Der Tod der Schlangenfrau. Ulrike Bliefert

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Der Tod der Schlangenfrau - Ulrike Bliefert Auguste Fuchs

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hat Doktor Goldstein auch gesagt. Außerdem hatte sie diese schrecklichen Wahnvorstellungen. Als habe es einen oder mehrere unsichtbare Angreifer gegeben.«

      »Ich hatte insgeheim gehofft, dass Sie die unsichtbaren Angreifer eingefangen haben.«

      »Ähm … was?«

      »Mit Ihrer Kamera!«

      »Wie bitte?!« Allein der Gedanke brachte Auguste in Rage. »So ein Mumpitz! Diese sogenannten Geisterfotografen benutzen doch, wie jeder weiß, ganz einfach präparierte Platten. Da werden vorher Tante Käthe oder Onkel Kurt mit vorgehängter Tüllgardine aufbelichtet! Und was man dann so halb durchsichtig auf den fertigen Bildern sieht, sind keine Geister, sondern Schmu und reine Augenwischerei!«

      Wilhelmi grinste, und Auguste hätte sich am liebsten geohrfeigt. »Sie nehmen mich auf den Arm.«

      »Ist das so offensichtlich?«

      »Jetzt nehmen Sie mich schon wieder auf den Arm!«

      »Gut, ich hör sofort auf damit!« Schlagartig wurde Wilhelmi ernst und griff zu Julius Fuchs’ Lupe.

      Auguste war sich nicht sicher, ob ihr der todernste Kriminalassistent besser gefiel, aber schließlich handelte es sich bei ihrem geheimen Treffen nicht um ein romantisches Tête-à-Tête. Sie rief sich innerlich energisch zur Ordnung und rückte noch ein wenig näher an Wilhelmi heran, um das Bild mit ihm gemeinsam durch die Lupe zu betrachten: Im Vordergrund kniete Ndeschio Temba, mit dem Rücken zur Kamera, vor dem geöffneten Schlangenkorb, aus dem sich die Python bereits etwa eine Ellenlänge weit erhoben hatte. Im Hintergrund saßen die beiden als Haremssklavinnen kostümierten Runtschen-Schwestern auf ihren Seidenkissen, und in der Bildmitte stand Charlotte Paulus. Ihre Gestalt war unscharf zu erkennen – wie verwischt –, da Charlotte sich während der Belichtungszeit heftig bewegt hatte. Ihr Blick – von Weinfurth eigentlich so inszeniert, als sei er ängstlich auf die Schlange gerichtet – war eindeutig nach hinten gewandt, auf etwas, das sich offenbar an oder knapp neben der rechten Bildkante befand.

      »Wer auch immer da stand: Die oder der ist auf der Aufnahme leider nicht zu sehen.« Enttäuscht ließ Wilhelmi die Lupe sinken.

      »Da stand niemand, das weiß ich genau.« Auguste schaute sich die entsprechende Stelle noch einmal Millimeter für Millimeter durch das Vergrößerungsglas an.

      »Tja.« Wilhelmi stand auf. »Dann hatten wohl bei Fräulein Paulus schon zu diesem Zeitpunkt Wahnvorstellungen eingesetzt, und sie hat da was gesehen, das für die Augen aller anderen – und für Ihre Kamera – unsichtbar war.«

      »Nein! Augenblick noch!« Auguste zog ihren Mitverschwörer unsanft zurück auf seinen Platz. »Gucken Sie mal! Da!« Sie drückte Wilhelmi die Lupe in die Hand, »Da, zwischen den Drapieren!«

      »Wo?«

      »Den, den, den …«, Auguste fuchtelte enerviert in der Luft herum und suchte nach einem Ersatz für den offenbar für Männerohren unbekannten Begriff, »… den Stoffbahnen, die von oben runterhängen!«

      »Ich weiß, was Drapieren sind, nur seh ich da niemanden.«

      »Das hab ich ja auch nicht behauptet! Ich meine das da!« Sie deutete auf einen Gegenstand, der zwischen den Samtvorhängen hervorlugte. »Ein Stab oder Stock.«

      »Kann das nicht einfach irgendein Dekorationsteil sein, das dahinter stand und umgefallen ist? Vielleicht hat das ja Fräulein Paulus erschreckt.«

      Auguste zögerte und rief sich die ganze Situation noch einmal minutiös ins Gedächtnis zurück. »Nö. Hinter den Vorhängen war nichts. Nur der normale Hintergrundprospekt. Wozu auch? Man sieht ja immer nur den jeweiligen Bildausschnitt. Da muss man außerhalb der Szenerie nichts verstecken.«

      »Hm. Sieht aus wie ein Stab oder Stock, da haben Sie recht. Könnte theoretisch auch ein Gewehrlauf sein, aber Fräulein Paulus ist nun mal weder erschlagen noch erschossen worden.«

      »Stimmt.« Auguste seufzte und ließ die Schultern hängen. »Das Foto hilft also niemandem weiter.«

      »Das hab ich nicht damit gemeint, Fräulein Fuchs. Im Gegenteil. Sie haben doch gesagt, dass Charlotte Paulus in dem Augenblick, in dem Sie das Blitzpulver entzündet haben, aufgeschrien hat.«

      »Richtig.«

      »Und das hier«, Wilhelmi tippte nachdrücklich auf das Foto, »das hier beweist, dass irgendetwas ihr einen Schrecken eingejagt haben muss. Sonst hätte sie für die fotografische Aufnahme doch still gehalten. Oder nicht?«

      Auguste nickte. »Sie war geradezu mustergültig diszipliniert.«

      »Jetzt überlegen Sie mal: Wenn ihr jemand in der Limonade oder dem Tee, den Frau Preissing hochgebracht hatte, Gift eingeflößt hätte: Hätte sie dann nicht eher allmählich darauf reagiert? Mit Übelkeit oder Benommenheit oder was weiß ich?«

      »Ich weiß das noch weniger als Sie, Herr Kriminalassistent, und ich kann mir genauso wenig wie Sie einen Reim auf das Ganze machen.« Das klang schon wieder schnippisch, und Auguste fragte sich, warum um alles in der Welt dieser Kerl sie mit den harmlosesten Bemerkungen derart zu Widerspruch reizen konnte.

      »Fest steht, dass weder Hanna Runtschen noch ihre Schwester auf das, was da am Bildrand vor sich ging, in irgendeiner Weise reagiert haben. Und auch Herr Temba sitzt ja offensichtlich ruhig da.«

      »Und das bedeutet …?«

      »Das heißt, dass scheinbar nur Charlotte Paulus sich erschreckt hat, und das ist seltsam, oder?«

      »Ja, wenn Sie meinen …« Auguste wusste nicht so recht, inwieweit dieser Umstand von Belang war, doch noch bevor sie nachfragen konnte, stand Wilhelmi auf. »Dürfte ich das Bild wohl mitnehmen?«

      Auguste nickte. Als Wilhelmi in die Jackentasche griff und sein Portemonnaie hervorzog, winkte sie entschieden ab. »Behalten Sie’s. Herr Weinfurth wird die Aufnahme sowieso nicht verwenden können.«

      Auf dem Weg zurück zur Ladentür wurde Wilhelmi schlagartig wieder förmlich. »Dann bedanke ich mich hiermit bei Ihnen und Ihrem Herrn Vater für Ihre Hilfe.« Er war bereits im Begriff, seinen Hut wieder aufzusetzen, als Auguste ihn zurückhielt. »Sie könnten mir doch im Tausch gegen das Foto erzählen, was das für eine Mission ist, auf die Sie Ihr Vorgesetzter heute Abend noch geschickt hat.« Erschrocken stellte sie fest, dass sie bei ihrer Frage den Kopf kokett zur Seite geneigt hatte. Das war in keiner Weise besser als ihre Patzigkeiten; das war einfach unmöglich! Nur: Daran war im Nachhinein nichts mehr zu ändern

      Wilhelmi holte tief Luft, als wollte er etwas Bedeutungsvolles sagen, doch dann überlegte er es sich zu Augustes Bedauern wieder. »Glauben Sie mir, Fräulein Fuchs, das möchten Sie nun wirklich nicht genauer wissen.« Dann setzte er seinen Hut auf, sagte »Adieu« und verschwand im abendlichen Getümmel der Friedrichstraße.

      Im Gerichtsmedizinischen Institut trug Reginald Wündrich die Ergebnisse der inneren Leichenschau in das dafür vorgesehene Formblatt ein.

       Todesursache:

      Herzstillstand bei systolischer Kontraktion.

      Befund spricht für die Anwesenheit von Digitalis- oder Strophanthinkörpern. Schürf-

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