Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper. James Fenimore Cooper

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Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper - James Fenimore Cooper

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hatte er die Gewässer des Ontario gesehen. Ehedem machten ihm ein-, zwei-oder dreihundert Meilen bei seiner kräftigen Muskulatur, die jetzt allerdings durch das Alter etwas gelitten hatte, nichts aus. Der Jäger befolgte Mohegans Rat und schickte sich an, die mit Widerhaken versehene Waffe in den Nacken des Bocks zu stoßen.

      »Mehr links, John!« rief er; »mehr links! Noch einen Ruderschlag, und ich habe ihn!«

      Mit diesen Worten erhob er den Speer und ließ ihn wie einen Pfeil dahinfliegen. In diesem Augenblick machte der Bock eine Wendung, so daß der Schaft, dessen Eisen nur das Geweih streifte, an ihm vorbeisauste und ohne Schaden angerichtet zu haben, ins Wasser schoß.

      »Halt an!« rief Natty, als der Kahn über die Stelle glitt, wo der Speer hineingefallen war, »halt an, John!«

      Der Schaft tauchte bald wieder aus dem See auf, und der Jäger ergriff ihn, während der Indianer den leichten Kahn umwendete, um die Jagd zu erneuern. Aber diese Verzögerung setzte den Bock sehr in Vorteil, wie denn auch Edwards dadurch Zeit gewann, sich dem Schauplatz der Handlung zu nähern.

      »Laßt ab, Natty, laßt ab!« rief ihm der Jüngling zu. »Bedenkt, daß es außerhalb der Zeit ist.«

      Inzwischen war jedoch der Kahn bereits dem Ort nahe gekommen, wo der Hirsch tapfer mit dem Wasser kämpfte und bald mit dem Rücken über der Oberfläche auftauchte, bald wieder untersank, je nachdem die Wellen sich vor seiner Brust brachen.

      »Hurra!« schrie Edwards, bei dem Anblick über die Grenzen der Klugheit entflammt. »Gebt auf sein Lavieren acht! Rudert mehr rechts, Mohegan, mehr rechts; ich kann ihm dann das Tau über das Geweih werfen.«

      Das dunkle Auge des alten Kriegers rollte in seinem Antlitz vor wilder Begeisterung, und die träge Ruhe, mit der seine betagte Gestalt bisher im Kahn gesessen, verwandelte sich nun in die rührigste Tätigkeit. Der Kahn drehte sich bei jeder Bewegung des gehetzten Tiers wie eine auf einem Wirbel schwimmende Blase, und sooft das Jagdmanöver einen geraden Kurs gestattete, schoß das kleine Rindenfahrzeug mit einer Schnelligkeit dahin, die den Hirsch veranlaßte, sein Heil in neuen Wendungen zu suchen. Diese stets wechselnde Bewegung auf einein so kleinen Raum setzte den Jüngling auch instand, in der Nähe seiner Gefährten zu bleiben. Mehr als zwanzigmal glitten Wild und Verfolger an ihm vorbei, so daß er fast mit dem Ruder darnach hätte langen können, bis es ihm rätlich schien, ruhig liegenzubleiben und die Gelegenheit abzuwarten, insoweit seinen Beistand anzubieten, daß das erlegte Tier in seinem größeren Fahrzeuge untergebracht würde.

      Er brauchte indes nicht lange zu warten; denn kaum hatte er diesen Entschluß gefaßt und sich im Boot aufgerichtet, als er den Hirsch mutig auf sich zukommen sah, augenscheinlich in der Absicht, das Land in einiger Entfernung von den Hunden, die noch immer am Ufer bellten und heulten, zu erreichen. Edwards griff nach der Fangleine seines Nachens, drehte eine Schleife und warf dieselbe aus Leibeskräften, und zwar so glücklich aus, daß sie sich in dem einen Geweih des Bocks verfing.

      Einen Augenblick lang wurde der Nachen durch das Wasser hingeschleppt, aber im nächsten gewann das Kanu einen Vorsprang, und Natty, der sich tief niederbeugte, stieß sein Messer durch die Kehle des Tiers, dessen Blut nunmehr das Wasser färbte. Der Hirsch verendete nach kurzem Kampf, und inzwischen brachten die Jäger ihre Boote zusammen, die sie aneinander banden; dann zog Lederstrumpf den entseelten Hirsch aus dem Wasser und legte ihn im Kanu nieder. Er befühlte die Rippen und die verschiedenen andern Teile seiner Beute, erhob dann seinen Kopf und lachte in seiner eigentümlichen Weise. –

      »Ich gebe nicht so viel für Marmadukes Gesetz«, sagte er. »Ein solcher Anblick erwärmt einem das Blut, alter John; denn ich habe seit Jahren keinen Bock mehr auf dem See erlegt. Es ist ein herrliches Wildbret, Junge, und ich kenne Leute, welche sich den Ziemer dieses Tieres trefflich schmecken lassen werden, trotz aller Gesetze im Lande.«

      Den Indianer hatten längst seine Jahre und vielleicht auch das Unglück seines Stammes gebeugt, aber diese belebende und aufregende Jagd ließ über seine schwärzlichen Züge den Sonnenstrahl einer Heiterkeit fliegen, die ihnen lange fremd gewesen war. Augenscheinlich erfreuten bei dieser Jagd den alten Mann mehr die Erinnerungen an die Tätigkeit seiner Jugend als etwaige Aussichten auf die Vorteile, die daraus erzielt wurden. Seine von der ungewöhnlichen Anstrengung bereits zitternden Hände befühlten jedoch die Beute, und er lächelte mit beifälligem Kopfnicken, indem er in der kurzen und nachdrücklichen Weise seines Volkes sprach: »Gut!«

      »Ich fürchte, Natty«, begann Edwards, als die Hitze des Augenblicks vorüber war und sein Blut ruhiger zu fließen anfing, »daß wir uns samt und sonders eine Gesetzesübertretung haben zuschulden kommen lassen. Behalten wir indessen die Sache für uns, da niemand in der Nähe ist, der uns verraten könnte. Wie kamen aber diese Hunde ins Freie? Ich sah sie doch erst vor kurzem noch gut angebunden, wie ich mich selbst durch Untersuchung der Stränge und Knoten überzeugte, als ich vor der Hütte haltmachte.«

      »Die Witterung eines solchen Tieres wirkte zu kräftig auf die armen Tröpfe«, versetzte Natty. »Seht, Junge, die Lederriemen hängen ihnen noch vom Halse. Rudere ans Land, John! Ich will sie herbeirufen, damit ich klarer in der Sache sehe.«

      Als aber der alte Jäger ans Land stieg und die Riemenreste an dem Hals der Hunde untersuchte, wechselte der Ausdruck seines Gesichtes, und er schüttelte bedenklich den Kopf.

      »Da ist ein Messer mit im Spiel gewesen«, begann er. »Dieser Riemen ist weder zerrissen noch durch den Hund abgebissen. Nein, nein – ich fürchte, der Fehler liegt nicht an Hektor.«

      »Ist das Leder durchschnitten?« rief Edwards.

      »Nein, nein, – ich will das nicht gerade sagen, Junge; aber hier ist ein Merkzeichen, das weder durch einen Riß noch durch einen Biß gemacht werden kann.«

      »Sollte es der schuftige Zimmermann gewagt haben –«

      »Der nimmt sich freilich alles heraus, wo keine Gefahr dabei ist«, erwiderte Natty. »Er ist ein neugieriger Kerl, der sich gern in anderer Leute Sachen mischt. Er wird übrigens gut tun, sich nicht allzuviel meinem Wigwam zu nahen.«

      Inzwischen hatte Mohegan mit indianischer Umsicht die Stelle untersucht, wo der Riemen getrennt worden war. Nach genauer Besichtigung erklärte er in der Sprache der Delawaren:

      »Es ist ein Messerschnitt – eine scharfe Klinge und ein langer Handgriff. Der Mann fürchtete sich vor den Hunden.«

      »Woraus schließt du das, Mohegan?« rief Edwards. »Du hast es nicht gesehen und kannst daher unmöglich mit solcher Bestimmtheit sprechen.«

      »Höre, mein Sohn«, versetzte der Krieger, »das Messer war scharf; denn der Schnitt ist glatt, – der Handgriff war lang; denn eines Mannes Arm würde von diesem Schnitt nicht bis zu jenem reichen, der den Riemen nicht durchschnitt; – und ein Feigling tat’s: sonst würde er das Lederwerk am Hals der Hunde abgeschnitten haben.«

      »Bei meinem Leben«, rief Natty, »John ist auf der rechten Fährte. Es war der Zimmermann, der den Felsen hinter der Hundehütte erstieg und die Tiere durch ein an einem Stock befestigtes Messer losmachte. Sollte es nicht ein leichtes sein, so etwas zu tun, wenn ein Mensch schlimme Absichten hat?«

      »Aber was hätte ihn dazu veranlassen können?« fragte Edwards. »Wer hat ihm etwas zuleide getan, daß er zwei alte Männer wie Euch beunruhigen sollte?«

      »Ich finde immer, daß es schwer ist, Junge, die Absichten der Menschen zu erraten, seit die Ansiedler ihre neuen Moden ins Land gebracht haben. Sollte übrigens seine Neugier nicht schon hinreichen? Vielleicht verlangt ihn, nach dem Treiben anderer Leute

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