann?« erwiderte Edwards ruhig, obgleich sich seine Stimme im Verlauf der Rede steigerte, »dieser Mann, Sir, den Sie in Höhlen versteckt und alles dessen beraubt sehen, was das Leben wünschenswert machen kann, war einst der Gefährte und Ratgeber derjenigen die dieses Land beherrschten. Der Mann, den Sie hier schwach und hilflos sehen, war einst ein so braver und furchtloser Krieger, daß selbst die unerschrockenen Eingeborenen ihm den Namen des Feueressers gaben. Der Mann, den Sie hier obdachlos sehen, war einst der Besitzer großer Reichtümer, – ja, Richter Temple, und noch dazu der rechtmäßige Eigentümer des Bodens, auf dem wir stehen. Dieser Mann war der Vater von –«
»So ist er also«, rief Marmaduke in heftiger Bewegung, »so ist er also der verloren geglaubte Major Effingham?«
»Jawohl, verloren«, entgegnete der Jüngling, einen durchbohrenden Blick auf den Richter heftend.
»Und Sie? Und Sie?« fuhr der Richter kaum verständlich fort. »Ich bin sein Enkel.«
Eine tiefe Pause folgte. Alle Augen hafteten an den Sprechern, und selbst der alte Deutsche schien den Ausgang in höchster Spannung zu erwarten. Aber der Augenblick der Erregung war bald vorüber. Marmaduke erhob sein Haupt, das – nicht aus Scham, sondern in demütigem Dank – auf die Brust gesunken war, und große Tränen fielen über sein schönes Gesicht, während er die Hand des Jünglings mit vieler Wärme ergriff und sprach:
»Oliver, ich vergebe dir all deine Härte – all deinen Argwohn. Ich vergebe dir alles, nur nicht, daß du diesen Greis an einem solchen Ort weilen ließest, während nicht bloß meine Wohnung, sondern mein ganzes Vermögen dir und ihm zu Gebote gestanden hätten.«
»Er ist treu wie Stahl!« rief Major Hartmann. »Hab’ ich’s dir nicht gesagt, Junge, daß Marmaduke Temple keiner von denen sei, die einen Freund zur Zeit der Not verlassen?«
»Es ist wahr, Richter Temple, daß meine Ansichten über Sie durch das, was mir dieser würdige Mann erzählt hat, zum Wanken gebracht worden sind. Da es mir unmöglich war, meinen Großvater dahin zurückzubringen, woher ihn die Liebe eines alten Mannes geführt hat, ohne eine Entdeckung befürchten zu müssen, so begab ich mich an den Mohawk, um einen seiner früheren Kameraden aufzusuchen, auf dessen Gerechtigkeitssinn ich vertraute. Er ist Ihr Freund, Richter Temple; wenn aber das, was er sagt, wahr ist, so haben mein Vater und ich Sie zu hart beurteilt.«
»Sie nennen Ihren Vater?« entgegnete Marmaduke gefühlvoll. »Ist er wirklich mit dem Paketboot verunglückt?«
»Ja. Er hatte mich nach mehrjährigen fruchtlosen Bewerbungen und in verhältnismäßiger Armut in Neuschottland zurückgelassen, – um eine Entschädigung für seine Verluste zu erwirken, die endlich auch von der britischen Krone bewilligt wurde. Nachdem er ein Jahr in England verbracht, kehrte er auf seinem Weg nach Westindien, wo er eine Statthalterstelle übernehmen sollte, nach Halifax zurück, um den Ort aufzusuchen, wo mein Großvater seit dem Kriege geweilt hatte – um uns beide mit sich zu nehmen.«
»Aber du?« versetzte Marmaduke mit warmer Teilnahme. »Ich glaubte, du wärest mit ihm umgekommen.«
Der junge Mann errötete, als er die verwunderten Gesichter der Umstehenden gewahr wurde, gab jedoch keine Antwort. Marmaduke wandte sich jetzt an Kapitän Hollister, der sich eben wieder seiner Mannschaft angeschlossen hatte, und sprach:
»Führe deine Soldaten wieder zurück und entlasse sie! Der Eifer des Sheriffs hat ihn über die Grenzen seiner amtlichen Wirksamkeit hinausgeführt. Doktor Todd, ich werde Euch Dank wissen, wenn Ihr nach der Beschädigung seht, welche Hiram Doolittle bei dieser unangenehmen Geschichte davongetragen hat. Richard, ich wäre dir dankbar, wenn du den Wagen heraufschicktest. Benjamin, Ihr kehrt zu Eurem Dienst in meiner Familie zurück!«
So ungelegen auch diese Befehle den meisten Anwesenden kamen, so bewirkten doch die Besorgnis, den heilsamen Zwang des Gesetzes zu weit getrieben zu haben, und die gewohnte Achtung vor den Geboten des Richters schleunigen Gehorsam. Als sie sich entfernt hatten und der Fels nur noch im Besitz derjenigen war, für welche die Entwicklung der Sache einen besonderen Wert hatte, deutete Marmaduke auf den alten Major Effingham und sagte zu dessen Enkel:
»Wäre es nicht besser, deinen Großvater von diesem zugigen Platz wegzubringen, bis mein Wagen ankommt?«
»Verzeihung, Sir, die Luft tut ihm gut, und er hat sich stets an ihr gelabt, sooft keine Entdeckung zu befürchten war. Ich weiß nicht, wie ich mich zu benehmen habe, Richter Temple; darf ich – kann ich zugeben, daß der Major Effingham in Ihr Haus zieht?«
»Das magst du selbst beurteilen«, entgegnete Marmaduke. »Dein Vater war mein Jugendfreund. Er vertraute mir sein Vermögen an. Als wir uns trennten, setzte er eine so große Zuversicht in mich, daß er weder Empfangsschein noch sonstige Sicherheit von mir nehmen wollte, selbst wenn ich Zeit oder Gelegenheit gehabt hätte, letztere zu leisten. – Du mußt hiervon wohl gehört haben?«
»Allerdings, Sir«, versetzte Edwards oder vielmehr Effingham, wie wir ihn jetzt nennen müssen.
»Wir hatten verschiedene politische Ansichten. Siegte die Sache Amerikas, so wußte niemand von unserer Übereinkunft, und deines Vaters Vertrauen war mir heilig; blieb aber die Herrschaft der Krone bestehen, so mußte es ein leichtes sein, einem so loyalen Untertanen, wie Oberst Effingham war, sein Eigentum zurückzuerstatten. – Ist dies nicht klar?«
»Die Einleitung ist gut, Sir«, entgegnete der Jüngling mit demselben ungläubigen Blick wie früher.
»Höre ihn vollends an, höre ihn vollends an, junger Mensch«, sagte der Deutsche. »Es ist kein Haar auf dem Kopf des Richters, das es nicht ehrlich meint.«
»Wir alle kennen den Ausgang des Kampfes«, fuhr Marmaduke fort, ohne die Worte der beiden zu beachten. »Dein Großvater blieb in Connecticut, wo ihn dein Vater mit den Mitteln versah, die für einen anständigen Unterhalt nötig waren. Ich weiß dies, obgleich ich selbst in unseren glücklichsten Tagen