Unsere Luft. Norbert Metz
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Zu Beginn der Abgasgesetzgebung wurde versucht einen Testzyklus aufzustellen, der das Fahrverhalten widerspiegelt. Der Zyklus war auch als Basis für die Vergleichbarkeit der Fahrzeuge untereinander gedacht. Das Fahrverhalten jedes Autofahrers ist aber individuell und so verschieden, dass gravierende Unterschiede auftreten können. Dazu kommt, dass Wetter, Straßenbeschaffenheit, Steigungen, Kraftstoffqualität, Gewicht, Ausstattung und Reifen ecetera im Alltagsbetrieb stark differieren. Das gilt dementsprechend dann auch für die Abgasemissionen, den CO2-Ausstoß und den Kraftstoffverbrauch. Mit den laufenden Emissionsgrenzwertverschärfungen haben diese Diskrepanzen zugenommen.
Die seit langem bestehenden Bestrebungen einen möglichst praxisnahen Bewertungsmaßstab zu etablieren, führten zu der ab dem 1.9.2017 gültigen „Worldwide Harmonized Light-Duty Test Procedure“ WLTP, die auch Messungen auf der Straße vorsieht, siehe auch Details im Anhang. Mit der Einführung der Gesetzgebung zu den Realfahremissionen (RDE) muss ein breites Spektrum an Fahrrandbedingungen berücksichtigt werden. Dies sind nicht nur Fahrbedingungen im städtischen Umfeld, sondern ebenfalls Fahrzustände auf Landstraßen und Autobahnen mit höheren Lastbedingungen. Im gesamten Realfahrzyklus müssen zudem weitere Anforderungen an Fahrdynamik, Fahrzeuggewicht, Umgebungstemperatur sowie Steigungs- und Gefällefahrten robust abgesichert werden.
Bisher waren in der gesetzlichen Regelung der Zulassung einige Punkte unscharf formuliert, was zu unterschiedlichen Interpretationen und Ausführungslösungen geführt hat. Das Kraftfahrtbundesamt und die Europäische Kommission haben dies über viele Jahre ignoriert und toleriert, sind jetzt aber dabei, diese Punkte enger zu sehen. Die jüngsten Entscheidungen über Rückrufaktionen bei einigen Herstellern beweisen das. Durch eine Softwareanpassung mussten die als „defeat device“20 bemängelten Eingriffe an einer nicht unerheblichen Anzahl von Fahrzeugen beseitigt werden. Bei der bisherigen Zulassungspraxis waren diese Punkte mit der Begründung des Motorschutzes möglich und wurden bei den Herstellern unterschiedlich angewendet. Die in den Medien als Abgasaffäre bezeichneten Vorgänge haben das Vertrauen in die deutsche Automobilindustrie und letztlich auch in das Kraftfahrtbundesamt und die Politik massiv gestört. Die Diskussionen zu diesem Thema werden nach den letzten durchgesetzten Maßnahmen bald der Vergangenheit angehören.
Der Straßenverkehr als Schlüssel für erhöhte Werte am Straßenrand
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Da der StraßenverkehrStraßenverkehr den höchsten Anteil an den gemessenen NO2-Konzentrationen durch die Lage der Messstationen am Straßenrand hat, ist es hilfreich, zuerst die Entwicklung der Pkw und Nutzfahrzeugen anzuschauen. Das Kraftfahrtbundesamt KBA dokumentiert jährlich die Bestände und Neuzulassungen aller Fahrzeugtypen. Lieferfahrzeuge bis 3,5t Gesamtgewicht werden dabei zu den Pkw gezählt. Der Pkw-Bestand hat sich von 41,2 Millionen Pkw 2008 auf 47,7 Millionen 2020 erhöht. Der Gesamtbestand ist im gleichen Zeitraum von 55,2 Millionen Fahrzeuge auf 65,8 Millionen gestiegen.1
Krafträder haben sich von 3,7 Millionen im Jahr 2008 auf 4,5 Millionen erhöht, Nutzfahrzeuge von 2,3 Millionen auf 3,3 Millionen und Zugmaschinen von 1,9 Millionen auf 2,2 Millionen.
Bei den Pkw ist der Anteil an Diesel-Pkw bis 2016 auf 15 Millionen gestiegen, nach den Diskussionen zwischen 2017 bis 2019 sind die Neuzulassungen von 1,5 Millionen auf 1,1 Millionen aber deutlich gefallen. Im Jahr 2020 liegt der Dieselbestand bei 15,111 Millionen.2
Warum steigt die Zahl der Personenkraftwagen insgesamt?
Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sagt dazu: Das eigene Auto ist in vielen ländlichen Gebieten unverzichtbarer denn je. „Noch nie war das Nahverkehrsangebot im ländlichen Raum so schlecht wie heute“.3
Die junge Generation will selbstbestimmt mobil sein, und dieser Wunsch verbindet sich nach wie vor mit der Idee, ein eigenes Auto zu besitzen. Motorisierung war das Synonym für Freiheit und die Führerscheinprüfung Klasse 3 der Einstieg ins Erwachsenenleben. Die Mehrheit der Jugendlichen hat, bis sie 25 Jahre alt ist, den Führerschein in der Tasche.
Individuelle Mobilität und gesellschaftliche Anerkennung, auch bei den Freunden, ist ihre Motivation. Für die meisten Menschen ist der Erwerb eines Autos ein erster Schritt frei und unabhängig zu sein. Den Älteren ist das neue Auto auch Beweis für die eigene Leistungsfähigkeit, Beleg für das Gefühl, noch dabei zu sein.
Kehrt sich der Trend um?
Mehr junge Menschen ziehen in größere Städte, um zu studieren oder eine andere Ausbildung zu absolvieren. Dort sind die Mieten hoch, der Autoverkehr dicht und die Parkplätze knapp; dafür ist der öffentliche Nahverkehr gut ausgebaut und dank Semesterticket preisgünstig. Das fördert ein pragmatisches Verhalten, das Verkehrswissenschaftler „multimodale Mobilität“ nennen: Man leiht oder mietet sich ein Auto, wenn es nötig ist, zum Beispiel per Carsharing.
Weitere Gründe sind der demografische Wandel, es gibt immer weniger 17-Jährige, und die Tatsache, dass das Auto unter Jugendlichen heute immer seltener ein Statussymbol ist. „Die Jugendlichen geben Ihr Geld heute lieber für das neueste Smartphone aus“, sagte Rainer Zeltwanger als Fahrschulfunktionär des Stuttgarter Bundesverband Deutscher Fahrschulunternehmen. Das sei noch vor einigen Jahren völlig anders gewesen: „Wer früher mit 19 keinen Führerschein hatte, mit dem stimmte was nicht.“4
Ein eigenes Auto ist heute auch für viele junge Erwachsene unbezahlbarer Luxus. Denn die Innovationsfreude der Hersteller hat auch dafür gesorgt, dass in den vergangenen 34 Jahren laut dem Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen die Durchschnittspreise der verkauften Neuwagen pro Jahr um 3,6 Prozent gestiegen sind.5 So verschiebt sich die Anschaffung in eine spätere Lebensphase, in der sie finanziell kein so großes Problem mehr ist oder ohne Auto nichts geht – etwa nach Gründung einer Familie und Umzug in den ländlichen Raum. Die Entwicklung in ländlichen Gebieten verläuft anders als in Großstädten. Aber: „In vielen Städten sind Menschen auf das Auto angewiesen.“6 Das werde sich auch in Zukunft nicht ändern.
Um den Beitrag der Diesel-Pkw abschätzen zu können, sind im Anhang die Bestandsdaten nach Emissionsklassen insgesamt und bei den ausgewählten Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen zusammengefasst.
Da auch Nutzfahrzeuge nicht unerheblich zu den NOx-Emissionen beitragen, folgen dazu einige Anmerkungen: Von 2008 bis 2019 ist der Bestand in Deutschland von rund 2,3 Millionen auf 3,1 Millionen angewachsen. Auch bei den Nutzfahrzeugen haben die Emissionen stärker abgenommen als der Zuwachs an Fahrzeugen. Da für den Nutzfahrzeugverkehr ein niedriger Kraftstoffverbrauch im Vordergrund stand, wurden immer schon Dieselmotoren eingesetzt. Zur Einhaltung der immer strenger werdenden Grenzwerte ist relativ früh die Harnstoff-Technologie unter dem Namen AdBlue eingeführt worden. Dies hat zu einer deutlichen Verbesserung der NOx-Abgasemissionen geführt.
Zusammenhang der Verkehrszunahme und der Emissionsentwicklung
Warum werden die Abgasemissionen weniger, obwohl die Zahl der Fahrzeuge steigt?
Generell herrscht die Meinung vor, dass mit der Zunahme des Verkehrs die Luftqualität schlechter wird. Dies trifft aber nicht zu, da die neu in den Verkehr kommenden Fahrzeuge deutlich niedrigere Emissionen aufweisen als die älteren Fahrzeuge, die aus dem Verkehr ausscheiden. Die Neuzulassungen sind jedes Jahr etwas höher als die aus dem Verkehr ausscheidenden Fahrzeuge, sodass jedes Jahr die Gesamtzahl der Fahrzeuge zunimmt, detaillierte Zahlen im Anhang.
Fazit: Trotz der gewachsenen Pkw-Zahl sind die Abgasemissionen geringer. Das heißt,