Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes. Georges Simenon

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Maigret kämpft um den Kopf eines Mannes - Georges  Simenon Georges Simenon

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Foto von Joseph Heurtin war auf dem Schreibtisch liegen geblieben, und Maigret starrte eine Weile auf den knochigen Schädel mit den abstehenden Ohren und den langgezogenen, fahlen Lippen.

      Es gab drei psychiatrische Gutachten. Zwei bescheinigten ihm:

       Mäßige Intelligenz, volle Schuldfähigkeit.

      Das dritte, von der Verteidigung in Auftrag gegeben, wagte die Diagnose:

       Erbliche Belastung, verminderte Schuldfähigkeit.

      Maigret, der den Mann verhaftet hatte, hatte dem Polizeichef, dem Staatsanwalt und dem Untersuchungsrichter gegenüber behauptet:

      »Der ist entweder verrückt oder unschuldig!«

      Und das werde er auch beweisen.

      Aus dem Flur war zu hören, wie Inspektor Dufour sich tänzelnd entfernte.

      2 Der Schlafende

      Nach einem kurzen Treffen mit Richter Coméliau, der sich immer noch nicht beruhigen konnte, kam Maigret um elf Uhr nach Auteuil.

      Es war ein grauer Tag, das Pflaster schmutzig, der Himmel hing tief über den Dächern. An dem Ufer, das der Kommissar entlangging, stand eine Reihe stattlicher Häuser, während die andere Seite mit ihren Fabriken, Brachen und Bergen von Baumaterial auf den Ladequais eher nach Vorort aussah.

      Dazwischen lag bleigrau die Seine, aufgewühlt von flussauf, flussab fahrenden Lastkähnen.

      Das Citanguette war aus der Entfernung leicht zu erkennen, denn der Gasthof stand einsam auf einem Gelände, wo alles Mögliche herumlag: Backsteine, Autowracks, Dachpappe, sogar Eisenbahnschienen.

      Ein einstöckiger Bau in einem scheußlichen Rot, davor eine Terrasse mit drei Tischen und die übliche Markise mit der Aufschrift Wein – Imbiss.

      Schauerleute, die offenbar Zement geladen hatten, da sie von Kopf bis Fuß weiß waren, verabschiedeten sich mit Handschlag von einem Mann in blauer Schürze und schlenderten dann zu einem am Ufer festgemachten Schiff.

      Maigret sah müde aus und hatte trübe Augen, aber das lag nicht an der durchwachten Nacht.

      So war es immer: Wenn ein Ziel, das er lange hartnäckig verfolgt hatte, zum Greifen nah war, ließ er sich gehen.

      Eine Art Überdruss, gegen den er nicht ankam.

      Er steuerte ein Hotel direkt gegenüber dem Citanguette an und trat an die Rezeption.

      »Ich möchte ein Zimmer mit Blick auf die Seine.«

      »Für länger?«

      Er zuckte mit den Schultern. Es war nicht der beste Moment, ihm dumm zu kommen.

      »Solange ich es brauche! Kriminalpolizei …«

      »Wir haben nichts frei.«

      »Gut, dann zeigen Sie mir doch mal Ihre Anmeldungen.«

      »Das heißt … Warten Sie! Ich ruf mal den Etagenkellner an, ob vielleicht die 18 …«

      »Idiot!«, stieß Maigret zwischen den Zähnen hervor.

      Natürlich bekam er das Zimmer. Es war ein luxuriöses Hotel.

      »Darf ich Ihr Gepäck nach oben bringen?«, fragte der Etagenkellner.

      »Ich habe kein Gepäck. Bringen Sie mir ein Fernglas.«

      »Ähm … Ich weiß nicht …«

      »Los! Hol mir sofort ein Fernglas, egal woher!«

      Seufzend zog Maigret seinen Mantel aus, öffnete das Fenster und stopfte sich eine Pfeife. Kaum fünf Minuten später hielt er ein perlmuttverziertes Opernglas in Händen.

      »Es ist von der Geschäftsführerin. Sie lässt Ihnen ausrichten …«

      »Ist gut jetzt! Verschwinde!«

      Bald kannte er die Fassade des Citanguette in allen Einzelheiten.

      Ein Fenster im ersten Stock stand offen. Man sah ein ungemachtes Bett mit einer dicken roten Daunendecke, davor bestickte Pantoffeln auf einem Schafsfell.

      Das Zimmer des Patrons!

      Daneben ein geschlossenes Fenster. Dann ein drittes, offenes, hinter dem eine üppige Frau im Morgenmantel ihre Haare kämmte.

      Die Wirtin. Oder das Zimmermädchen.

      Unten wischte der Wirt die Tische. An einem saß Inspektor Dufour bei einem Glas Rotwein.

      Die beiden sprachen offenbar miteinander.

      Ein Stück weiter, am Rand der gepflasterten Uferstraße, stand ein blonder junger Mann mit Trenchcoat und grauer Mütze, der das Löschen des Zements zu überwachen schien.

      Das war Inspektor Janvier, einer der jüngsten Beamten der Kriminalpolizei.

      In Maigrets Zimmer befand sich ein Telefon am Kopfende des Bettes. Er nahm den Hörer ab.

      »Hallo? Ist dort die Rezeption?«

      »Sie wünschen, bitte?«

      »Verbinden Sie mich mit dem Citanguette am Ufer gegenüber.«

      »Gern!«, kam es missmutig zurück.

      Es dauerte lange. Von seinem Fenster aus konnte der Kommissar beobachten, wie der Wirt endlich den Lappen weglegte und zu einer Tür ging. Dann klingelte es bei ihm.

      »Ich verbinde …«

      »Hallo! Bin ich mit dem Citanguette verbunden? Holen Sie mir bitte den Gast ans Telefon, der gerade bei Ihnen sitzt! … Ja, den! Irrtum ausgeschlossen, ist ja sonst keiner da.«

      Durch das Fenster sah er, wie der Wirt verblüfft etwas zu Dufour sagte und der daraufhin zur Kabine ging.

      »Bist du’s?«

      »Sie, Chef?«

      »Ja, im Hotel gegenüber, du kannst es von dir aus sehen. Was macht unser Mann?«

      »Er schläft.«

      »Hast du ihn gesehen?«

      »Vorhin hab ich an seiner Zimmertür gelauscht und ihn schnarchen hören. Daraufhin hab ich sie einen Spaltbreit geöffnet und reingeschaut. Er liegt mit angezogenen Beinen in Klamotten auf dem Bett …«

      »Bist du sicher, dass der Wirt ihn nicht gewarnt hat?«

      »Der hat viel zu viel Angst vor der Polizei. Es gab nämlich schon mal Ärger, ist eine Weile her. Da wurde ihm mit dem Entzug seiner Lizenz gedroht. Seitdem ist er lammfromm.«

      »Ausgänge?«

      »Zwei:

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