Nice Girls. Louise Boije af Gennäs
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»It’s my party and I’ll cry if I want to«, sagte Catta.
Dann konnte sie nicht anders und verzog den Mund. Sie ging zu Stella und nahm ihr die halbvolle Flasche ab.
»Paßt jetzt auf: Die Gastgeberin ist gleich stockbesoffen«, sagte sie.
Dann setzte Catta den Champagner an den Mund. Das Getränk rann sprudelnd und zischend in sie hinein, und der Schaum reichte hoch hinauf im Inneren der Flasche. Die anderen drei klatschten in die Hände, lärmten und schrien, lauter und lauter bei jedem Schluck. Schließlich war die Flasche leer. Das Geschrei erreichte das Falsett, und Catta streckte die Arme in die Höhe und reckte ihren langen, weißen Hals. Ihre Augen glitzerten gefährlich.
Da plötzlich wurde die Tür zum Salon aufgerissen. Drei verwunderte Gäste standen in der Türöffnung und starrten sie an.
»Findet hier drinnen das eigentliche Fest statt?« fragte einer von ihnen. Er starrte Catta mit großen, freundlichen braunen Augen an.
»Nein, Charlie«, sagte Catta ironisch, ging zu ihm hin und schlang ihm die Arme um den Hals. »Das Fest findet immer genau da statt, wo du bist. Das weißt du doch wohl?«
6.
Gunvor drängte sich zwischen die Gäste hinaus und sammelte diskret leere Teller, Flaschen und Gläser ein. Im Hintergrund sangen die Supremes gerade ihr ewiges ›Baby Love‹, und einige Paare hatten sogar zu tanzen angefangen. Gunvor wollte nicht noch mehr tun, sie wollte eigentlich nur feiern, sich amüsieren und mit dem Typen mit der Brille sprechen, der sie in der Diele so herzlich begrüßt hatte und sie von einer anderen Party her kannte, obwohl sie ihn total vergessen hatte.
Oder machte er sich nur lustig über sie?
Vielleicht hatte er das alles nur erfunden?
Egal wie, jedenfalls konnte Gunvor sich nicht von ihrem selbstauferlegten Abräumen losreißen. Muß helfen, muß helfen, ging es in ihrem Kopf herum.
Eigentlich dachte sie an Claes.
Claes, der jetzt zu Hause in ihrer kleinen Wohnung saß und fernsah. Claes, der nie auf ein Internat gekommen war, weil Gunvors Mutter zu große Angst gehabt hatte, ganz allein zu bleiben. Claes war auf dem Lande aufgewachsen und war mit allen gut befreundet gewesen, von den Dorfrockern bis zu den benachbarten Bauern, er war imstande, sich beinahe überall einzufügen. Nicht genug damit: Catta, Stella und Lizzie waren ihm bestens bekannt nach all ihren Besuchen zu Hause auf dem Hof und dem vielen Blödsinn, den sie zusammen mit Gunvor angestellt hatten. Wenn Catta gewußt hätte, daß Claes in der Stadt war, hätte sie angerufen und ihn persönlich hierher eingeladen. Doch nun wußte sie es also nicht, und Gunvor hatte nichts gesagt.
Sie hatte ihn ganz einfach nicht mitgenommen, obwohl sie es hätte tun können und sollen.
Gunvor schämte sich ihres Bruders.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie all die eleganten Stockholmer Typen an der Wand, an den Möbeln oder aneinander lehnten, wie sie sich gegenseitig und anderen die Zigaretten mit exklusiven goldenen Feuerzeugen anzündeten, wie sie laut lachten, miteinander anstießen und sich einen hinter die Binde gossen. Wollte Gunvor einen solchen Mann haben? Nie im Leben, sie erschreckten sie zu Tode. Sie wagte kaum, sie anzusprechen, noch viel weniger, unverfroren zum Schnapstisch zu gehen und sich dort allein hinzustellen, wie es Catta oder Stella getan hätten, und darauf zu warten, daß einer von ihnen sie bemerkte. Sie hatte Angst vor ihnen. Und vor allem verachtete sie sie, verachtete sie wegen ihrer Dummheit, ihrer Engstirnigkeit und ihres ungehemmten Snobismus.
Dennoch hatte sie nicht gewagt, ihren Bruder heute mit hierherzubringen. Sie hatte es nicht gewagt, weil sie wußte, wie er neben diesen tollen Typen gewirkt hätte: wie ein richtiger Prachtkerl vom Lande, plump, mit groben Händen und einem nicht sehr regen Sinn für Humor. Dennoch konnte er ungeheuer amüsant sein, amüsanter, als sich diese Burschen hätten träumen lassen. Und das Merkwürdigste war, daß Stella, Catta und Lizzie so vernarrt in Claes waren. Sie mochten ihn beinahe ebensogern wie Gunvor selbst.
Wie konnte sie dann so feige sein, so peinlich berührt, so kleinlich und egoistisch?
Als Gunvor den Gedanken zu Ende gedacht hatte, bekam sie vor sich selbst Angst, verachtete sich selbst. Sie eilte in die Küche hinaus, ohne sich darum zu kümmern, daß der Bursche mit der Brille offenbar direkt auf sie zusteuerte.
Wenn Claes nicht dabei sein durfte, sollte sie selbst auch keinen Spaß haben.
Doch der mit der Brille war schnell und Gunvors Tablett schwer. Er holte sie direkt an der Küchentür ein.
»Soll ich es dir abnehmen?« fragte er, und Gunvor blieb abrupt stehen.
»Warum solltest du das?« fragte sie unfreundlich.
»Es scheint schwer zu sein.«
Wie meinte er das? War das eine Anspielung auf ihr Gewicht? Oder versuchte er, freundlich zu sein?
Gunvor spürte, wie ihr vor Ungewißheit und Verlegenheit das Blut in die Wangen stieg. Warum hatte ihr keiner beigebracht, wie man diese Typen zu verstehen hatte, zu erkennen, ob sie es nun freundlich meinten oder sich nur lustig machten?
Sie ging auf Nummer Sicher, wie schon so viele Male zuvor.
»Danke, das schaffe ich allein«, sagte sie und verschwand in der Küche, um das Geschirr abzuladen.
Als sie eine halbe Stunde später wieder hinauskam, hatte jemand die Supremes-Platte zerbrochen und durch Roxy Music ersetzt.
Der Typ mit der Brille war nach Hause gegangen.
7.
Catta hatte Charlie vor anderthalb Jahren bei einem Golfturnier in Falsterbro kennengelernt. Sie war zu ihrem üblichen dreiwöchigen Juliaufenthalt hinuntergefahren, um alte Freunde und Bekannte zu treffen, um sich vor der Krebssaison in den Stockholmer Schären hoffentlich knusprig schokoladenbraun brennen zu lassen und um ihre Position als Mitglied des innersten Kreises von Schwedens vermögenden und schönen Fünfundzwanzig- bis Vierzigjährigen zu festigen. In Schweden während der Saison Golf zu spielen war zudem in Cattas Familie keine zufällige Angelegenheit, kein auf Interesse begründetes Hobby; es war genauso eine Selbstverständlichkeit wie bei den Männern die Jagd und die Bestellung von Originalkleidern bei den Frauen, eine Routine von ebenso unvermeidlicher Natur wie das tägliche Zeitunglesen und das Zähneputzen morgens und abends. Es war ganz einfach ein Muß.
Cattas Handicap lag bei fünfzehn. Sie war mit anderen Worten gerade gut genug, um Eindruck zu machen, ohne daß sie eine Bedrohung für die wirklichen Enthusiasten darstellte. Sie schlug weit und wagte es immer, den Driver vom Tee zu benutzen, landete selten im Rough und puttete mit großem Selbstvertrauen. Indes konnte sie zeitweise einen unerklärlichen Hook schlagen, der ihr Resultat bedeutend drückte und sie beinahe chronisch in schlechte Laune versetzte.
Catta war keine sichere Karte, doch wenn sie in Form war, konnte sie beeindruckend sein.
Sie war Charlie an einem Tag begegnet, als die Lufttemperatur, die Windverhältnisse, die Bahn und ihre eigene Form die absolut günstigsten Voraussetzungen boten.
Am selben Morgen hatte sie zur erbsengrünen Golfjacke weiße Shorts gewählt und Golfschuhe in derselben Farbkombination. Das