Black Heart - Die gesamte erste Staffel. Kim Leopold
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Ich atme tief ein, schließe die Augen und strecke die Hände aus, um sie vorsichtig über die Instrumente gleiten zu lassen. Im Kopf benenne ich jedes einzelne Teil: Höhenmesser, Variometer, Kompass. Tankmengenanzeige, Funkgerät. Die Kreiselinstrumente, den künstlichen Horizont, Wendezeiger und Kurskreisel. Die Rundungen fühlen sich unter meinen Fingerspitzen so gewohnt an, dass ich zufrieden die Augen aufschlage. Ich kenne das Cockpit der kleinen Maschine besser als meinen eigenen Kleiderschrank.
Dass ich durch die Prüfung falle, ist mehr als unwahrscheinlich. Ich kenne jedes Bauteil meines Babys auswendig, weiß, wie ich sie im Ernstfall reparieren kann oder mit ihr eine Notlandung hinbekomme. In den Bergen und auf dem Wasser!
Noch besser war nicht mal mein Vater auf seine erste Flugprüfung vorbereitet.
Durch die Scheibe kann ich in den Hangar schauen. Das große Tor ist geöffnet und lässt einen Blick auf das Rollfeld zu, das im Regen glänzt und einsam und verlassen daliegt. Mein Blick bleibt an der Reflexion meines Gesichts hängen. Unter meinen Augen liegen tiefe Schatten und erinnern mich daran, dass ich viel zu viele Emotionen in diesen Teil meines Lebens investiere. Wenigstens habe ich die Prüfung bald hinter mir und kann mich anderen Dingen widmen.
Ich nehme mein Handy, steige aus dem Cockpit und verschließe das Flugzeug, bevor ich durch den menschenleeren Hangar gehe. Helmut sitzt noch immer im Büro und arbeitet an der Steuererklärung für das letzte Jahr. Er hört mich kommen, hebt den Blick und schaut mich neugierig an. »Du bist ja immer noch hier. Solltest du dich nicht auf einen Neujahrsball vorbereiten?«
»Du kennst mich doch«, erwidere ich belustigt. »Ich konnte ihr nicht widerstehen.«
Helmut blickt an mir herab. »Deine Mutter wird mich umbringen, wenn sie erfährt, dass ich hier war und dich nicht nach Hause geschickt habe.«
»Von mir wird sie es nicht erfahren.« Ich grinse ihm zu, bevor ich seinem Blick folge und mein Äußeres aufnehme. Mein weißes Shirt ist ölverschmiert, die Hose zerrissen. Mama würde einen Herzinfarkt bekommen, dessen bin ich mir sicher. »Ich beeile mich besser, bevor sie mich noch als vermisst meldet.«
»Genieß den Abend, Lou.« Er zwinkert mir zu. »Denk mal für ein paar Stunden nicht über Flugzeuge nach, sondern tanz dir die Nacht um die Ohren und trink einen Schluck für mich mit.«
Ich schmunzle und nehme meinen Rucksack aus dem Spind, um damit ins angeschlossene Badezimmer zu gehen. Seinen Wunsch zu befolgen wird schwierig. Ich war noch nie besonders begabt im Tanzen, und Alkohol trinke ich normalerweise auch nicht. Aber morgen ist mein achtzehnter Geburtstag. Vielleicht sollte ich mal eine Ausnahme machen und ein normaler Teenager sein. Das wird den Schatten unter meinen Augen zwar auch nicht guttun, aber vielleicht hilft es dabei, die Sorgen mal für ein paar Stunden zu vergessen.
Ich stelle die Tasche auf der Bank ab und packe mein Duschzeug und die frische Kleidung raus, bevor ich meiner Mutter eine kurze SMS schicke, damit sie weiß, dass ich bald nach Hause komme. Immerhin haben wir noch zweieinhalb Stunden Zeit, bevor der Neujahrsball beginnt. Kein Grund, jetzt schon in Panik zu verfallen.
Am Waschbecken beuge ich mich hinunter, um etwas zu trinken. Im Spiegel betrachte ich mein von Öl verschmiertes Gesicht. Meine blauen Augen funkeln mir aufgeregt entgegen. So einen Gesichtsausdruck habe ich nur, wenn ich den ganzen Tag auf dem Flugplatz gewesen bin. Wenn ich an Motoren schrauben darf und Lehrbücher über Flugzeuge wälze. Für mich gibt es nichts Schöneres auf dieser Welt.
Mit einem Lächeln auf den Lippen springe ich unter die Dusche und beeile mich damit, meinen Körper von unnötigen Haaren zu befreien und die notwendigen mit Shampoo und Pflegespülung zu verwöhnen, damit Mama später nichts zu meckern hat. Nach der Dusche trockne ich mich ab und schlüpfe in meinen dünnen Kaschmirpullover, die feinen Jeans und meine Stiefeletten mit dem Absatz, der mich eines Tages noch umbringen wird.
Lou bei Tag, Louisa von Stein bei Nacht.
Ich wische mit dem Handtuch über den Spiegel und erstarre. Hinter mir bewegt sich etwas! Jemand! Ein blasses Gesicht, ernste braune Augen. Nervös drehe ich mich um und blicke durch den Raum.
Mein Herz rast wie verrückt. Da ist niemand.
Was war das? Habe ich mir das bloß eingebildet?
Unsicher drehe ich mich zurück zum Spiegel und schaue hinein. Nichts zu sehen. Trotzdem ist es mir nicht geheuer. Gestalten zu sehen, die nicht existieren … das hatte ich schon. Dahin will ich nicht zurück.
Schnell packe ich meine Sachen in die Tasche, flechte meine nassen Haare zu einem Zopf und verlasse das Badezimmer. Helmut sitzt noch immer an seinem Platz.
»Mach nicht mehr so lange«, rufe ich ihm zu und winke. Er hebt eine Hand zum Abschied, löst sich aber nicht noch einmal von seinen Unterlagen. Ich gehe durch den Hangar, schlüpfe dabei in meine Jacke und werde das Gefühl nicht los, dass mich jemand beobachtet. Meine Schritte werden immer schneller, bis ich schließlich draußen bin.
Gott sei Dank ist es noch nicht dunkel, denke ich und ziehe mir meine Kapuze auf, um meine nassen Haare vor der Kälte und dem Regen zu schützen. Mama wird mich umbringen, wenn sie mich im Januar mit nassen Haaren nach Hause kommen sieht. Besser, ich schleiche mich hinein und begegne ihr erst, wenn ich aussehe wie die Dame, die sie sich als Tochter wünscht.
❤
Außer Atem biege ich in unsere Straße ein und winke Lina und Justus zu, die gerade ihrer Mutter dabei helfen, die Einkäufe reinzutragen. Von meinem besten Freund Thomas keine Spur, aber da er uns in zwei Stunden abholen soll, wird er sicher gerade im Bad stehen.
Bei unserer Auffahrt bremse ich überrascht ab und steige vom Fahrrad. Vor der Garage parkt ein Auto. Ein schwarzer Porsche Cayenne mit dem Logo eines Mietwagenverleihs.
»München«, murmle ich und präge mir das Kennzeichen ein. Aber das sagt ja nichts über die Herkunft des Besuchers aus.
Ich schiebe mein Fahrrad zur Garage und stelle es abgeschlossen an die Seite, um es später auf seinen angedachten Parkplatz zu bringen und meine Mutter nicht mit dem Krach des Garagentors auf mich aufmerksam zu machen. Ein kurzer Blick in das Innere des Mietwagens verrät mir nichts über den Besucher, aber ich vermute, dass es ein Kunde meines Vaters ist. Wer sich einen Stellplatz für sein Flugzeug in unserem Hangar leisten kann, für den ist auch ein Porsche als Mietwagen kein Problem.
Immer noch fest entschlossen, mich hineinzuschleichen, schiebe ich vorsichtig den Schlüssel ins Schloss und drehe ihn langsam um. Die Haustür geht auf und ich schlüpfe ins Innere des Hauses. Zuerst ist es still, aber dann höre ich die Stimmen aus dem Wohnzimmer.
Erfreut darüber, dass ich noch nicht aufgefallen bin, schlüpfe ich aus meinen Stiefeletten und der Jacke. Die Garderobe zu öffnen, wäre jetzt viel zu laut, also nehme ich die Sachen lieber gleich mit hinauf.
»Louisa?«
Mist. Ertappt drehe ich mich um und sehe Mama in der Tür zum Wohnzimmer stehen. Neben ihr steht ein mir fremder Mann mit verstrubbeltem braunen Haar.
Die Missbilligung in Mamas Blick füllt den Raum mit stickiger Luft. Ich öffne den Mund, bringe aber keinen Ton hervor. Mich für mein Äußeres zu entschuldigen, bringe ich allerdings auch nicht übers Herz.
»Tja,