Nice Girls. Louise Boije af Gennäs
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Typisch für sie, einfach zu vergessen, ein paar Binden einzustecken. Keine der anderen hatte im Augenblick ihre Periode, und Lizzie hatte nur Tampons im Haus, Gunvor aber lehnte es ab, Tampons zu benutzen. Am frühen Abend hatte Stella sie zum hundertstenmal getadelt, als sie mit einem lauwarmen Bier in der Hand vollständig angekleidet und behaglich in einem Korbstuhl vor der Sauna ausgestreckt dasaß, während die anderen Blut und Wasser schwitzten.
»Mensch, ich hab dir doch selbst beigebracht, wie man einen Tampon einsetzt!« hatte sie durch die Saunatür gerufen. »Das war doch, verdammt noch mal, schon in der Neunten!«
Doch Gunvor mochte keine Tampons. Sie verteidigte sich damit, daß sie scheuerten und sie sich mit dem Zeug unwohl fühle. Außerdem fürchtete sie die Tamponallergie, über die sie begierig meterweise Zeitungsspalten gelesen hatte, seitdem sie in der Presse aufgetaucht war. Diese Allergie war der endgültige, noch fehlende Beweis, um ihren Widerwillen gegen die komischen, unnatürlichen Faserröllchen zu rechtfertigen.
»Ich mag Fasern nur, wenn man sie durch den Mund aufnimmt«, hatte Gunvor einmal im vollsten Ernst gesagt und ausnahmsweise ein Riesengelächter bei den anderen geerntet.
Gunvors Mutter, die hypochondrisch veranlagt war, lebte zusammen mit Gunvors Vater, einem Offizier, der es haßte, krank zu sein, und Gunvors jüngerem Bruder Claes, der die Landwirtschaft übernehmen sollte, in Östergötland. Wenn Gunvor in den Ferien aus Lundsberg nach Hause kam, pflegte sie mit ihrer Mutter verbotene Orgien an Arzneischränken und über Necessaires abzuhalten, während der Vater und Claes im Büro vor den ausgebreiteten Kalkulationen des Hofes saßen, die Stirn in tiefen Falten. Dennoch belegte Gunvor im Gymnasium den ökonomischen Zug statt des naturwissenschaftlichen und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität statt Medizin am Karolinischen Institut.
Das war am sichersten so, nach Meinung ihrer Eltern. Gunvor war ein gehorsames Mädchen.
Heutzutage vermied sie alles, angefangen von Kopfschmerztabletten und Halspastillen bis zu Penicillinkuren, wenn sie nicht absolut notwendig waren. Ihren Bruder Claes wollte sie nirgendwo anders treffen als zu Hause auf dem Hof; er paßte so schlecht zur Großstadt und ihrem neuen Leben. Und als Finanzberaterin hatte sie trotz allem einen gewissen Erfolg zu verzeichnen.
Jetzt saß sie auf einem Sofa unter einer der hochmodernen Dachgauben in Vasastan und fühlte die uralten Echos in ihrem Körper rufen. Irgend etwas verschob sich in ihrem Bauch von der linken Seite mehr zur Mitte, und in ihrem Rücken hinter der rechten Hüfte spürte sie ein Ziehen. Zwischen den Beinen fühlte Gunvor den warmen Strom rinnen, und obwohl sie sich wegen des Sofas Sorgen machte, die Slipeinlage könne eventuell nicht genügen, und auch, weil es vielleicht eklig war, die Tage zu haben – ob Männer es so sahen? –, spürte sie auch die übliche, unerklärliche Freude.
Ohne den Gedanken ganz zu Ende gedacht zu haben, empfand sie es als angenehm, den Eisgang in ihrem Körper zu spüren. Sie mochte diesen aus ihr rinnenden warmen Strom, die halbgeronnenen Fäden dunkelroten Blutes, umgeben von helleren Flecken, die ihre Binden und Einlagen zeichneten. Sie liebte ihren Körper, wenn er die Schleimhaut wechselte, wenn er lebte und ein eigenes Leben führte, wenn die Organismen sich rührten und bewegten, zwar in ihrem Inneren, aber doch außerhalb ihrer Kontrolle. Und sie fühlte mit ihrem ganzen Bewußtsein eine tiefe, innere Sehnsucht, Leben zu schaffen, ein neues Leben, in diesem Körper.
Doch am Montag war sie gezwungen, wieder am Arbeitsplatz zu sein. Und noch immer hatte sie nicht einmal einen festen Freund, über den sie als potentiellen Vater nachgrübeln, den sie für diese Rolle in Betracht ziehen konnte.
»Meine Arbeit gefällt mir bestens«, hörte Gunvor sich jetzt sagen. »Ich fühle wirklich, daß ich am richtigen Platz gelandet bin. Und flotte Kerle gibt es da auch.«
Wo kamen diese Worte her? Nicht, daß sie ihre Arbeit im Ernst haßte, doch das einzige, was sie während der Arbeitszeit fühlte (außer einem ständig nagenden Hunger in sich, der sie zwang, an allem möglichen, von Mohrrüben bis Schokoladentafeln, herumzuknabbern), war die tiefe, innere Überzeugung, daß das Leben einen anderen Sinn haben mußte als den, Bonitätsanalysen zu erstellen. Analysen außerdem, deren Richtigkeit sie nicht einmal selbst würde bestätigen, noch weniger beschwören wollen. Wer konnte garantieren, daß die Bonität einer Firma eine sichere Investition verbürgte? Wer konnte den Markt voraussagen?
Dazu waren Zauberei und Magie vonnöten.
Und das war vermutlich auch vonnöten, um Gunvor einen Mann zu beschaffen.
Lizzie kümmerte es im Augenblick nicht, ob Gunvor die Wahrheit sagte oder nicht. Sie konzentrierte sich ganz darauf, Stella und Catta zu beobachten. Wie üblich steckten die beiden mitten in ihrem ewigen, stummen Ritual von Eifersucht und Neid, Eigenliebe und Verliebtheit ineinander. Wie unglaublich anders sie sein mußten als sie selbst!
Lizzie würde die geheimen Spiele, die sie trieben, niemals ertragen können, diesen ewigen Tanz auf Zehenspitzen voreinander und umeinander, die Abhängigkeit voneinander ständig verneinend und dennoch außerstande, die Augen voneinander zu lösen. Stella und Catta waren auf irgendeine Weise Zwillingsseelen, doch kämpften sie mit aller Macht, um ihre Verschiedenheit zu betonen. Gunvor ihrerseits landete dabei völlig natürlich und ganz von selbst in der Rolle entweder der Hofdame oder des Hofnarrs. Nur sie selbst, Lizzie, schien ständig mit dem Gesicht im Schatten zu stehen.
Fühlte sie sich deshalb so ausgeschlossen, weil sie es nicht ertrug, im Zentrum zu stehen, mitten im Licht der Aufmerksamkeit? Sie hatte es nie getan, hatte nie Sehnsucht danach verspürt oder – falls es dennoch so war – nie gewagt, den Gedanken zu Ende zu denken, sie könne genügend Anziehungskraft besitzen, um ein natürlicher Mittelpunkt zu sein. Das, was den anderen die Luft zum Leben war, war für sie ein fremdes Gas, ein Luftzug, den der Wind in ihr Dasein hinein und wieder hinaus trug, doch den sie niemals selbst verursachen konnte.
Tief in sich fühlte Lizzie, daß sie viel zu gewöhnlich für diese Geschöpfe hier war. Sie war so gewöhnlich, daß es nicht einmal jemanden gab, mit dem sie sich hätte vergleichen können. Die meisten Menschen, denen sie begegnete, waren wandernde Konstellationen aus Phobien, Frustrationen und mangelndem Selbstgefühl. Sie selbst war ungewöhnlich ausgeglichen und verhältnismäßig glücklich – oder war es zumindest bis vor kurzem gewesen. Sie war nicht interessant, nicht kapriziös, konnte niemanden fesseln, war nicht verrückt oder etwas Besonderes. Sie war nur Lizzie.
Lizzie hatte glattes, schulterlanges blondes Haar und völlig gerade Augenbrauen. Sie war weder hübsch noch häßlich.
Natürlich nicht.
3.
Dennoch war ihr Frank begegnet. Wie merkwürdig eigentlich, im nachhinein, daß es so gekommen war! Sie hatte schließlich zusammen mit den drei anderen die Party besucht, sie alle waren dort gewesen, bereit ihn als erste zu umgarnen. Na ja, vielleicht nicht Gunvor, aber Catta und Stella ganz entschieden. Lizzie erinnerte sich genau, was die beiden angehabt hatten. Was sie selbst trug, hatte sie längst vergessen.
Frank war auf sie zugekommen und hatte sich vorgestellt. Er hatte durch seinen Bruder, der auch Gedichte schrieb, von ihr gehört. Lizzie hatte sich sehr gut an Franks Bruder erinnern können. Bei einem Essen mit Freunden hatte er neben ihr gesessen, und bei einer Diskussion über Poesie waren sie aneinandergeraten. Danach hatte er sie zu überreden versucht, mit zu ihm zu kommen, aber, im Unterschied zu ihm, hatte Lizzie keinen sexuellen Reiz an ihren Differenzen gefunden; ganz im Gegenteil. Ihr war er häßlich und dumm erschienen.
Als Frank auf sie zugekommen war, hatte sie sofort die verschiedenen Möglichkeiten in Betracht gezogen. Hatte der Bruder gelogen und gesagt, sie sei eine leichte Beute? Oder gab