Auf dem Schachbrett der Sowjetunion, die DDR. Thilo Koch

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Auf dem Schachbrett der Sowjetunion, die DDR - Thilo Koch

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Streitkräften auf europäischem Boden.

      Hegen also – parallel hierzu – die politischen Führer der DDR nicht doch die Hoffnung, eines Tages das ganze Berlin als Hauptstadt der DDR ausrufen zu können?

      Diese Hoffnung haben sie sicherlich. Fest steht aber zur Zeit folgendes:

      1 Die Russen wollen keinen neuen Berlinkonflikt;

      2 Ostberlins Stellung im Ostblock ist stärker und selbstbewußter geworden, was sich auch auf die Westberlinfrage auswirkt;

      3 eine entweder den Osten oder den Westen voll befriedigende Lösung der Berlinfrage ist nicht in Sicht.

      Das bedeutet: die DDR-Figur auf dem Schachbrett der Sowjetunion hat einen, von Moskau aus gesehen, unheilbaren Schönheitsfehler – es ist, salopp gesprochen, der westliche Wurm drin. 2,3 Millionen Westberliner bleiben dem Westen verbunden, inmitten einer Stadt, die die DDR-Führer als ihre Hauptstadt bezeichnen.

      Die menschliche Geschichte hat zu allen Zeiten viele Absurditäten hervorgebracht: diese ist eine ihrer »gelungensten«, um es ironisch auszudrücken. Offensichtlich können Menschen, Völker, Politiker aber erstaunlich gut mit Absurditäten auskommen.

      Die Absurdität Berlin bedroht den Weltfrieden heute weniger, als es oftmals aussah oder als so manche scheinbare Normalität in dieser sich rasch wandelnden Welt den Frieden heute bedroht – etwa die revolutionären Situationen in der Dritten Welt, von Asien über Afrika nach Südamerika.

      Mit ihnen haben die Supermächte Amerika und Rußland denn auch viel mehr Sorgen als mit Deutschland, als mit Berlin. Ein wichtiger Grund mehr dafür, daß sie in Mitteleuropa Ruhe wünschen und sich vor einer Konfrontation hier hüten.

      Im letzten Teil dieses Berichtes möchte ich dann auch die DDR als Schachbrettfigur im großen Spiel der Sowjetunion um eine Weltmachtrolle in den globalen Zusammenhang rücken.

      Dieser Zusammenhang muß erkannt werden, wenn wir verstehen wollen, wohin die vermutliche Entwicklung von hier und heute geht. Wir leben im Zeitalter der Interdependenz. John Kennedy führte diesen Begriff in den allgemeinen politischen Sprachgebrauch ein. Er verstand unter Interdependenz die wechselwirkende gegenseitige Abhängigkeit politischer Probleme rund um den Globus herum.

      Eine Karte mit dem Nordpol im Mittelpunkt zeigt deutlicher als die übliche Projektion, in welchen Positionen USA und Sowjetunion einander gegenüberliegen. Diese Karte rückt auch Europa in die richtige Perspektive zwischen Amerika und Rußland. Und wo liegt dann Deutschland? Wie nimmt sich die DDR aus? In der Tat wie die westliche Lanzenspitze einer Großmacht, die die größten Flächen Asiens und Europas bedeckt. Und sehen wir uns die übrige Welt mit ihren Krisenherden aus dieser Perspektive an:

      Ein Revolutionsregime auf Kuba verführt einen sowjetischen Ministerpräsidenten zu dem Versuch, auf der Insel sowjetische Atomraketen zu stationieren.

      Ein Beistandsversprechen der Amerikaner gegenüber Südvietnam führt sie in den Dschungel eines glücklosen asiatischen Landkrieges, bei dem die Sowjetunion dem kommunistischen Gegner die Bewaffnung liefert.

      Auch der sowjetisch-chinesische Konflikt hat seine Auswirkungen auf die Europa- und Deutschlandpolitik Moskaus.

      Ein Krieg im Nahen Osten verwickelt automatisch die dort engagierten beiden Supermächte in den Konflikt.

      Der Griff der russischen Flotte nach dem Mittelmeer, das sowjetische Vordringen in den Ländern des Mittleren Ostens, hat unmittelbare Auswirkungen auf die NATO-Strategie und damit indirekt auf die Lage im NATO-Kernabschnitt Mitteleuropa.

      Ähnliches gilt entsprechend für sowjetische Flottenvorstöße in der Ostsee und im Nordmeer. Zugrunde liegt auch diesen Manövern der russische Wunsch nach größerer militärischer und damit politischer Handlungsfreiheit.

      Moskau will den Ring der amerikanischen Stützpunkte rings um die riesige eurasische Landmasse der Sowjetunion sprengen. Während also der Status quo, die festgefrorene Immobilität für die Lage in Mitteleuropa kennzeichnend ist, bewegt sich die Sowjetunion vorsichtig, aber energisch vorwärts an den europäischen Flanken im Norden und im Süden.

      Außerdem macht sich Rußland mehr und mehr als große asiatische Macht geltend. Der indisch-pakistanische Konflikt 1966 wurde zum Beispiel von den Russen geschlichtet – im Frieden von Taschkent, einer Stadt in der Sowjetunion.

      Nichts lag dem Chef der KPdSU, Leonid Breschnjew, bei der kommunistischen Weltkonferenz im Juni 1969 in Moskau mehr am Herzen als eine gemeinschaftliche Verurteilung Chinas durch die 75 versammelten kommunistischen Parteien aus aller Welt.

      Das ausgeprägte Sicherheitsbedürfnis der Russen – es zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Außenpolitik Moskaus seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten – führt auch zu einer tief verwurzelten Furcht vor einem Zweifrontenkrieg. Deshalb ist die relative Friedfertigkeit der derzeitigen sowjetischen Regierung in Richtung Westen, vor allem gegenüber den Vereinigten Staaten, sicherlich auch auf die Schwierigkeiten der Russen mit dem China Mao Tse-tungs zurückzuführen.

      Hier interessiert uns nur ein Aspekt des russisch-chinesischen Zerwürfnisses: seine Bedeutung und seine Auswirkungen auf Moskaus Deutschlandpolitik, auf die Rolle, die die DDR innerhalb des Sowjetimperiums spielt.

      Der Asien-Korrespondent der ARD, Hans Walter Berg, beurteilt von seinem Standpunkt in Hongkong aus diese Frage so:

      »Als ein deutscher Bundeskanzler einmal sagte, die Bundesrepublik könne nicht ohne Gegenleistung auf die von Polen und der Sowjetunion okkupierten ehemaligen deutschen Ostgebiete und unter gar keinen Umständen auf seinen Alleinvertretungsanspruch verzichten, da wurde dies von der amtlichen Parteizeitung in Peking ganz schlicht ›Irrtum eines Idioten‹ genannt.

      Die Vorstellung also, Bonn könne von dem chinesischen Territorialstreit mit der Sowjetunion profitieren und etwa mit Pekings Rückendeckung gegen Moskau und auch gegen die DDR auftreten, ist eine arge Illusion. Die Bundesrepublik galt jedenfalls bis zum jüngsten Regierungswechsel in Bonn – und daran dürfte sich wahrscheinlich auch in Zukunft sobald nichts ändern – als ein Satellit der sogenannten aggressionslüsternen amerikanischen Imperialisten.

      Sie wurde von der chinesischen Propaganda oft sogar als ein Bindeglied zwischen Washington und den sogenannten sowjetischen Sozialimperialisten verteufelt. Zweifellos gilt auch die DDR in Peking als Satellit, als ein Satellit Moskaus, und entsprechend frostig sind die Beziehungen zwischen der chinesischen Volksrepublik und Ostdeutschland bisher gewesen.

      Aber die Chinesen haben nie die Hoffnung aufgegeben, daß sich im Verhältnis der DDR zur Sowjetunion einmal Spannungen nach dem Vorbild der Tschechoslowakei-Krise entwickeln könnten. Jedenfalls ist Peking selber vital daran interessiert, gerade im Tschechoslowakei-Konflikt mit Moskau eine solche Entwicklung zu fördern.

      Nun gibt es zur Zeit gewisse Anzeichen für eine chinesische Entspannungsbereitschaft auch gegenüber der Sowjetunion. Aber selbst wenn die sowjetische Außenpolitik Peking nicht mehr als Feind, sondern nur noch als Rivalen in Rechnung stellen muß, wäre Moskau dennoch gezwungen, um seine Flexibilität gegenüber der chinesischen Volksrepublik zu bewahren, den sowjetischen Einfluß in Osteuropa, in Sonderheit auch in der DDR, weiter zu konsolidieren.«

      Wir dürfen also zweierlei für gegeben ansehen:

      1 Der chinesische Ärger der Russen wertet für sie die DDR noch mehr auf. Moskau muß sich für den Fall eines Krieges irgendwo entlang der 7 000 Kilometer langen Grenze, die China und die Sowjetunion gemeinsam haben,

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