Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik. Hubert Klausmann

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Dialekt und Standardsprache in der Deutschdidaktik - Hubert Klausmann

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gerade die Uhr am Reparieren).“5 Bei (noch) genauerer Betrachtung ist das Verhältnis zwischen Dialekt und mündlicher „Standard-UmgangsspracheUmgangssprache“ tatsächlich noch etwas komplizierter, als es die Unterscheidung von Hinrichs suggeriert, denn es beruht auf Gegenseitigkeit: Die deutschen Dialekte wirken auf die am schriftlichen Standard orientierte Umgangssprache ein, weswegen nicht von der einen deutschen Standard-Umgangssprache gesprochen werden kann, sondern von verschiedenen regionalen (mündlichen) GebrauchsstandardsGebrauchsstandard gesprochen werden muss; diese wirken ihrerseits auf den Gebrauch der Dialekte zurück. So ist das dialektale Sprechen in Deutschland zwar immer noch weit verbreitet, aber es findet in erster Linie im privaten und kommunalen Bereich statt, z.B. in der Familie, im Freundeskreis und im Sportverein, während im öffentlichen Raum zunehmend Formen und Varianten eines „abgemilderten“, an der regionalen Umgangssprache orientierten dialektalen Sprechens anzutreffen sind.6 Schließlich ist noch zu unterscheiden zwischen einem gelenkten und einem nicht gelenkten SprachwandelSprachwandel: Während Hinrichs (in erster Linie) nicht gelenkte Formen der Einflussnahme meint, sind politisch bzw. pädagogisch motivierte Formen der Einflussnahme auf Bildungsprozesse im Sinne von HennesHenne, Helmut Primat der Standardsprache mehr oder weniger gelenkt.

      2.3 Konzeptionelle MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptionelle SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle bzw. Literalität

      Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass die auf Forschungen von Peter KochKoch, Peter und Wulf Oesterreicher zurückgehende Unterscheidung zwischen konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle und konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle1 für ein vertieftes Verständnis der Problematik von Dialekt und Standardsprache unerlässlich ist. Nach Helmuth FeilkeFeilke, Helmuth kennzeichnen schriftlich-konzeptuale Fähigkeiten „Graphie und Orthographie ebenso wie die Fähigkeit, schriftliche Texte zu verfassen“;2 das zentrale Ziel konzeptionell-schriftlicher Kommunikation ist „die maximal kontextentbundene Verständigung“.3 Nach Fix ist Schriftlichkeit deshalb ein „eigenständiges kognitives Konzept“, ein eigener „Denkstil“ und „nicht nur ein Anhängsel des Sprechens“.4 So setzt das kompetente Verfassen eines konzeptionell schriftlichen Textes nicht nur korrekte Rechtschreibung, sondern z.B. auch Textsortenkenntnis und die Fähigkeit voraus, die Perspektive potentieller Adressaten einzunehmen. Aber auch Prozesse der Planung, Überarbeitung und Revision sind kennzeichnend für konzeptionell schriftliche Texte. Daneben gibt es freilich Texte, die dem konzeptionell Mündlichen nahestehen, etwa die Chat-Kommunikation oder die E-Mail: Diese kann zwar ebenfalls sehr förmlich verfasst sein, beispielsweise wenn sie an Vorgesetzte oder Behörden gerichtet ist und damit durchaus in den Bereich konzeptioneller Schriftlichkeit gehört; unter Bekannten und im privaten Schriftverkehr weist die E-Mail jedoch typischerweise Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit auf. Jörg KilianKilian, Jörg spricht deshalb treffend von „geschriebener UmgangsspracheUmgangssprache“ bzw. „geschriebener Mündlichkeit“.5 Die Frage ist nun, welche Konsequenzen damit für Dialekt und Standardsprache verbunden sind.

      Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich beim Thema Dialekt in erster Linie – aber nicht ausschließlich – um ein Phänomen handelt, das im Bereich konzeptioneller MündlichkeitMündlichkeit, konzeptionelle angesiedelt ist. Dialektales Sprechen ist für die mündliche Alltagskommunikation kennzeichnend, hier jedoch in verschiedenen Nuancierungen und Abstufungen: Während im Süden des deutschen Sprachraums in der Familie, im Freundeskreis und im heimatlichen bzw. dörflichen Kontext bis heute das dialektale Sprechen üblich ist (und u.U. sogar bewusst gepflegt wird), greifen dieselben Sprecherinnen und Sprecher im beruflichen Umfeld oder anderen weiteren Handlungskontexten (wie etwa Schule oder Studium) – im Sinne des Code-SwitchingCode-Switching – auf die in ihrer Region gebräuchliche UmgangsspracheUmgangssprache zurück. Diese ist zwar ebenfalls noch dialektal gefärbt, jedoch insgesamt näher an der (typischerweise in Radio und Fernsehen gesprochenen) mündlichen Standardaussprache angesiedelt als der heimische Dialekt.

      Zwischen den zahlreichen (mehr oder weniger) dialektal gefärbten mündlichen Aussprachevarianten des Deutschen gibt es außerdem Abweichungen auf allen sprachlichen Ebenen (Beispiele aus dem OberfränkischenFränkisch):

       Lexikon (Bsp. Babbelwasser für ein alkoholisches Getränk, nach dessen Genuss man redselig wird),

       Morphologie (Bsp. gwen für „gewesen“),

       Semantik (Bsp. Fähnla für „ein minderwertiges Kleid“),

       Syntax (Bsp. machsd-es Laab auf an Haufm für die Aufforderung „mach das Laub auf einen Haufen“).6

      In der schriftlichen Standardsprache – und damit im Bereich konzeptioneller SchriftlichkeitSchriftlichkeit, konzeptionelle – finden sich regionale Varianten hingegen lediglich innerhalb des Wortschatzes. Drei Beispiele hierfür aus der von Hubert KlausmannKlausmann, Hubert durchgeführten Studie zu „RegionalismenRegionalismen in der schriftlichen Standardsprache“:7

       daheim (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. zu Hause),

       Blaukraut (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Rotkohl)

       Radler (im süddeutschen Sprachraum gebräuchliche Variante zu norddt. Alsterwasser).

      Das von Ulrich AmmonAmmon, Ulrich u.a. (2004) herausgegebene „Variantenwörterbuch des Deutschen“ mit ca. 12000 standardsprachlichen Wörtern und Wendungen, die eine national oder regional eingeschränkte Verbreitung aufweisen, macht eindrucksvoll deutlich, dass Varianten auch innerhalb des schriftlichen Standarddeutschen sehr viel weiter verbreitet sind, als es der Begriff „Standardsprache“ suggeriert.

      2.4 Zusammenfassung: Die Begriffe Standardsprache, Dialekt und UmgangsspracheUmgangssprache

      Mit Blick auf die folgenden, einzelne Aspekte weiter vertiefenden Überlegungen werden an dieser Stelle die wesentlichen Unterschiede zwischen den Begriffen Standardsprache, Dialekt und Umgangssprache noch einmal kurz und prägnant zusammengefasst. Dies geschieht jeweils durch kurze Begriffserklärungen.

      Zunächst einmal ist festzuhalten, dass es sich in allen drei Fällen um linguistische Konzepte und damit um den Versuch handelt, aus einer Fülle sprachlicher Phänomene jeweils solche in einem Begriff zusammenzufassen, die eine Reihe ähnlicher – nach linguistischen Kriterien beschreibbarer – Merkmale aufweisen. Dabei muss zwischen sprachwissenschaftlich motivierten und fundierten einerseits und populären bzw. alltagssprachlichen Konzepten andererseits unterschieden werden: Der Begriff „Dialekt“ ist sowohl ein linguistisches als auch ein alltagssprachliches Konzept – auch Menschen, die nicht Sprachwissenschaftler sind, haben i.d.R. eine (mehr oder weniger konkrete) Vorstellung davon, was man unter einem „Dialekt“ versteht; der Begriff „Hochdeutsch“ wiederum ist ein alltagssprachliches Konzept, dem der sprachwissenschaftliche Begriff der (deutschen) Standardsprache entspricht, unter der im Wesentlichen Folgendes zu verstehen ist:

      Standardsprache: Bei der (deutschen) Standardsprache handelt es sich um ein Phänomen der deutschen Sprache, das sowohl im Schriftlichen (schriftlicher Standard) als auch im Mündlichen (mündlicher Standard) auftritt; von Standard bzw. Standardisierung ist deshalb die Rede, weil die (mündliche wie schriftliche) Standardsprache der Normierung unterliegt. Normierende Instanz für die mündliche Standardsprache ist das „Aussprachewörterbuch“ des DudenDuden; daneben existiert bis heute die von dem deutschen Germanisten Theodor SiebsSiebs, Theodor um 1900 entwickelte „Bühnenaussprache“ als normierende Instanz.1 Beide Standard-Lautvarianten wurden bzw. werden – trotz einiger Unterschiede – auf der Basis norddeutscher Dialekte entwickelt. Der Duden nimmt für sich allerdings in Anspruch, „der Sprechwirklichkeit“ näher zu kommen als die „Bühnenaussprache“, da diese „ideale

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