Reisebilder. Erster Teil. Heinrich Heine

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Reisebilder. Erster Teil - Heinrich Heine

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Sehnen, tiefe Wehmut,

      beschleicht mein Herz,

      mein kaumgeheiltes Herz; –

      Mir ist, als würden seine Wunden

      von lieben Lippen aufgeküsst,

      und täten wieder bluten,

      heisse, rote Tropfen,

      die lang und langsam niederfalln

      auf ein altes Haus, dort unten

      in der tiefen Meerstadt,

      auf ein altes, hochgegiebeltes Haus,

      das melancholisch menschenleer ist,

      nur dass am untern Fenster

      ein Mädchen sitz,

      den Kopf auf den Arm gestützt,

      wie ein armes, vergessenes Kind –

      und ich kenne dich, armes, vergessenes Kind!

      So tief, so tief also

      verstecktest du dich vor mir,

      aus kindischer Laune,

      und konntest nicht mehr herauf,

      Und sassest fremd unter fremden Leuten,

      fünfhundert Jahre lang,

      derweilen ich, die Seele voll Gram,

      auf der ganzen Erde dich suchte,

      und immer dich suchte,

      du Immergeliebte,

      du Längstverlorene,

      du Endlichgefundene –

      ich hab dich gefunden und schaue wieder

      dein süsses Gesicht,

      die klugen, treuen Augen,

      das liebe Lächeln –

      und nimmer will ich dich wieder verlassen,

      und ich komme hinab zu dir,

      und mit ausgebreiteten Armen

      stürz ich hinab an dein Herz –

      Aber zur rechten Zeit noch

      ergriff mich beim Fuss der Kapitän,

      und zog mich vom Schiffsrand,

      und rief, ärgerlich lachend:

      Doktor, sind Sie des Teufels?

      Reinigung

      Bleib du in deiner Merestiefe,

      Wahnsinniger Traum,

      der du einst so manche Nacht

      mein Herz mit falschem Glück gequält hast,

      und jetzt, als See-Gespenst,

      sogar an hellen Tag mich bedrohest –

      bleib du dort unten in Ewigkeit,

      und ich werfe noch zu dir hinab

      all meine Schmerzen und Sünden,

      und die Schellenkappe der Torheit,

      die so lange mein Haupt umklingelt,

      und die kalte, gleissende Schlangenhaut

      der Heuchelei,

      die mir so lang die Seele umwunden,

      die kranke Seele,

      die gottverleugnende, engelverleugnende,

      unselige Seele –

      Hoiho! Hoiho! Da kommt der Wind!

      Die Segel auf! Sie flattern und schwelln!

      Über die stilverderbliche Fläche

      eilet das Schiff,

      und jauchzt die befreite Seele.

      Frieden

      Hoch am Himmel stand die Sonne,

      von weissen Wolken umwogt,

      das Meer war still,

      und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes,

      träumerisch sinnend, – und halb im Wachen

      und halb im Schlummer, schaute ich Christus,

      den Heiland der Welt.

      Im wallend weissen Gewande

      Wandelt’ er riesengross

      über Land und Meer;

      es ragte sein Haupt in den Himmel,

      die Hände streckte er segnend

      über Land und Meer;

      und als ein Herz in der Brust

      trug er die Sonne,

      die rote, flammende Sonne,

      und das rote, flammende Sonnenherz

      goss seine Gnadenstrahlen

      und sein holdes, liebseliges Licht,

      erleuchtend und wärmend

      über Land und Meer.

      Glockenklänge zogen feierlich

      hin und her, zogen wie Schwäne,

      am Rosenbande, das gleitende Schiff,

      und zogen es spielend ans grüne Ufer,

      wo Menschen wohnen, in hochgetürmter,

      ragender Stadt.

      O Friedenswunder! Wie still die Stadt!

      Es ruhte das dumpfe Geräusch

      der schwatzenden, schwülen Gewerbe,

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