Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper
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Читать онлайн книгу Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper страница 54
Zwischen ihm und Lederstrumpf hatte hinsichtlich der Kunstfertigkeit mit der Büchse schon lange eine eifersüchtige Nebenbuhlerschaft bestanden. Natty konnte sich zwar einer langen Übung rühmen, doch wurde allgemein angenommen, daß der Holzfäller, was Stärke des Armes und Schärfe des Blickes anbelangte, nicht hinter ihm zurückbleibe. Der Wettbewerb ihrer beiderseitigen Fähigkeiten hatte sich bisher auf das selbstgespendete Lob und auf Vergleiche beschränkt, die aus dem Erfolg ihrer Jagdausflüge gezogen wurden; aber jetzt sollten sie das erstemal öffentlich miteinander wetteifern. Billy Kirby war eben mit seinem Feilschen um den Preis eines auserlesenen Vogels einig geworden, als Natty und seine Gefährten anlangten. Der Schuß war bereits im voraus zu einem Schilling, der höchsten landesüblichen Einlage, angesetzt worden, und so suchte denn der Schwarze sich durch die Bedingungen des Schießens womöglich vor Verlust zu schützen. Der Truthahn war bereits an der Scheibe angebunden, sein Körper aber ganz von Schnee bedeckt, so daß man nichts als seinen roten schwellenden Kopf und den langen Hals sehen konnte. Wurde der Vogel unterhalb der Schneeoberfläche verletzt, so blieb er das Eigentum seines gegenwärtigen Besitzers; war aber nur eine Feder an einem sichtbaren Teile berührt, so fiel das Tier als Preis dem glücklichen Schützen anheim.
Der Neger, der in einer etwas gefährlichen Nachbarschaft bei seinem Lieblingsvogel im Schnee saß, hatte eben diese Bedingungen laut verkündet, als sich Elisabeth mit ihrem Vetter näherte. Die lauten Ausbrüche der Heiterkeit wurden durch diesen unerwarteten Besuch merklich gemindert; aber nach einer kurzen Pause, als man in dem lächelnden Gesichte der jungen Dame ihre freundliche Teilnahme gewahrte, kehrte die Freimütigkeit des Morgens wieder zurück, obschon alle sich in der Gegenwart eines solchen Zuschauers mit mehr Anstand und weniger Ungestüm benahmen.
»Aus dem Weg, ihr Jungen!« rief der Holzfäller, als er auf den Schießstand trat, »aus dem Wege, ihr jungen Spitzbuben, oder ich schieße Euch durch und durch. Nun, Brom, nehmt Abschied von Eurem Truthahn.«
»Halt!« rief der junge Jäger, »ich bin gleichfalls ein Bewerber. Hier ist mein Schilling, Brom, ich wünsche, auch einen Schuß zu haben.«
»Das mögt Ihr immerhin«, rief Kirby, »aber wie dann, wenn ich nur eine Feder des Puters streife? Habt Ihr soviel Geld in Eurer Ledertasche, daß Ihr für einen Schuß Zahlung leistet, der nie an Euch kommen wird?«
»Was kümmert’s Euch, wieviel Geld ich in der Tasche habe?« entgegnete der Jüngling stolz. »Hier ist mein Schilling, Brom, ich mache mein Recht auf einen Schuß geltend.«
»Nur nicht gleich oben hinaus, Junge«, sagte der andere, indem er ruhig seinen Flintenstein befestigte. »Man sagt, Ihr hättet ein Loch in Eurer linken Schulter; ich denke daher, Brom könnte Euch den Schuß zum halben Preise ablassen. Ich kann Euch sagen, Junge, es ist keine Kleinigkeit, den Vogel da zu treffen – selbst wenn ich Euch an die Reihe kommen ließe, was ich jedoch keineswegs im Sinn habe.«
»Tut nicht so dick, Billy Kirby«, sagte Natty, indem er den Schaft seiner Büchse auf den Schnee stieß und sich an den Lauf derselben lehnte. »Ihr dürft nur einmal auf den Vogel schießen, und wenn der Junge auch sein Ziel verfehlt, was mich um seines steifen und kranken Armes willen nicht wundernehmen sollte, so kommt doch noch ein gutes Gewehr und ein altes Auge nach Euch. Mag sein, daß mein Schuß nicht mehr so sicher ist wie vordem; aber hundert Ellen sind eine kurze Entfernung für eine lange Büchse.«
»Was, alter Lederstrumpf, Ihr seid auch schon auf den Beinen?« rief sein leichtfertiger Gegner. »Nun, ich lobe mir ein ehrlich Spiel. Ich habe die Vorhand vor Euch, alter Knabe; es handelt sich also um einen guten Braten oder ums Leerschlucken.«
Die Züge des Negers drückten nicht nur die sein pekuniäres Interesse ins Auge fassende Teilnahme, sondern auch die gleiche Aufregung aus, die in den Gesichtern aller Zuschauer zu lesen war, – nur mit ganz verschiedenen Wünschen für das Ergebnis. Während der Holzfäller langsam und mit sicherer Hand die Büchse erhob, rief ihm der Eigentümer des Truthahns zu:
»Ehrlich Spiel, Billy Kirby, – weiter zurück, – macht Platz, Jungen, – ich lasse mich nicht betrügen, – paß auf, Puter! Schüttle den Kopf, du Narr! Siehst du nicht, daß man auf dich zielt?«
Diese Rufe, welche die Absicht hatten, die Aufmerksamkeit des Schützen auf etwas anderes abzulenken, verfehlten ihren Zweck gänzlich. Die Nerven des Holzfällers waren nicht so leicht zu erschüttern, und er nahm alsbald sein Ziel mit der größten Bedachtsamkeit. Einen Augenblick herrschte die tiefste Stille, und der Schuß fiel. Der Kopf des Truthahns duckte sich auf die eine Seite, und seine Schwingen breiteten sich für einen Augenblick aus, aber dann setzte er sich ruhig wieder in sein Bett von Schnee und sah scheu umher. Mit verhaltenem Atem dauerte das Schweigen noch eine Weile fort, aber dann wurde es durch den Neger unterbrochen, welcher ein Gelächter aufschlug und im Übermaß des Entzückens mit seinem Körper alle nur erdenklichen Verzerrungen vornahm und sich im Schnee wälzte.
»Brav gehalten, Puter«, rief er, wieder aufspringend und auf den Vogel zueilend, als wollte er ihn umarmen. »Ich sagte ja, du sollest aufpassen und ihn hinters Licht führen. Gebt noch einen Schilling, Billy, und Ihr sollt einen zweiten Schuß haben.«
»Nein«, sagte der junge Jäger, »die Reihe kommt jetzt an mich. Ihr habt schon mein Geld; tretet daher von der Scheibe weg, damit ich mein Glück versuchen kann.«
»Ach, es ist hinausgeworfenes Geld«, entgegnete Lederstrumpf
»Der Kopf und Hals eines Truthahns sind ein gar kleines Ziel für einen lahmen Arm. Es wäre besser, Ihr ließet mich schießen; vielleicht können wir dann wegen des Vogels mit der Dame ein Abfinden treffen.«
»Der zweite Schuß gehört mir«, entgegnete der junge Jäger. »Macht Platz, daß ich mein Ziel nehmen kann!«
Der Streit hinsichtlich des letzten Schusses ließ nun nach, da sich herausgestellt hatte, daß der Truthahn notwendig getötet worden wäre, wenn sein Kopf anders gestanden hätte. Die Vorbereitungen des Jünglings veranlaßten keine besondere Aufregung; er nahm hastig sein Ziel und war eben im Begriff abzudrücken, als er von Natty aufgehalten wurde.
»Eure Hand zittert, Junge«, sagte er, »und Ihr seid allzu eifrig. Kugelwunden sind wohl imstande, die Kraft zu mindern, und nach meinem Dafürhalten werdet Ihr nicht so gut wie sonst schießen. Wenn Ihr feuern wollt, so muß es rasch geschehen, ehe Eure unsichere Hand vom Ziel abgleiten kann.«
»Ehrlich Spiel!« rief der Besitzer wieder. »Laßt einem Neger ehrlich Spiel! Welches Recht hatte Natty Bumppo, dem jungen Manne Rat zu erteilen? Laßt ihn schießen! Platz gemacht!«
Der Jüngling feuerte rasch, aber der Truthahn rührte sich nicht, und als man nach dem Einschlag der Kugel spähte, stellte sich’s heraus, daß sie sogar den Baumstumpf verfehlt hatte.
Elisabeth beobachtete den Wechsel in seinem Gesicht und konnte sich eines Gefühls von Überraschung nicht erwehren, als sie bemerkte, daß ein Mann, der augenscheinlich weit über seinem Gefährten stand, sich so sehr einen unbedeutenden Verlust