Gesammelte Werke: Psychoanalytische Studien, Theoretische Schriften & Briefe. Sigmund Freud
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Hingegen konnte ich mich nicht davon überzeugen, daß zwischen dem erregenden Tageseindruck und dessen Wiederkehr im Traume ein regelmäßiges Intervall von biologischer Bedeutsamkeit (als erstes dieser Art nennt H. Swoboda achtzehn Stunden) eingeschoben ist. Die Traumdeutung würde nicht wesentlich abgeändert, wenn sich solches nachweisen ließe, aber für die Herkunft des Traummaterials ergäbe sich eine neue Quelle. Ich habe nun neuerdings einige Untersuchungen an eigenen Träumen angestellt, um die Anwendbarkeit der »Periodenlehre« auf das Traummaterial zu prüfen, und habe hiezu besonders auffällige Elemente des Trauminhaltes gewählt, deren Auftreten im Leben sich zeitlich mit Sicherheit bestimmen ließ.
I. Traum vom 1./2. Oktober 1910.
(Bruchstück) … Irgendwo in Italien. Drei Töchter zeigen mir kleine Kostbarkeiten, wie in einem Antiquarladen, setzen sich mir dabei auf den Schoß. Bei einem der Stücke sage ich: Das haben Sie ja von mir. Ich sehe dabei deutlich eine kleine Profilmaske mit den scharfgeschnittenen Zügen Savonarolas.
Wann habe ich zuletzt das Bild Savonarolas gesehen? Ich war nach dem Ausweis meines Reisetagebuches am 4. und 5. September in Florenz; dort dachte ich daran, meinem Reisebegleiter das Medaillon mit den Zügen des fanatischen Mönches im Pflaster der Piazza Signoria an der Stelle, wo er den Tod durch Verbrennen fand, zu zeigen, und ich meine, am 3., vormittags, machte ich ihn auf dasselbe aufmerksam. Von diesem Eindruck bis zur Wiederkehr im Traume sind allerdings 27+1 Tage verflossen, eine »weibliche Periode«, nach Fließ. Zum Unglück für die Beweiskraft dieses Beispiels muß ich aber erwähnen, daß an dem Traumtage selbst der tüchtige, aber düster blickende Kollege bei mir war (das erstemal seit meiner Rückkunft), für den ich vor Jahren schon den Scherznamen »Rabbi Savonarola« aufgebracht habe. Er stellte mir einen Unfallkranken vor, der in dem Pontebbazug verunglückt war, in dem ich selbst acht Tage vorher gereist war, und leitete so meine Gedanken zur letzten Italienreise zurück. Das Erscheinen des auffälligen Elementes »Savonarola« im Trauminhalt ist durch diesen Besuch des Kollegen am Traumtage aufgeklärt, das achtundzwanzigtägige Intervall wird seiner Bedeutung für dessen Herleitung verlustig.
II. Traum vom 10./11. Oktober.
Ich arbeite wieder einmal Chemie im Universitätslaboratorium. Hofrat L. lädt mich ein, an einen Ort zu kommen, und geht auf dem Korridor voran, eine Lampe oder sonst ein Instrument wie scharfsinnig(?) (scharfsichtig?) in der erhobenen Hand vor sich hintragend, in eigentümlicher Haltung mit vorgestrecktem Kopf. Wir kommen dann über einen freien Platz … (Rest vergessen).
Das Auffälligste in diesem Trauminhalt ist die Art, wie Hofrat L. die Lampe (oder Lupe) vor sich hinträgt, das Auge spähend in die Weite gerichtet. L. habe ich viele Jahre lang nicht mehr gesehen, aber ich weiß jetzt schon, er ist nur eine Ersatzperson für einen anderen, größeren, für den Archimedes nahe bei der Arethusaquelle in Syrakus, der genauso wie er im Traume dasteht und so den Brennspiegel handhabt, nach dem Belagerungsheer der Römer spähend. Wann habe ich dieses Denkmal zuerst (und zuletzt) gesehen? Nach meinen Aufzeichnungen war es am 17. September abends, und von diesem Datum bis zum Traume sind tatsächlich 13 + 10 = 23 Tage verstrichen, eine »männliche Periode« nach Fließ.
Leider hebt das Eingehen auf die Deutung des Traumes auch hier ein Stück von der Unerläßlichkeit dieses Zusammenhangs auf. Der Traumanlaß war die am Traumtag erhaltene Nachricht, daß die Klinik, in deren Hörsaal ich als Gast meine Vorlesungen abhalte, demnächst anderswohin verlegt werden solle. Ich nahm an, daß die neue Lokalität sehr unbequem gelegen sei, sagte mir, es werde dann sein, als ob ich überhaupt keinen Hörsaal zur Verfügung habe, und von da an müßten meine Gedanken bis in den Beginn meiner Dozentenzeit zurückgegangen sein, als ich wirklich keinen Hörsaal hatte und mit meinen Bemühungen, mir einen zu verschaffen, auf geringes Entgegenkommen bei den hochvermögenden Herren Hofräten und Professoren stieß. Ich ging damals zu L., der gerade die Würde des Dekans bekleidete und den ich für einen Gönner hielt, um ihm meine Not zu klagen. Er versprach mir Abhilfe, ließ aber dann nichts weiter von sich hören. Im Traum ist er der Archimedes, der mir gibt, ðïõÞ óôþ, und mich selbst in die andere Lokalität geleitet. Daß den Traumgedanken weder Rachsucht noch Größenbewußtsein fremd sind, wird der Deutungskundige leicht erraten. Ich muß aber urteilen, daß ohne diesen Traumanlaß der Archimedes kaum in den Traum dieser Nacht gelangt wäre; es bleibt mir unsicher, ob der starke und noch rezente Eindruck der Statue in Siracusa sich nicht auch bei einem anderen Zeitintervall geltend gemacht hätte.
III. Traum vom 2./3. Oktober 1910.
(Bruchstück) … Etwas von Prof. Oser, der selbst das Menü für mich gemacht hat, was sehr beruhigend wirkt (anderes vergessen).
Der Traum ist die Reaktion auf eine Verdauungsstörung dieses Tages, die mich erwägen ließ, ob ich mich nicht wegen Bestimmung einer Diät an einen Kollegen wenden solle. Daß ich im Traum den im Sommer verstorbenen Oser dazu bestimme, knüpft an den sehr kurz vorher (1. Oktober) erfolgten Tod eines anderen von mir hochgeschätzten Universitätslehrers an. Wann ist aber Oser gestorben, und wann habe ich seinen Tod erfahren? Nach dem Ausweis des Zeitungsblattes am 22. August; da ich damals in Holland weilte, wohin ich die Wiener Zeitung regelmäßig nachsenden ließ, muß ich die Todesnachricht am 24. oder 25. August gelesen haben. Dieses Intervall entspricht aber keiner Periode mehr, es umfaßt 7 + 30 + 2 = 39 Tage oder vielleicht 40 Tage. Ich kann mich nicht besinnen, in der Zwischenzeit von Oser gesprochen oder an ihn gedacht zu haben.
Solche für die Periodenlehre nicht mehr ohne weitere Bearbeitung brauchbare Intervalle ergeben sich nun aus meinen Träumen ungleich häufiger als die regulären. Konstant finde ich nur die im Text behauptete Beziehung zu einem Eindrucke des Traumtages selbst.
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182 Auch H. Ellis (1911, 227), der dieser Frage Aufmerksamkeit geschenkt hat, gibt an, daß er eine solche Periodizität der Reproduktion in seinen Träumen »trotz des Achtens darauf« nicht finden konnte. Er erzählt einen Traum, in welchem er sich in Spanien befand und nach einem Ort: Daraus, Varaus oder Zaraus fahren wollte. Erwacht, konnte er sich an einen solchen Ortsnamen nicht erinnern und legte den Traum beiseite. Einige Monate später fand er tatsächlich den Namen Zaraus als den einer Station zwischen San Sebastian und Bilbao, welche er 250 Tage vor dem Traum mit dem Zuge passiert hatte.
Ich meine also, es gibt für jeden Traum einen Traumerreger aus jenen Erlebnissen, über die »man noch keine Nacht geschlafen hat«. Die Eindrücke der jüngsten Vergangenheit (mit Ausschluß des Tages vor der Traumnacht) zeigen also keine andersartige Beziehung zum Trauminhalte als andere Eindrücke aus beliebig ferner liegenden Zeiten. Der Traum kann sein Material aus jeder Zeit des Lebens wählen, wofern nur von den Erlebnissen des Traumtages (den »rezenten« Eindrücken) zu diesen früheren ein Gedankenfaden reicht.
Woher aber die Bevorzugung der rezenten Eindrücke? Wir werden zu Vermutungen über diesen Punkt gelangen, wenn wir einen der erwähnten Träume einer genaueren Analyse unterziehen. Ich wähle den
183 Traum von der botanischen Monographie
Ich habe eine Monographie über eine gewisse Pflanze geschrieben. Das Buch liegt vor mir,