Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 58
»Ich werde es mir zur Ehre rechnen müssen, Dick, wenn ich ihn veranlassen kann, an unserem Tisch zu essen«, sagte Marmaduke. »Es kann daher von einem so unwürdigen Vorschlag, wie du ihn machst, keine Rede sein.«
»Dann Vater«, sagte Elisabeth mit einer Miene, welche ausdrücken sollte, daß sie sich ihres Vaters Befehlen gegen ihren Willen füge, »dann ist es wohl deine Absicht, ihn als einen Gentleman zu behandeln?«
»Allerdings, und ich hoffe, er wird sich als ein solcher erweisen. Es soll ihm eine Behandlung zuteil werden, wie sie seiner Stellung angemessen ist, bis wir finden, daß er sie nicht verdient.«
»Wohl, wohl, Duke«, rief der Sheriff, »du wirst aber finden, daß es nichts Leichtes ist, einen Gentleman aus ihm zu machen; denn dem alten Sprichworte zufolge gehören drei Generationen dazu. Was mein Vater war, weiß jedermann, mein Großvater war ein Doktor medicinae, und sein Vater ein Doktor Divinitatis, dessen Vater aus England kam. Über die Abkunft des letzteren konnte ich nicht ins klare kommen; aber er war entweder ein großer Kaufmann aus London oder ein großer Rechtsgelehrter aus der Provinz oder der jüngste Sohn eines Bischofs.«
»Nun, du hast einen echt amerikanischen Stammbaum«, sagte Marmaduke lachend, »er geht so weit, bis du ans Wasser kommst; und da man von dem, was drüber hinausliegt, nichts mehr weiß, so lautet von nun an alles im Superlativ. Jedenfalls bist du überzeugt, Dick, daß dein englischer Ahnherr ein großer Mann war, welchem Beruf er auch angehört haben mag.«
»Zuverlässig«, entgegnete der andere. »Ich habe meine alte Tante oft von ihm sprechen hören. Wir sind von guter Familie, Richter Temple, und haben immer nur ehrenvolle Stellen bekleidet.«
»Es wundert mich nur, daß du dich mit einem so spärlichen Vorrat von Adel in den alten Zeiten begnügst, Dick. Die meisten amerikanischen Genealogen beginnen ihre glaubwürdigen Berichte nach Weise der Kindermärchen mit drei Brüdern und tragen Sorge dafür, daß einer von diesem Triumvirat der Stammvater einer Familie wird, welche sich durch Erdengüter auszeichnet. Aber hier bei uns sind alle, die sich anständig zu benehmen wissen, gleich, und Oliver Edwards soll in meiner Familie die gleichen Ansprüche haben wie der Obersheriff und der Richter.«
»Aber, Duke, das ist Demokratie, nicht Republikanismus! Doch ich will schweigen, sorge nur, daß er in den Schranken des Gesetzes bleibt; sonst will ich ihm zeigen, daß die Freiheit selbst in diesem Landstrich unter einem heilsamen Zwang steht«
»Nun, Dick, du wirst ihn doch nicht aufknüpfen lassen wollen, ehe ich ihn verurteilt habe? Aber was sagt meine Beß zu dem neuen Hausgenossen? Wir müssen natürlich auch die Damen darüber hören.«
»Ach, Vater«, entgegnete Elisabeth, »ich glaube, ich gleiche in diesem Stück einem gewissen Richter Temple – das heißt: ich bin nicht leicht von meiner Ansicht abzubringen. Aber, ernsthaft gesprochen, – obgleich ich die Einführung eines Halbwilden in die Familie für ein befremdendes Ereignis halten muß, so werde auch ich jeden, dem du deine Aufmerksamkeit schenkst, mit Achtung behandeln.«
Der Richter zog ihren Arm fester an sich und lächelte, während Richard durch das kleine Tor hinter dem Hause voranging und seine bedenklichen Warnungen mit der gewohnten Geschwätzigkeit ausströmen ließ.
Die Waldbewohner – denn die drei Jäger verdienen ungeachtet ihrer Charakterverschiedenheit gar wohl diese Benennung – gingen schweigend am Dorf vorbei ihres Weges. Erst als sie den See erreicht hatten und auf dessen gefrorener Oberfläche nach dem Fuß des Felsens gingen, wo ihre Hütte stand, unterbrach der Jüngling die Stille.
»Wer hätte dies vor einem Monat vorausgesehen?« fing er an. »Ich habe eingewilligt, Marmaduke zu dienen – ein Hausgenosse des größten Feindes meines Geschlechtes zu werden! Doch was konnte ich Besseres tun? Die Knechtschaft kann nicht lange dauern, und wenn der Beweggrund, der mich zu dieser Unterwerfung veranlaßt, aufhört, so werde ich sie abschütteln wie den Staub von meinen Füßen.«
»Ist er ein Mingo, daß du ihn deinen Feind nennst?« fragte Mohegan. »Der Delawarenkrieger sitzt still und wartet auf die Ankunft des Großen Geistes. Er ist kein Weib, um wie ein Kind zu weinen.«
»Ich traue der Sache nicht, John«, sagte Lederstrumpf, in dessen Miene sich die ganze Zeit über lebhafte Zweifel ausgesprochen hatten. »Man spricht davon, daß es neue Gesetze im Lande geben solle, und ich bin überzeugt, daß dies neue Wege in die Berge zur Folge hat Das Land hat sich so verändert, daß man kaum noch die Seen und die Ströme erkennt Ich muß sagen, daß ich solchen glatten Zungen nicht traue; denn sooft ich schöne Reden aus dem Mund der Weißen vernahm, so hatten sie’s am ehesten auf die Ländereien der Indianer abgesehen. Ich kann dies nicht in Abrede stellen, obgleich ich selbst ein Weißer bin und in der Nähe von York von rechtschaffenen Eltern geboren wurde.«
»Ich will mich fügen«, sagte der Jüngling. »Ich will vergessen, was ich bin. Erinnere mich nicht mehr daran, alter John, daß ich der Abkömmling eines Delawarenhäuptlings bin, der einst Herr war über diese edlen Berge, diese schönen Täler und dieses Wasser, auf dem unser Fuß dahingleitet. Ja, ich will sein Vasall – sein Sklave werden. Ist es nicht eine ehrenvolle Knechtschaft, alter Mann?«
»Alter Mann?« wiederholte der Indianer feierlich und blieb stehen, wie er gewöhnlich zu tun pflegte, wenn ihn etwas sehr aufregte. »Ja, John ist alt, Sohn meines Bruders. Als Mohegan jung war, – wann sah man seine Büchse ruhen? Wohin konnte sich der Hirsch verbergen, ohne daß er ihn fand? Aber John ist alt, seine Hand ist die Hand eines Weibes, sein Tomahawk ist eine Holzaxt, Disteln und Gesträuch sind seine Feinde, – er weiß keinen andern mehr zu treffen. Hunger und Alter treffen zusammen. Sieh, Hawk-eye! als er jung war, konnte er tagelang gehen, ohne etwas zu essen; aber wenn er jetzt nicht Gestrüpp an das Feuer legt, so löscht die Flamme aus. Ergreife die Hand von Miquons Sohn, und er wird dir helfen.«
»Ich gebe zu, daß ich nicht mehr der Mann bin, der ich war, Chingachgook«, erwiderte Lederstrumpf, »aber wenn’s nottut, kann ich auch jetzt noch fasten. Als wir die Fährte der Irokesen durch die Buchenwälder verfolgten, scheuchten sie das Wild vor sich her, und ich hatte vom Montag morgen bis Mittwoch abend keinen Bissen zu essen. Dann aber schoß ich an der pennsylvanischen Grenze einen so fetten Bock, wie nur je ein sterbliches Auge einen gesehen hat. Es hätte dir in der innersten Seele wohlgetan, wenn du die Delawaren hättest essen sehen; denn ich war auf Kundschaft aus und hatte einem Scharmützel ihres Stammes beigewohnt. Du lieber Himmel! die Indianer lagen still, Junge, und warteten, bis die Vorsehung ihnen einen Braten zuführte; aber ich sah mich nach Proviant um und machte dem Tier den Garaus, ehe es noch ein Dutzend Sprünge machen konnte. Ich war zu schwach und zu gierig, um auf das Fleisch warten zu können, und verhalf mir daher zu einem tüchtigen Trunk von seinem Blut, während die Indianer das Fleisch roh verzehrten. John war dabei, und John weiß die Sache. Aber ich muß gestehen, jetzt wäre mir doch ein solches Hungern zuviel, obgleich ich zeit meines Lebens kein starker Esser gewesen bin.«
»Es ist genug gesagt, meine Freunde«, rief der Jüngling. »Ich fühle, daß das Opfer von meinen Händen allenthalben verlangt wird, und es soll gebracht werden. Aber sprecht nicht weiter, ich bitte euch; die Sache fällt mir zu schwer aufs Herz.«
Seine Gefährten verstummten; bald hatten sie die Hütte erreicht, in welche sie eintraten, nachdem zuvor ein sehr komplizierter und sinnreich angebrachter Riegel entfernt war, der scheinbar den Zweck hatte, das ziemlich wertlose Eigentum der Männer zu schützen. Ungeheure Schneehaufen lehnten sich