Unsere Luft. Norbert Metz
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Stickstoffdioxid NO2Partikelfraktionen PM10 und PM2,5 Die Luftqualität und die Ungereimtheiten bei den realen Abgasemissionen der Autos waren über Wochen und Monate das Hauptthema in den Medien. Insbesondere bei einer Komponente in der Luft, nämlich dem Stickstoffdioxid, wurde angeprangert, dass in vielen Städten der Luftqualitätsgrenzwert von 40µg/m3 nicht eingehalten wird.
Dabei ist die Luftqualität in den letzten 30 Jahren bei allen für die Umwelt relevanten Abgaskomponenten deutlich besser geworden. Die erzielten Erfolge bei der Emissionsverringerung und lufthygienischen Überwachung werden oft nicht wahrgenommen, auch weil die Medien dazu neigen, die auffälligsten Werte bei ungünstigen meteorologischen Episoden herauszustellen. Der Bürger hat daher meist den Eindruck, dass er eine ungesunde Luft einatmen muss. In Einzelfällen wird sogar die Nichteinhaltung von Grenzwerten beklagt. So hat die Organisation Deutsche Umwelthilfe e.V. für großen Wirbel gesorgt, indem sie die Einhaltung dieser Grenzwerte in einigen Städten eingeklagt hat. Im September 2019 hat sie sogar mit einer Beugehaft für den Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder gedroht, weil er für München wegen der Überschreitung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes an einigen Straßen kein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge ausgesprochen hat. Dabei hat das Bayerische Umweltministerium mit der Stadt München einen der umfangreichsten Maßnahmenpläne erarbeitet.
Als Folge dieser Aktionen sind sowohl bei den Länderbehörden wie bei Besitzern von Diesel-Fahrzeugen immense Kosten entstanden. Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Teil Einfahrverbote verhängt, die in Stuttgart (ab 1. Januar 2019) wieder aufgehoben wurden. In einigen Städten, zum Beispiel in Hamburg, wurden einzelne belastete Straßen für Fahrzeuge, die nicht die neuen Abgasstandards einhalten, gesperrt. Viele Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig. Die Diesel-Pkw-Neuzulassungen sind in einem Jahr (vom Februar 2017 bis Februar 2018) von 53% auf 33% gefallen und die Dieselanfragen bei der Online-Suche von 26% auf 17%. Der Wert eines drei Jahre alten Diesel-Pkw hat sich deutlich verringert.1
Als technische Lösung wurden bei älteren Diesel-Pkw Nachrüstungen gefordert. Im Sommer 2019 wurden technische Lösungen einiger Zulieferfirmen freigegeben. Ein Einsatz muss aber von den jeweiligen Fahrzeugfirmen freigegeben werden.
Zusammenfassung zum Straßenverkehr
Für die Komponenten Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10 und PM2,5) sind seit 1.1.2010 Grenzwerte gültig, deren Einhaltung vom Bundesverwaltungsgericht gefordert wird. Alle Städte mit erhöhten Konzentrationen bei den Abgaskomponenten Stickstoffdioxid und Feinstäube haben daher Luftreinhaltepläne aufgestellt. Die Umsetzung der dort aufgelisteten Maßnahmen dauert unterschiedlich lang. Das führt dazu, dass die Einhaltung der Grenzwerte in vielen Städten noch nicht gewährleistet ist. Während Umweltzonen relativ zeitnah ausgewiesen werden können, können andere Maßnahmen erst nach und nach in die Praxis umgesetzt werden. Fahrverbote wurden für einige betroffenen Städte erlassen, wobei die Urteile noch nicht rechtskräftig sind, siehe auch Kapitel 19.
Grenzwertdiskussion für NO2
Für Europa werden die Grenzwerte von der Europäischen Kommission festgelegt und anschließend vom Europaparlament verabschiedet. Die Staaten haben dann die Pflicht, diese Werte in das nationale Recht zu übernehmen. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit werden Kurzzeit- und Langzeitgrenzwerte aufgestellt. In der EU-Richtlinie 2008/50/EG (im deutschen Recht mit der 39. BImSchV) wurde für Stickstoffdioxid in der Außenluft ein 1-Stunden-Grenzwert von 200 µg/m3 festgelegt, der nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden darf und seit Jahren in Deutschland eingehalten wird.
In der Verordnung ist auch ein Jahresmittelgrenzwert von 40 µg/m3 festgelegt. Bei Inkrafttreten des Grenzwerts im Jahr 2002 galt für diesen Jahresgrenzwert noch eine Toleranzmarge von 16µg/m3. Sie verminderte sich ab 1. Januar 2003 bis zum 1. Januar 2010 stufenweise um jährlich 2µg/m3. Seit 2010 ist die Toleranzmarge entfallen und der Jahresgrenzwert von 40 µg/m3 ist verbindlich einzuhalten. Für Stickstoffdioxid ist in der EU eine Alarmschwelle von 400 μg/m3 festgelegt. Wird dieser Wert in drei aufeinanderfolgenden Stunden an Orten gemessen, die für die Luftqualität in Bereichen von mindestens 100 km2 oder im gesamten Gebiet/Ballungsraum repräsentativ sind, muss der betroffene Mitgliedsstaat umgehend geeignete Maßnahmen ergreifen.
Diese Verschärfung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts hat zu der aktuellen Diskussion geführt, da die NO2-Jahresmittelwerte an starkbefahrenen Straßen – an denen die Messstationen in unmittelbarer Nähe der Bordsteinkante liegen – nicht so schnell sinken, wie von den Umweltbehörden gewünscht. Die Gründe dafür werden später noch erläutert. Die Schärfe des NO2-Jahresmittelgrenzwerts wird aus mehreren Gründen kritisiert:
In USA gilt beispielsweise ein NO2-Jahresmittelgrenzwert von 100µg/m3, in Kalifornien – bekannt für eine sehr strenge Regelungen – gilt 57µg/m3. Anfragen von deutschen Politikern, ob der Europäische Grenzwert nicht überdacht werden könnte, sind gescheitert.
In den USA gilt nach der Vorgabe der für die nationalen Umweltstandards zuständigen Gesundheitsbehörde EPA seit 2010 ein zu den EU-Kriterien annähernd vergleichbarer 1-Stunden-Grenzwert (100 ppb beziehungsweise 200µg/m3), aber ein gut doppelt so hoher Grenzwert für das Jahresmittel wie in der EU (53 ppb beziehungsweise 100µg/m3). In Kalifornien und sechzehn weiteren US-Bundesstaaten hingegen beträgt der Grenzwert für das Jahresmittel nur 30 ppb beziehungsweise 57 µg/m3.
Die Kritik zum Jahresmittelgrenzwert von 40 µg/m3 kommt von mehreren Seiten. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin, Hans Drexler, hat vor Panikmache im Streit um Grenzwerte und Dieselfahrverbote gewarnt.2 „Auch bei 100µg/m3 NO2 sehen wir noch keinen Effekt, der krank machen kann“, sagte der Erlangener Professor der dpa.3 An der Landshuter Allee in München wurde im vergangenen Jahr ein Jahresdurchschnittswert von 78µg/m3 gemessen, am Neckartor in Stuttgart liegt der Messwert ähnlich hoch. Wenn Politik und Gesellschaft Grenzwerte mit Sicherheitsfaktor haben wollten, sei das eine gesellschaftliche Entscheidung, sagte Drexler. Er kritisierte Aussagen, wonach NO2 in Deutschland jährlich 12860 vorzeitige Todesfälle verursache: „Durch Berechnungen von Stickoxid auf Tote zu schließen, ist wissenschaftlich unseriös.“ Gefährlich sei Feinstaub, „ein Killer, das bleibt in den Zellen hängen, schadet der Lunge, verursacht Herzinfarkte. Aber NO2 ist kein Vorläufer von Feinstaub“, sagte der Arbeits- und Umweltmediziner,4 der den NO2-Grenzwert für Industriearbeitsplätze in Deutschland mit erarbeitet hat. Dieser Wert liegt bei 950µg/m3.
Der Unterschied
Stickstoffdioxid NO2Die 950µg/m3 gelten für gesunde Erwachsene, 40 Stunden die Woche, ein Arbeitsleben lang. Sorgfältige Laborstudien mit Freiwilligen und Erfahrungen von Menschen, die im Steinkohlebergbau arbeiten, zeigen bis 950µg/m3 keine klaren Effekte. Ratten, die monatelang 9500µg/m3 ausgesetzt waren, zeigten erste Veränderungen an den Lungen. In Tierversuchen mit rund 4000µg/m3 NO2 sind keine Effekte feststellbar. Nach dem Vorgehen der DFG-Kommission wurde daraus eine Arbeitsplatzgrenzwert von 950µg/m3 abgeleitet. Bei dem Außenluftgrenzwert geht es um